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Rechtsbericht Frankreich Coronavirus

Frankreich: Coronavirus und Verträge

Aufgrund der engen deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen unterliegen viele Verträge dem französischen Recht. Was passiert, wenn die Vertragserfüllung beeinträchtigt wird?

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Einleitung

Frankreich ist erheblich von dem Coronavirus betroffen, und die Regierung hat einschneidende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung verabschiedet. Auch wenn es seit einiger Zeit vorsichtige Lockerungen gibt, bleiben Störungen im Geschäftsbetrieb. Störungen in deutsch-französischen Vertragsbeziehungen können natürlich auch aus in Deutschland oder in anderen Ländern geltenden Beschränkungen folgen. Die Erbringung von Leistungen kann unmöglich oder deutlich schwieriger werden. Dieser Bericht erläutert, wie das französische Recht mit diesem Thema umgeht.   

Der Code Civil regelt die höhere Gewalt

Das französische Zivilgesetzbuch, der Code Civil (im Folgenden: C.C.) regelt das Thema der höheren Gewalt (französisch: „force majeure“) in Artikel 1218. Höhere Gewalt liegt demnach vor, wenn die Erbringung einer vertraglich vereinbarten Leistung durch ein Ereignis, das außerhalb der Kontrolle des Schuldners liegt, die Erbringung dieser Leistung verhindert. Weiterhin setzt force majeure voraus, dass das Ereignis nicht vernünftigerweise vorhersehbar war und dass seine Auswirkungen auf den Vertrag nicht durch geeignete Maßnahmen abgewendet werden können. Eine Erschwerung der Leistungserbringung genügt nicht, die Erbringung muss unmöglich sein.   

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kommt es im Hinblick auf die Rechtsfolgen darauf an, ob das Hindernis vorübergehend oder dauerhaft besteht.

Handelt es sich um ein dauerhaftes Hindernis, dann wird der Vertrag von Rechts wegen beendet, Artikel 1351 C.C. Daraus wiederum folgt, dass die Parteien von der Erfüllung der im Vertrag versprochenen Leistungen befreit werden, auch Schadensersatz wird nicht geschuldet. Eine Ausnahme hiervon gilt, wenn der Schuldner der Leistung die Leistung gleichwohl versprochen hat oder in Verzug gesetzt wurde.

Handelt es sich hingegen um ein vorübergehendes Hindernis, so ist die Erfüllung der vertraglichen Pflichten lediglich suspendiert, es sei denn, die Verspätung rechtfertigt die Beendigung des Vertrages.    

Es sind Fälle denkbar, in denen Konsequenzen der Coronavirus-Pandemie durchaus einen Fall höherer Gewalt konstituieren können. Französische Gerichte waren zwar bei in der Vergangenheit liegenden Epidemien eher zurückhaltend bei der Feststellung höherer Gewalt, allerdings sind die durch die aktuelle Pandemie verursachten Einschränkungen so stark, dass hier eine andere Beurteilung denkbar scheint.

Kann hilfsweise eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ in Betracht kommen?

Wenn eine Berufung auf höhere Gewalt nicht in Betracht kommt, kann eventuell eine Störung der Geschäftsgrundlage (Imprévision) vorliegen. Diese ist in Frankreich in Artikel 1195 C.C. geregelt.

Wenn eine Änderung der Umstände, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war, die Erfüllung für eine Partei übermäßig belastend macht, und wenn diese Partei nicht im Vertrag ein solches Risiko ausdrücklich auf sich genommen hat, dann kann diese Partei die andere Partei auffordern, den Vertrag neu zu verhandeln. Während der Verhandlungen muss der Vertrag allerdings weiter erfüllt werden. Scheitern die Verhandlungen, so können die Parteien den Vertrag beenden oder einem Gericht vorlegen, damit dieses den Vertrag anpasst. Scheitert auch dies im Konsens, kann das Gericht den Vertrag auf Antrag einer Partei anpassen oder auch beenden.   

Die Voraussetzungen des Artikel 1195 C.C. sind allerdings ebenfalls streng. Das höchste französische Gericht hat beispielsweise entschieden, dass eine Erhöhung von Preisen eines Produzenten, die beim Großhändler zu einer um 58 Prozent geringeren Marge führt, nicht per se übermäßig belastend ist und daher keine Störung der Geschäftsgrundlage darstellt. Außerdem ist zu beachten, dass Artikel 1195 C.C. vertraglich ausgeschlossen werden kann. Es sollte also vor einer Berufung auf diese Vorschrift auf jeden Fall genau der Vertrag studiert werden.

In vielen Verträgen finden sich Vereinbarungen zur höheren Gewalt

In vielen Verträgen nach französischem Recht gibt es Regelungen, die den Themenbereich der Unmöglichkeit oder Erschwerung vertraglich geschuldeter Leistungen betreffen. Neben - oder anstelle von - Klauseln zu höherer Gewalt oder Störung der Geschäftsgrundlage kann es beispielsweise so genannte „Material Adverse Change“ - Klauseln geben.

Der große Vorteil der Vertragsklauseln gegenüber den gesetzlichen Regelungen: häufig haben solche Klauseln genaue Definitionen der konkreten Ereignisse, die als höhere Gewalt oder Störung der Geschäftsgrundlage gelten sollen. Oft enthalten sie sogar eine Aufzählung, in der konkrete Ereignisse genannt sind, die als höhere Gewalt gelten sollen. Und manchmal sind die Aufzählungen sogar abschließend. In vielen Fällen sind Epidemien oder Pandemien übrigens in diesen Aufzählungen enthalten. So können sich Auslegungsschwierigkeiten vermeiden lassen.

Wer mit durch das Coronavirus verursachten Problemen bei der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen zu tun hat, sollte also den betroffenen Vertrag zunächst genau lesen. Wegen der Vielzahl der möglichen Klauseln verbieten sich konkrete Ausführungen. Nur einige Punkte, die in fast allen Klauseln geregelt sind: häufig gibt es Mitteilungspflichten des Schuldners an den Gläubiger der Leistung. Diese Pflichten sollten unbedingt beachtet werden. Fast immer gibt es das Erfordernis von Kausalität zwischen dem äußeren Ereignis, das die Unmöglichkeit hervorruft, und der Unmöglichkeit der konkreten Leistungserbringung. Und sehr häufig gibt es die Pflicht, die Auswirkungen der Unmöglichkeit zu minimieren, so gut es geht.

Fast immer sind die Leistungsschuldner, also diejenigen, die sich auf die Unmöglichkeit berufen, beweispflichtig dafür, dass die Voraussetzungen des Tatbestandes der Unmöglichkeit vorliegen. Dies gilt sowohl bei vertraglichen als auch bei gesetzlichen Regelungen der Unmöglichkeit.  

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