Georgiens Wirtschaft hofft für 2021 auf ein Plus von 4 Prozent und von 6 Prozent im Folgejahr. Die Prognosen setzen einen wiederbelebten Tourismus voraus. (Stand: 18. März 2021)
Georgiens Experten sind sich einig: Die Wirtschaft hat nach dem Coronakrisenjahr gute Chancen auf eine wirtschaftliche Trendwende im Jahr 2021. Auch im Folgejahr 2022 könne ein hohes Wachstum gelingen. Das für 2021 erwartete Plus des kleinen südkaukasischen Landes setze allerdings voraus, dass neben der Bewältigung der Coronaviruspandemie die Reisebranche schrittweise wieder an Fahrt gewinnt.
Bleibt die Wiederbelebung des Tourismus aus, dann - so meinen die Planer - werde die gesamtwirtschaftliche Leistung im Jahr 2021 in etwa auf dem geringen Vorjahresniveau verharren. Das für 2021 avisierte Impfprogramm dürfte maßgeblich zur Entspannung der schwierigen Lage im Land beitragen.
Erholung des Tourismus für zweite Jahreshälfte 2021 erwartet
Den steten Aufwärtstrend im Tourismusgewerbe Georgiens hat die Coronapandemie abrupt gestoppt. Der Fremdenverkehr entwickelte sich in den Jahren bis 2019 zu einer tragenden Säule der Wirtschaft. Auf ihn entfielen 2019 unter Einbeziehung der öffentlichen Versorgung und touristischer Transportdienste 9 bis 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP).
Fast 1.700 Hotels und Herbergen mit 76.300 Betten bedienten 2019 rund 4 Millionen Gäste, davon kamen 2,9 Millionen aus dem Ausland. In der gesamten Branche waren 2019 etwa 150.000 Menschen beschäftigt. Die Einnahmen aus dem Incoming-Tourismus erreichten ein Rekordniveau von 3,2 Milliarden US-Dollar (US$). Sie entprachen mehr als 18 Prozent des nominalen BIP.
Im Jahr 2020 zählte das Land nur noch 1,6 Millionen ausländische Besucher, nach 9,0 Millionen im Vorjahr. Die Anzahl der Touristen brach von 5,1 Millionen auf 1,1 Millionen ein. Die Deviseneinnahmen aus dem Incoming-Tourismus schrumpften gegenüber 2019 um 83,4 Prozent auf bescheidene 542 Millionen US$. Die Einnahmenverluste in Höhe von 2,7 Milliarden US$ stehen für einen Großteil des massiven BIP-Einbruchs im Jahr 2020 (-6,1 Prozent).
Tourismuseinnahmen wohl erst 2023 wieder auf Vorkrisenniveau
Für das zweite Halbjahr 2021 prognostizieren Marktkenner eine dynamische Erholung des Tourismus. Die Deviseneinnahmen aus dem Incoming-Tourismus dürften sich im Gesamtjahr 2021 im Vergleich zu 2020 auf etwa 1,2 Milliarden US$ mehr als verdoppeln. Das wären aber immer noch drei Fünftel weniger als 2019. Für 2022 erwarten die Spezialisten ein weiteres Einnahmenplus auf etwa 2,6 Milliarden US$. Das Vorkrisenniveau wird voraussichtlich erst 2023 wieder erreicht.
Der Staat unterstützt die Hotel- und Gaststättenbranche. Genannt seien vor allem Zinszuschüsse für aufgenommene Geschäftskredite und für verlorene Zuschüsse für neue Kredite sowie eine Befreiung von der Grundsteuer. Dennoch werden die Hilfen für zahlreiche Gaststätten und voraussichtlich auch einige Hotels zu spät kommen. Die hohe Verschuldung gegenüber ihren Vermietern und/oder fehlende liquide Mittel treiben viele ins Aus. Der Gaststättenverband schätzt ein, dass bis März 2021 etwa 50 Prozent der bisherigen Gaststättenbetreiber ihr Geschäft aufgegeben haben.
Einzelhandel bleibt 2021 voraussichtlich noch unter dem Ergebnis von 2019
Für den Einzelhandel erwarten Marktkenner für 2021 wieder ein reales Wachstum. Das Plus dürfte aber das Minus des Vorjahres noch nicht auffangen. Viele Einzelhändler rechnen für 2021 mit Umsatzerlösen, die noch ein gutes Stück unter dem Niveau von 2019 liegen.
"Unsere Umsatz- und Gewinnerwartungen für 2021 sind deutlich gedämpft. Wir rechnen mit Erlösen in Höhe von höchstens 80 Prozent des 2019 erzielten Ergbnisses", sagt Rezo Magalaschwili, Direktor der Retail Group Georgia. Die Firmengruppe betreibt rund 60 Geschäfte in Tiflis und vertritt die Interessen von mehr als 30 Markenherstellern in den Produktgruppen Bekleidung und Schuhe auf dem georgischen Markt (Zara, Mango, Stradivarius, Bershka, Massimo Dutti, Marks & Spencer und andere). Die 2020 geplante Eröffnung von zehn neuen Läden hat das Unternehmen auf die Jahre 2021 und 2022 verschoben.
Mehr Projekte in der Ernährungswirtschaft zu erwarten
Die Nahrungsmittel-, Getränke- und Tabakindustrie steht traditionell für fast die Hälfte des Ausstoßes im verarbeitenden Gewerbe Georgiens. Sie ist der wichtigste Abnahmesektor für ausländische Maschinen und Ausrüstungen.
In einer Reihe von Produktgruppen gibt es dank staatlicher Fördermaßnahmen Modernisierungs- und Ausbauprojekte. Hierzu zählen vor allem die Produktion von Obst- und Gemüseerzeugnissen, Trockenobst und Fruchtchips, aber auch die Verarbeitung von Fleisch, Milch und Tee.
Die in letzter Zeit zu beobachtende reale Abwertung der Inlandswährung GEL gegenüber dem US-Dollar führt zu einer wachsenden Nachfrage nach günstigen inländischen Erzeugnissen. Andererseits wollen immer mehr georgische Nahrungsmittelhersteller die Exportchancen im Rahmen bestehender Freihandelsabkommen mit zahlreichen Ländern nutzen.
Von Uwe Strohbach
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Tiflis