Frankreich verfügt über einige starke Akteure, die Halbleiter für industrielle Anwendungen entwickeln und produzieren. Auch ausländische Firmen haben Fabriken im Land.
Die französische Halbleiterindustrie produziert weniger für die großen Nachfragesektoren wie Computer, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik, wo große US-amerikanische, taiwanesische und koreanische Unternehmen dominieren. Sie ist vielmehr auf Industrieanwendungen vor allem im Luftfahrtsektor und der Automobilindustrie sowie auf die Technologiesegmente 5G und Industrie 4.0 fokussiert.
Die Halbleiterindustrie gruppiert sich um einige wenige, in ihren Märkten gut positionierte Unternehmen, wie STMicroelectronics, Soitec, UMS und Lynred. Hinzu kommen Murata aus Japan und X-Fab aus Deutschland, die im Zuge von Firmenkäufen in den letzten Jahren auch Fabriken in Frankreich übernommen haben. Das Land verfügt zudem über kleinere spezialisierte Hersteller, etwa für den Verteidigungs- und Luftfahrtsektor, und ambitionierte Start-ups wie Kalray und Aledia.
Zentrum der Halbleiterindustrie in Grenoble
Die Industrie kann sich auf eine gut entwickelte Forschungslandschaft mit international anerkannten Instituten wie dem CEA-Leti stützen, das sich in Grenoble im Zentrum des wichtigsten Mikroelektronikclusters des Landes befindet. Hinzu kommen strategische Zulieferer wie Air Liquide, das Inertgase für Produktionsumgebungen oder als Ablagerungs- und Ätzmaterial für die Halbleiterherstellung liefert, oder der Spezialchemiehersteller Arkema.
Nachgelagert verfügt Frankreich über große EMS-Produzenten (electronics manufacturing services). Asteelflash, All Circuits, Eolane und Lacroix Electronics zählen zu den zehn größten europäischen EMS-Unternehmen. Diese sind in den letzten Jahren durch die Auslagerung dieser Aktivitäten aus der Luftfahrt- und Automobilindustrie sowie durch Hersteller elektrischer Ausrüstungen groß geworden. Diese Sektoren fragen weiter in großem Umfang elektronische Bauteile nach. Einige große Unternehmen wie Alstom, Thales, Actia, aber auch Bosch aus Deutschland, bestücken zum Teil selbst ihre Leiterplatten in Frankreich.
Soitec will von 5G und autonomem Fahren profitieren
Soitec ist ein weltweit führender Hersteller von Halbleitersubstraten in einem bestimmten Technologiesegment (Silicon-on-Insulator, SOI) für besonders energiesparende Schaltkreise. Zwei Drittel der Produktion geht an die Halbleiterhersteller GlobalFoundries, STMicroelectronics, Tower Jazz, TSMC und UMC. Die Firma besitzt drei Fabriken in Bernin, nördlich von Grenoble. In den letzten Jahren sind weitere Fabriken in Singapur, Belgien und über eine Partnerschaft mit dem chinesischen Unternehmen Simgui Technology in China hinzugekommen.
Die Halbleiterplatten von Soitec werden vor allem für Übertragungstechnik in Mobilfunkgeräten genutzt. Durch 5G-Netze, 5G-Handys, autonomes Fahren und Industrie 4.0 erwartet das Unternehmen eine stark steigende Nachfrage nach ihren Substraten und will den Umsatz bis 2026 verdreifachen.
Herzstück STMicroelectronics
Das Herzstück der Halbleiterindustrie in Frankreich ist aber STMicroelectronics, ein französisch-italienischer Halbleiterhersteller mit Sitz in den Niederlanden, der sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion und Vermarktung von Halbleitern aktiv ist. Er zählt mit Infineon aus Deutschland und NXP aus den Niederlanden zu den drei größten europäischen Herstellern.
STMicroelectronics stellt vor allem Halbleiter für die Kfz-Industrie, für Sensoren und Übertragungstechnik (auch für Handys) her und hat drei Fabrikstandorte in Frankreich und zwei in Italien. Hinzu kommen Produktionsstätten in Malta, Marokko, China, Malaysia, Singapur und den Philippinen. Die Firma baut eine neue Fabrik vor den Toren von Mailand und will die Kapazitäten in Crolles nahe Grenoble verdoppeln. 2021 will sie 1,8 Milliarden bis 2 Milliarden Euro investieren und den Umsatz auf über 12 Milliarden Euro ausweiten. STMicroelectronics hat durch Partnerschaften etwa mit Renault, Thales, Orange und Dassault ihre Position in den Zukunftsfeldern Elektromobilität und Industrie 4.0 weiter ausgebaut.
Halbleiterhersteller in Frankreich (Umsatz in Millionen Euro)
Unternehmen | Aktivität | Umsatz 2020 |
---|
STMicroelectronics | Design, Fertigung und Vermarktung von Halbleitern für viele Anwendungsbereiche | 10.219 |
Soitec | Herstellung von Substraten für Halbleiter | 583,8 |
Lynred | Design, Fertigung und Vermarktung von Halbleitern für Wärme- und Infrarotsensoren | 237 |
United Monolithic Semiconductors | Design, Fertigung und Vermarktung von Übertragungstechnik | 73,6 |
Quelle: Jahresberichte, BFM-Verif 2021
UMS und Lynred sind kleinere spezialisierte Hersteller. United Monolithic Semiconductors (UMS) entwickelt und fertigt Halbleiter für Übertragungstechnik im Verteidigungssektor, aber auch für die kommerzielle Telekommunikation und die Automobilindustrie. UMS ist ein französisch-deutsches Unternehmen, das 1996 als Joint-Venture zwischen Thales und Airbus Defense and Space gegründet worden ist, mit Fabriken in Villebon-sur-Yvette südlich von Paris und in Ulm.
Lynred ist 2019 aus dem Zusammenschluss der Firmen Sofradir und ULIS entstanden und gehört jeweils zur Hälfte Thales und Safran. Die Firma stellt Infrarot- und Wärmesensoren für den Verteidigungs- und Luftfahrtsektor, aber auch für die Industrie her. Lynred verfügt über Fabriken in Veurey-Voroize nahe Grenoble und in Palaiseau südlich von Paris.
Auch Werke ausländischer Hersteller in Frankreich
Der Halbleiterhersteller X-Fab aus Deutschland hat 2016 die Firma Altis übernommen und damit eine Fabrik in Corbeil-Essonnes. Im selben Jahr hatte Murata aus Japan die Firma IPDiA aufgekauft, die über eine Fabrik in Caen verfügt. Ebenfalls 2016 übernahm die japanische TDK die Firma Tronics. Sie stellt in Crolles nördlich von Grenoble Sensoren für die Luftfahrt her. In Grenoble unterhält auch die britische Firma Teledyne e2v ein Halbleiterwerk. Sie hat im Mai 2021 ein Projekt zur Modernisierung der Reinräume begonnen.
Die Halbleiterforschung bringt in Frankreich immer wieder Firmengründungen hervor. Aus dem Institut CEA-Leti sind etwa Kalray und Eladia hervorgegangen. Eine neuartige Beschleunigungskarte (acceleration card) für Datenzentren von Kalray soll im 2. Halbjahr 2021 in die Massenfertigung gehen. Damit soll der Umsatz von Kalray von 1 Million Euro 2020 bis 2023 auf 100 Millionen Euro ansteigen. Aledia entwickelt Mikro-LEDs und will Ende 2021 eine eigene Bildschirmproduktion in einer neuen Fabrik in Champagnier nahe Grenoble in Betrieb nehmen.
Von Peter Buerstedde
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Paris