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Chinesisches Kapital bleibt in Zentralasien gefragt. Doch die ausländische Konkurrenz macht an Boden gut. Chinas Firmen gewinnen zunehmend internationale Ausschreibungen.
16.03.2021
Von Uwe Strohbach | Berlin
Neben anderen Geldgebern ist China ein wichtiger Investor in Zentralasien. Laut chinesischen Zahlen betrug der Bestand chinesischer Direktinvestitionen (FDI) in Zentralasien 2019 knapp 14 Milliarden US-Dollar (US$). Wobei knapp die Hälfte der Investitionen nach Kasachachstan floss.
Ein etwas anderes Bild ergibt sich auf Grundlage nationaler Statistiken der zentralasiatischen Länder. Laut Hochrechnungen von GTAI summierten sich die gesamten ausländischen Direktinvestitionszuflüsse in den fünf zentralasiatischen GUS-Republiken Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan in den Jahren 2010 bis 2019 auf 300 Milliarden US$. Dabei kam China auf einen Anteil von 12 Prozent. Für das recht geringe Gewicht Chinas am Investitionsvolumen gibt es zwei Hauptgründe: Westliche Investoren dominieren das kapitalträchtige Investitionsgeschehen im Öl- und Gassektor Kasachstans. Außerdem wollen immer mehr Akteure aus anderen Ländern von den Geschäftschancen in der Region profitieren und konkurrieren erfolgreich mit Anbietern aus China.
Im Jahr 2020 betrug das chinesische FDI (Bruttozufluss) in den zentralasiatischen Republiken geschätzte 1,7 Milliarden bis 2,0 Milliarden US$. Die Hochrechnung des Kapitalzuflusses für 2010 bis 2020 ist mit Vorsicht zu betrachten, da die jeweiligen nationalen Daten auf unterschiedlichen Erfassungsmethoden beruhen und somit nur bedingt miteinander vergleichbar sind.
Bild vergrößernDer große Nachbar im Osten ist und bleibt ein wichtiger Geldgeber für den Ausbau von Infrastruktur, Industrie und Landwirtschaft. Viele bilaterale Vorhaben basieren auf der Umsetzung von Abkommen, die die zentralasiatischen GUS-Republiken mit China auf Regierungsebene abgeschlossen haben.
Die oft mit zinsgünstigen Krediten und steuerlichen Erleichterungen geförderten Projekte sollen die wirtschaftliche Entwicklung und Diversifizierung der Wirtschaft voranbringen. Häufig werden die Vorhaben von staatlichen chinesischen Unternehmen umgesetzt. Chinas Regierung zeigt in Zentralasien Interesse an der Beschaffung von Rohstoffen, Halbwaren und Fertigerzeugnissen, an Absatzmärkten und Verkehrskorridoren.
Auf Grundlage nationaler Statistiken der zentralasiatischen Länder fallen drei Viertel der seit 2010 in Zentralasien realisierten chinesischen Investitionen auf Kasachstan. Hinter dem hohen Gewicht stehen der Erwerb von Anteilen am Kaschagan-Ölfeld (5 Milliarden US$ plus 3 Milliarden US$ in der mittlerweile laufenden zweiten Phase zum Ausbau der Förderkapazitäten), weitere Engagements für die Förderung und den Transport von Öl und Gas, massive Investitionen in den Grenzhub Khorgos, der als Hauptdrehscheibe für Containerzüge zwischen China und Europa dient, sowie Aktivitäten im Kupferbergbau.
Usbekistans Anteil am Kapitalzufluss aus China nach Zentralasien beträgt 12 Prozent. Turkmenistan kommt auf 9 Prozent. Kirgisistan und Tadschikistan sind zusammen mit 4 Prozent an diesen Investitionen beteiligt. In Usbekistan fließt chinesisches Geld vorrangig in die Chemieindustrie, das Schienennetz, die Öl- und Gaswirtschaft sowie den Telekommunikationssektor.
Vorbei sind die Zeiten, in denen China hauptsächlich in große Projekte der Verkehrsinfrastruktur und Rohstoffwirtschaft investiert hat. Heute legt das Land den Fokus auf die verarbeitende Industrie, Informations- und Telekommunikationstechnologien, die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die Landwirtschaft. Sie engagieren sich auch im Hochbau. Die Empfängerländer wollen mehr denn je ihre Ressourcen für die Produktion von Erzeugnissen mit einer hohen Wertschöpfung nutzen. Sie haben dabei sowohl eine Verbesserung der Versorgung des Binnenmarktes als auch eine Stärkung der Exportwirtschaft im Visier.
Chinesische Firmen konkurrieren inzwischen auch erfolgreich als Wettbewerber in Ausschreibungen ausländischer Geberorganisationen und anderer internationaler Finanzinstitute. Mit diesem Geld errichten sie Solar- und Windparks, Wärmekraftwerke sowie Stromnetze oder liefern rollendes Material für den Schienenverkehr. Zudem setzten immer mehr private chinesische Firmen Industrieprojekte in den steuerlich begünstigten Freizonen der Länder um. Das wachsende Interesse des Privatsektors geht einher mit der kräftigen Wiederbelebung des regionalen Handels und der von allen Ländern vorangetriebenen Importsubstitution.
Während die politische und wirtschaftliche Elite chinesische Engagements überwiegend begrüßt, sehen kleine Unternehmen und Teile der Bevölkerung diese Aktivitäten oft eher kritisch. Offen geäußert wird die Kritik nur in Kirgisistan und Kasachstan.
Bemängelt werden dabei vor allem unzureichende Informationen zu chinesischen Vorhaben, die fehlende Einbeziehung der Öffentlichkeit in Entscheidungen der öffentlichen Hand und die hohe Korruptionsanfälligkeit der Projekte. Kritiker befürchten einen unkontrollierten Zuzug aus China, die Missachtung von Umweltnormen, eine schlechte Bezahlung lokaler Arbeitskräften durch die Investoren, eine ineffiziente Nutzung von Investitions- und Fördergeldern sowie eine - vor allem in Kirgisistan - an Brisanz zunehmende Auslandsverschuldung.
In der Tat bleiben viele chinesische Projekte hinter den ursprünglich angepeilten Zeitplänen und Produktionszielen zurück. Auch macht die oft bedingungslose Kreditpolitik der chinesischen Investoren so manches Investitionsobjekt für lokale Korruptions- und Oligarchengeflechte interessant. Dies gilt allerdings auch für zahlreiche andere staatlich finanzierte oder gemanagte Investitionsprojekte. Dennoch ist das Gros der Kritik überzogen und vielmehr dem Mangel an konkreten Projektinformationen und des in den Ländern medial oft stark negativ gefärbten Chinabildes geschuldet.
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