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Special Europa Konnektivität

"Wir machen Netze für die Energiewende bereit"

Susanne Nies, die Deutschlandchefin von Smart Wires Inc., spricht im Interview über Stromnetzoptimierung und über den Anschluss der Ukraine an Europas Verbundstromnetz.

Von Lukas Latz | Berlin

Frau Nies, Ihr Unternehmen produziert Technologie zur Optimierung von Stromnetzen. Was ist das für ein Unternehmen?

Vor zwölf Jahren wurde Smart Wires in den USA gegründet. Die Idee kam von Post-Graduates des Georgia Institute of Techology, die auf ein Blackout in Baltimore mit einer neuen Technologie reagieren wollten. Wir sind heute ungefähr 300 Leute aus vielen verschiedenen Ländern. Unsere Firmenzentrale ist aus dem Sillicon Valley gerade nach North Carolina in ein Research Triangle gezogen. Wir produzieren nur in den USA, weil der Markt woanders noch zu klein für uns ist.

Sie produzieren modulare statisch-synchrone Serienkompensatoren, abgekürzt mSSSC. Was ist das für eine Technologie?

Es geht um eine gleichmäßigere Auslastung des Netzes, um Lastflusssteuerung. Stellen Sie sich mehrere Leitungen vor, die von einem Windpark zu den Konsumenten führt. Es kann passieren, dass eine dieser Leitungen völlig überlastet ist und über andere Leitungen gar kein Strom fließt. Wenn man unsere Geräte einsetzt, kann man Strom pushen oder auch ziehen, sodass sich der Strom in völlig anderer Weise verteilt. Durch die optimierte Lastverteilung gewinnt man mitunter ein Vielfaches an Übertragungskapazität.

Susanne_Nies_RZ Susanne Nies, Smart Wires | © Susanne Nies, Smart Wires

Und das lohnt sich?

Wenn das Netz an bestimmten Stellen verstopft ist, muss man es im Extremfall sogar abschalten, weil es sicherheitsrelevant wird. Man müsste dann den Sonnen- oder den Windstrom abriegeln. Durch unsere Technologie kann man das entscheidend optimieren. Für das deutsche Stromnetz betragen die Engpasskosten alleine fast zwei Milliarden Euro pro Jahr. Aus einem Szenario, das die Wirtschaftsberatung Consentec für den Verband CurrENT durchgerechnet hat, geht hervor, dass die Engpasskosten durch den kombinierten Einsatz von innovativen Netztechnologien wie auch unserer um mehr als 90 Prozent gesenkt werden könnte.

Wie sind diese Serienkompensatoren konkret beschaffen? Ist das reine Hardware?

Unsere Technologie gehört zu den sogenannten Power Electronics. Sie besteht aus Hard- und Software. Da diese SSSC relativ kompakt und klein sind, kann man sie auch dezentralisiert, mobil oder temporär einsetzen, sie aufstocken und ausbauen wie Lego, oder woanders hinbewegen. So kann man darauf reagieren, dass zum Beispiel eine Leitung gewartet werden muss, oder eine große neue Stromtrasse fertig wird und sich die Situation des Lastflusses ändert. Wichtig ist aber auch zu sagen, dass bei den großen Anforderungen an die Stromnetze alle Lösungen gebraucht werden: Optimierung des Bestandsnetzes – was wir machen – Verstärkung der Netze, sowie massiver und schneller Ausbau. Sonst wird es nichts mit den ambitionierten Zielen zum Ausbau der erneuerbaren Energien!

Sind Ihre Kunden die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) oder auch die Verteilnetzbetreiber (VNB)?

Beides. Besonders effektiv sind wir auf hohen Spannungsebenen, die ja auch bei den Verteilnetzbetreibern sind.

Wie kommen Sie an Aufträge?

Wir sind in sogenannten Tech Assure Prozessen mit vielen ÜNB. Wir haben in Großbritannien ein großes Projekt umgesetzt und andere in Frankreich, Irland, Griechenland, Bulgarien – um nur einige zu nennen. 2021 haben wir ein spannendes Pilotprojekt in Österreich gemacht und es geht rasant weiter.

Nach welchem Schema schauen Sie auf neue Märkte? Was sind die Grundfragen, die Sie sich beantworten, um einen Markt zu bewerten?

Vor allem die Länder, die massiv Erneuerbare ins Netz integrieren wollen, sind daran interessiert, Lösungen wie unsere auszuprobieren. Vorreiter in Sachen Erneuerbare waren Deutschland, Dänemark, Italien oder Spanien und dort wird weiter sehr viel zugebaut. Wenn wir dann mit dem Land arbeiten, schauen wir natürlich nach der Netzstruktur, berechnen gemeinsam mit den ÜNB, wo ein Einsatz sinnvoll sein könnte. Wichtig ist auch, ob die Regulierung die ÜNB oder VNB anreizt, neue Lösungen auszuprobieren. In England zum Beispiel bekommt der ÜNB National Grid die notwendigen Anreize und entsprechend probiert er viel Neues aus.

Auch in der Ukraine wollen Sie Ihre Technologie platzieren. Im März wurde das Land ans europäische Stromnetz ENTSO-E angeschlossen. Was ist da passiert?

Ukrenergo, der ukrainische ÜNB, hat schon seit 2017 versucht, so schnell wie möglich aus dem russischen Netz herauszukommen und Anschluss an das ENTSO-E-Netz zu finden. Die Bedeutung des Anschlusses ist symbolisch: Man ist Teil von "Europa", wenn die Stromnetze synchron auf 50 Hertz ticken. Am 16. März 2022 wurde die Synchronisierung vollzogen. Viel schneller als erwartet, denn die unvorhersehbaren Ereignisse haben ENTSO-E und die ÜNB-Mitgliederfamilie veranlasst, die Ukraine auf diese Weise zu unterstützen.

Aber die technischen Herausforderungen sind doch nicht einfach weg?

Viele wurden in der Vergangenheit durch eine sehr solide Zusammenarbeit gelöst. Es bleibt das Problem der sogenannten möglichen Inter-area Oscillations. Das bedeutet, dass die Frequenz von den 50 Hertz nach unten oder oben abweichen kann, und damit die Netzstabilität gefährdet ist. Da sich Strom fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, ist es wichtig solche Risiken abzuwenden. Smart Wires kann hier eine Lösung anbieten, das sogenannte Power Oscillation Damping, also das Dämpfen der Schwingungen. Bevor solche Lösungen eingebaut sind, wird kein kommerzieller Stromaustausch stattfinden. Ich hoffe, dass wir rasch zu einer Situation kommen, in der zuerst dieser schreckliche Krieg endet, und in der auch die Stromsysteme, bereichert durch neue Technologien wie unsere, normal funktionieren können.

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