Branchen | Frankreich | Chemische Industrie
Branchenstruktur
Frankreichs Chemieindustrie zählt zu den wichtigsten weltweit. Forschung und Innovation wird großgeschrieben. Auch die Kooperation mit Start-ups floriert.
05.05.2023
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Chemieunternehmen stehen im Umbau
Die chemische Industrie hat in Frankreich eine lange Tradition und ist in allen Segmenten der Produktion gut vertreten. Frankreich weist nach Deutschland die zweitgrößte Chemieindustrie in Europa und die siebtgrößte weltweit auf. Die knapp 3.500 Branchenunternehmen erwirtschafteten 2021 mit ihren knapp 170.000 Mitarbeitern laut France Chimie einen Gesamtumsatz von 97 Milliarden Euro.
Kleine und mittlere Unternehmen prägen die Chemielandschaft. Rund 94 Prozent der Unternehmen beschäftigen weniger als 250 Mitarbeiter. Das Land verfügt jedoch auch über große international aufgestellte Konzerne wie Total, Arkema, Air Liquide und Kem One. Darüber hinaus ist Frankreich besonders für US-amerikanische Unternehmen (ExxonMobil Chemical, LyondellBasell) ein wichtiger Produktionsstandort in Europa. Auch die großen deutschen Chemiekonzerne sind in Frankreich aktiv. BASF ist mit 14 Produktionsstandorten in Frankreich vertreten und beschäftigt mehr als 3.000 Mitarbeiter. Auch wenn der deutsche Chemiekonzern aufgrund der schwachen Ergebnisse des Jahres 2022 weltweit Restrukturierungsmaßnahmen ergreift, bleiben die französischen BASF-Standorte bislang von Schließungen oder Personalfreisetzungen verschont. Bayer betreibt mit ebenfalls gut 3.000 Mitarbeitern sechs Fabriken sowie Forschungs- und Entwicklungszentren in Frankreich.
Alle Chemieunternehmen des Landes sehen sich mit Herausforderungen wie Klimawandel, Energiekrise oder dem Mangel an Vorprodukten konfrontiert. Um die vielschichtigen Probleme schnell und effizient angehen zu können, setzen die Branchenunternehmen zunehmend auf unternehmensübergreifende Kooperationen auch mit kleinen und mittleren Unternehmen oder Forschungsinstitutionen. Die Ausgaben für Entwicklung und Forschung lagen 2021 bei 2 Milliarden Euro. Zudem macht sich die Chemiebranche auf die Suche nach Start-ups, die mit unkonventionellen Technologien und Konzepten den Umbau von Produkten und Produktion vorantreiben sollen. Konzerne wie Air Liquide oder Solvay fördern die Entwicklung innovativer Anwendungen und Technologien durch eigene Investitionsfonds.
Starke regionale Cluster
Die Chemieproduktion konzentriert sich in Clustern in verschiedenen Regionen Frankreichs. Ein Großteil der Chemieunternehmen des Landes hat sich in einer der 18 regionalen Chemieplattformen des Landes angesiedelt. Einer der bedeutendsten Chemiestandorte ist die Region Auvergne-Rhône-Alpes mit starken Clustern der Industrie und der Forschung in Lyon (Vallée de la Chimie), Les-Roches-Roussillon und Grenoble (Grenoble Chemical Park). Hier haben Konzerne wie Arkema, BASF, Bayer und Solvay Produktions- und Forschungsstandorte errichtet.
Der Großraum Le Havre ist das größte Zentrum der Düngemittelproduktion in Europa und der Petrochemie in Frankreich. Der Hafen ist wichtiger Hub für den Chemieimport und -export mit Produktionsniederlassungen von Total, ExxonMobil, Arkema und BASF. Zudem errichtet Total Energies in LeHavre ein Flüssiggasterminal, das ab Ende 2023 betriebsbereit sein soll.
Einen weiteren wichtigen Petrochemiestandort bildet die Region Provence-Alpes-Cote-d’Azur (PACA) mit dem Großraum Marseille. Firmen wie Ineos, LyondellBasell, Kem One, Total Petrochemicals oder Arkema betreiben hier große Produktionsstätten. Weitere wichtige regionale Cluster befinden sich im Norden des Landes im Großraum Lille und in der Hauptstadtregion (mit Schwerpunkten in der Forschung und Spezialchemie).
Einen besonderen Schwerpunkt bilden die Cluster für Spezialchemie für die Kosmetik- und Parfumherstellung. Das wichtigste dieser gerade in Frankreich bedeutenden Chemiesparte befindet sich im südfranzösischen Grasse.
Grüne Chemie zieht Investitionen an
Zahlreiche Innovationscluster engagieren sich vor allem in der Entwicklung nachhaltiger Lösungen (grüne Chemie) und neuer Materialien (unter anderem für die in Frankreich starke Luft- und Raumfahrt-, aber auch die Modeindustrie).
Großunternehmen wie Total oder Arkema investieren in die Ökologisierung ihrer Produktpalette. Aber auch kleinere Unternehmen und Start-ups entwickeln häufig außerhalb der führenden Chemiezentren des Landes Anwendungen der biobasierten Industrie. In der südwestlichen Region Nouvelle-Aquitaine hat sich seit 2010 im Rahmen des Clusters Aquitaine Chimie Durable ein aufstrebendes Zentrum grüner Chemie entwickelt. Im ehemaligen Raffineriezentrum Carling in der Region Moselle siedeln sich, auch mit Unterstützung von Total Energie, Chemieunternehmen an, die sich auf die Entwicklung einer grünen Chemie fokussieren.
Zweite Bioraffinerie 2024 erwartet
In 2023 sind in Frankreich sieben Rohölraffinerien und eine Bioraffinerie, in Händen von Total, in Betrieb. Die zweite Bioraffinerie des Energiegiganten soll 2024 in Grandpuits die Produktion aufnehmen.
2017 | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 | |
---|---|---|---|---|---|
Rohölverarbeitung | 61,1 | 57,3 | 52,3 | 38,3 | k.A. |
Nettoproduktion von Raffinerieprodukten | 58,8 | 55,1 | 50,4 | 36,9 | 35,6 |
Produktgruppe | 2018 | 2019 | 2020 | 2021 |
---|---|---|---|---|
Ethylen | 2.173 | 2.340 | 2.270 | 2.356 |
Propylen | 1.341 | 1.443 | 1.386 | 1.447 |
C4-Ketten | 907 | 984 | 949 | 995 |
Pyrolyse-Benzin für die Herstellung von Aromaten | 788 | 734 | 701 | 772 |
Pyrolyse-Benzin zum Verkauf | 95 | 92 | 113 | 143 |
Pyrolyse-Benzin zur Wiedereinspeisung in der Raffinerie | 629 | 737 | 837 | 833 |
Recycelte Pyrolyse-Benzine | 264 | 275 | 300 | 317 |
Schweröl und Teer | 306 | 279 | 259 | 262 |
Gas und Hydrogen | 1.387 | 1.520 | 1.417 | 1.494 |
Verluste und Korrekturen | 99 | 104 | 84 | 64 |
Gesamte Produktion Dampfphasencracken | 7.989 | 8.526 | 8.355 | 8.713 |
Starke Kosmetikindustrie stützt die Branche
Ein Drittel der französischen Gesamtchemieproduktion entfällt auf chemische Grundstoffe. Damit spielen Basischemikalien eine geringere Rolle als in Deutschland. Mehr Gewicht als in Deutschland kommt in Frankreich der Sparte Pflanzenschutz zu. Auch ausländische Firmen wie Bayer produzieren in diesem Bereich im Land.
Frankreich ist zudem mit weltweit führenden Herstellern wie L'Oréal, Chanel und Guerlain ein wichtiger Standort für die Produktion von Körperpflegemitteln und Duftstoffen. Daher fällt diese Sparte in der Chemieindustrie deutlich stärker ins Gewicht als in Deutschland.
Sparte (NACE-Code) | 2021 | Veränderung 2021/2020 | Marktanteil |
---|---|---|---|
Mineralölerzeugnisse (19.2) | 27.640 | 41,6 | 48,9 |
Chemische Grundstoffe (20.1) | 10.341 | -15,4 | 18,3 |
Schädlingsbekämpfung und Pflanzenschutz (20.2) | 1.526 | -26,5 | 2,7 |
Farben und Lacke (20.3) | 1.002 | -60,0 | 1,7 |
Seifen und Parfums (20.4) | 12.795 | 5,2 | 22,6 |
Andere chemische Produkte (20.5) | 3.226 | -56,2 | 5,7 |
Chemiefasern (20.6) | 27 | 10,0 | 0,1 |
Zu den Produktionsmengen der Industrie werden seit 2017 nur sehr lückenhafte Daten veröffentlicht. Viele Zahlen werden aufgrund der geringen Anzahl an Unternehmen als "vertraulich" eingestuft und nicht ausgewiesen. Damit erlauben die verfügbaren Daten nur einen eingeschränkten Blick auf die Branchenentwicklung.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2021 |
---|---|---|
Petrochemie | 15.730,2 | |
Petrochemie | 4.391,4 | |
Spezialchemie | 2.983,0 | |
Kosmetik | 2.687,3 | |
Basischemie, Spezialchemie | 1.923,1 | |
Petrochemie, organische Chemie | 1.840,0 | |
Petrochemie, Spezialchemie | 1.494,1 | |
Organische Chemie | 1.365,8 | |
Agrarchemie, Pharma, Spezialchemie | 1.316,8 | |
Ergänzungsstoffe für Tierfutter | 1.244,1 |