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Special Frankreich Brexit

Post-Brexit: Mehr Fährverbindungen von Frankreich nach Irland

Der französische Handel mit dem Vereinigten Königreich hat sich nach der Jahreswende wieder weitgehend normalisiert. Aber manche Auswirkungen des Brexits dürften erst noch kommen.

Von Peter Buerstedde | Paris

In der Entwicklung des Außenhandels zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich lassen sich die Auswirkungen des Brexits und der Coronakrise nicht sauber trennen. Im Ranking der Zielländer französischer Exporte ist das Vereinigte Königreich bereits 2017 vom fünften auf den sechsten Platz gerutscht. Unter den Herkunftsländern französischer Importe bekleidet der Inselstaat seit 2016 unverändert den achten Rang.

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Allerdings ist der französische Anteil jeweils leicht geschrumpft. Dies aber vor allem seit Beginn der Coronakrise. Ein Grund ist das große Gewicht, das Flugzeug- und Kfz-Teilen im Handelsaustausch zukommt - 19 Prozent der französischen Exporte auf die Insel und 21 Prozent der Importe von dort. Vor allem der Handel unter Airbusfilialen spielt eine große Rolle. Die beiden Sektoren haben sich noch nicht wieder von der Krise erholt. Die Kfz-Produktion leidet seit Anfang 2021 besonders stark unter Lieferengpässen. Der Handel mit Kfz- und Flugzeugteilen liegt 2021 weiterhin deutlich unter dem Vorkrisenniveau von 2019.

Im Gegensatz zu den Einfuhren aus anderen wichtigen Lieferländern haben sich die französischen Importe aus Großbritannien in den ersten acht Monaten 2021 gegenüber dem Vorjahr nicht erholt. Hier spielen allerdings erneut Verzerrungen eine entscheidende Rolle: Ende 2020 hatten vor allem auf britischer Seite viele Firmen Lagerbestände aufgebaut, um sich für mögliche Verzögerungen an der Grenze zu wappnen. In der Folge stieg der Außenhandel zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich Ende 2020 zunächst an, brach jedoch zum Jahresbeginn 2021 wieder ein. 

Auch Airbus, das auf der Insel 25 Betriebe mit 14.000 Mitarbeitern unterhält, hatte Lagerbestände für drei Wochen auf beiden Seiten aufgebaut. Im Endeffekt fielen die Schwierigkeiten bei der Grenzabfertigung dann sehr viel geringer aus als erwartet, wie viele Unternehmen berichten.

Brexit trifft kleinere Unternehmen, frische Produkte und den Onlinehandel

Der Brexit dürfte aber durch längere Wartezeiten und höhere Kosten auch seinen Anteil am Rückgang des Handels haben. Vor allem Unternehmen, die frische Produkte vertreiben, oder mit kleineren Handelsvolumina haben laut Pressemeldungen ihre Lieferungen zum Teil aufgegeben. So hat ein Franchisenehmer des britischen Einzelhändlers Marks & Spencer im September 2021 die Schließung von elf Läden in Frankreich verkündet. Grund seien zeitraubende und komplizierte Ausfuhrverfahren für frische Produkte aus dem Vereinigten Königreich. Die restlichen neun Filialen, die einem anderen Franchisenehmer unterstehen, sollen offen bleiben. Betroffen sind auch britische Onlinehändler wie Asos oder Made.com, die von britischen Logistikhubs ihre Geschäfte tätigen und in Frankreich in den letzten Jahren stark gewachsen waren. Sie haben nach Presseberichten mit höheren Kosten durch den Brexit zu kämpfen. Deutsche Anbieter (wie etwa Zalando) könnten hier Marktanteile gewinnen.

Die anfänglichen Schwierigkeiten beim Export schottischer Fische und Meeresfrüchte, die vielfach in Frankreich verpackt werden, haben sich im Jahresverlauf 2021 gelegt. Aber der Streit über die Vergabe von Fanglizenzen für britische Gewässer zwischen Frankreich und Großbritannien hält an. 

Teilweise dürften die Auswirkungen auf die Handelsströme und Lieferketten erst in den kommenden Jahren deutlich werden. Dies hängt etwa mit der phasenweisen Einführung von Meldungen und Kontrollen etwa bei Lebensmitteln auf britischer Seite zusammen. Während diese auf Seite der Europäischen Union (EU) seit Jahresbeginn 2021 wirksam sind, hatte die britische Regierung die Einführung zum Teil auf 2022 verschoben.

Produktionsverlagerungen nach Frankreich denkbar

Britische Firmen müssen Ursprungsregeln beachten, damit Waren zollfrei in die EU exportiert werden können. Im wichtigen Kfz-Sektor steigt der Anteil der Wertschöpfung, der in der EU oder Großbritannien erbracht werden muss, schrittweise bis 2027 auf 55 Prozent. Die Kfz-Hersteller im Vereinigten Königreich haben, gestützt durch Subventionszusagen der britischen Regierung, in den letzten Monaten Investitionen für neue Modelle und vor allem für Batterien angekündigt, um künftig die Regeln bei Elektroautos erfüllen zu können. So will Stellantis in Ellesmere Port elektrische Lieferwagen produzieren.

Trotzdem sind Produktionsverlagerungen auf das EU-Festland in den kommenden Jahren zu erwarten, um Verzögerungen an der Grenze zu vermeiden. Bisher sind keine Verlagerungen nach Frankreich bekannt geworden, aber das Land ist gut positioniert, um davon zu profitieren. Nissan, Stellantis und Toyota produzieren auf der Insel und haben große Werke und Zuliefernetzwerke in Nordfrankreich (Nissan über die Allianz mit Renault).

Zoll und Häfen gut vorbereitet

Vor der Coronakrise und dem Brexit verkehrten zwischen Frankreich und dem Vereinigten Königreich jährlich etwa 4,5 Millionen Lkw, davon 2,8 Millionen per Fähre und 1,6 Millionen per Eurotunnel. Der französische Zoll hatte in Vorbereitung auf den Brexit ein Online-Anmeldesystem (frontière intelligente) eingerichtet, um die Abwicklung in den Häfen zu beschleunigen und hat Einrichtungen für die Warenkontrolle aufgebaut. Französische Häfen haben Parkplätze ausgebaut, um wartende Lkw aufzunehmen. Dadurch konnten größere Verzögerungen verhindert werden. Die Abwicklung gilt in französischen Häfen bisher als vergleichsweise problemlos.

Die Reedereien haben seit 2020 ihre Linien zwischen Frankreich und dem englischen Festland zum Teil an geringere Volumina angepasst. Die größte Veränderung betrifft aber neue direkte Fährverbindungen zwischen Häfen in Frankreich und Irland, die  Anfang 2021 eingerichtet worden sind. Dabei geht es darum, die Landbrücke von Irland über das britische Festland und damit Zollkontrollen zu umgehen. Unklar ist, ob diese Verbindungen beibehalten werden, wenn sich der Handel über die sehr viel schnellere Landbrücke wieder stärker eingespielt hat.

Investitionsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich

Indikator

2016

2019

Französischer Direktinvestitionsbestand im Vereinigten Königreich (in Mio. Euro)

69.996

80.927

Rangstelle beim britischen Direktinvestitionsbestand

5

8

Britischer Direktinvestitionsbestand in Frankreich (in Mio. Euro)

71.277

103.247

Rangstelle beim französischen Direktinvestitionsbestand

4

3

Französische Unternehmen in Vereinigten Königreich (Anzahl)

3.789

3.751 (2018)

Britische Unternehmen in Frankreich (Anzahl)

1.176

1.026 (2018)

Quelle: Eurostat 2021

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