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Special | Griechenland | Krieg in der Ukraine

Hohe Energiepreise bedrohen Produktion und Exporte

Der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise zwingen Griechenland umzudenken. Mit vermehrter Kohleproduktion und Flüssiggas aus den USA möchte das Land entgegensteuern.

Von Michaela Balis | Athen

Unsicherheit herrscht in Griechenland und der regierenden Partei Nea Dimokratia. Aktuellen Wahltrends zufolge schrumpft ihr Anteil - wenn auch nur gering - aufgrund der Folgen des Ukrainekriegs und des zunehmenden Preisdrucks. Daraufhin legte die Regierung ihre Überlegungen für vorgezogene Parlamentswahlen im Jahr 2022 auf Eis.

Unsicherheit herrscht auch in der Wirtschaft. Laut den Winterprognosen der Europäischen Kommission sollte das griechische Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 um knapp 5 Prozent wachsen. Nun sieht es schlechter aus. Trotz der widrigen Umstände erwartet die griechische Zentralbank eine leichte Zunahme des BIP von 3,8 Prozent.

Eine Energie- und Lebensmittelkrise sowie die Turbulenzen an den Kapitalmärkten drücken auf Industrie, Exporte, privaten Konsum und Tourismus, somit auf die treibenden Kräfte der griechischen Wirtschaft. Wenn diese Situation fortdauert, ist ein geringeres Wachstum von 2,8 Prozent nicht auszuschließen. Im März 2022 lag die Inflation bei 8,9 Prozent, meldet das griechische Statistikamt Elstat.

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Industrie und Exporteure befürchten Umsatzeinbrüche

In einer Umfrage des Verbandes griechischer Industrien SBE von Februar 2022, vor Kriegsausbruch, gaben neun von zehn Unternehmen an, unter den hohen Energiepreisen zu leiden. Diese sind um mehr als 40 Prozent gestiegen. Für rund ein Viertel der Unternehmen beinhaltet dies höhere Produktionskosten sowie höhere Kosten für industrielle Zwischengüter. Fast ein Fünftel sieht sich mit steigenden Transportkosten konfrontiert.

Ziemlich optimistisch geht die Hälfte der Befragten davon aus, dass die Strompreise nicht weiter steigen werden. Ihnen gegenüber steht fast ein Drittel der Unternehmen, die das bezweifeln.

Durch Preiserhöhungen sind die Umsätze und die Exporte gefährdet, meldet knapp die Hälfte der Befragten. Insgesamt ein Viertel befürchtet, bis zu 20 Prozent weniger zu exportieren. Eines von fünf Unternehmen geht von einem Umsatzeinbruch von bis zu 20 Prozent aus.

„Griechische Exporteure von Obst und Gemüse rechnen ebenfalls mit einem rückgängigen Geschäft“, informiert Giorgos Polychronakis, Sonderberater des Verbandes für den Export und den Vertrieb von Früchten, Gemüse und Säften Incofruit Hellas.

Damit bezieht er sich nicht auf die direkten wirtschaftlichen Folgen für griechische Produzenten aufgrund der Sanktionen gegenüber Russland. Da jedoch der russische Markt auch für viele Drittländer wegfällt, werden europäische Märkte, die traditionellen Absatzmärkte griechischer Landwirte, von deren Produkte überflutet. Dadurch fallen die Preise europaweit. Außerdem rechnet der Verband mit einem Nachfragerückgang in seinen Exportmärkten. Die hohen Energiepreise bereiten dem Verband kombiniert mit den gefallenen Marktpreisen für Obst und Gemüse Sorgen: Weder die Ernte noch die anschließende Lagerung in Kühlräumen erscheinen lohnenswert. 

Kohle und Flüssiggas sollen Erdgas ablösen 

Griechenland erzeugt etwa 42 Prozent seiner Energie mit Erdgas. Dieses wird vollständig importiert. Wichtigster Lieferant mit rund 43 Prozent der Importe ist Russland. Etwa 20,5 Prozent stammen aus den USA und rund 17,5 Prozent aus Aserbaidschan. Katar liefert 5,6 Prozent und 4,3 Prozent kommen aus Algerien. Bei den Kohleimporten ist Griechenland sogar zu 98 Prozent von Russland abhängig. Bei den Importen von Erdöl ist der Anteil mit knapp 18 Prozent deutlich geringer.

Wichtigste Einfuhrgüter Griechenlands aus Russland 2021 (in Millionen Euro / in Prozent)

SITC

Warenbezeichnung

Einfuhrwert

Anteil an Gesamteinfuhren

33

Erdöl

2.497,5

17,9

34

Erdgas

1.137,4

42,9

684

Aluminium

261,8

25,7

682

Kupfer

143,6

19,7

041

Weizen (einschließlich Spelz) und Mengkorn, nicht gemahlen

60,8

23,1

044

Mais (ausgenommen Zuckermais), nicht gemahlen

33,2

19,6

562

Düngemittel (ausgenommen solche der Gruppe 272)

29,4

9,7

321

Steinkohle, auch in Pulverform, jedoch nicht agglomeriert

23,9

98,1

081

Tierfutter (ausgenommen ungemahlenes Getreide)

14,5

2,2

Quelle: Eurostat April 2022

Um der Energiekrise entgegenzuwirken, plant die griechische Regierung wieder mehr auf Kohle zu setzen. Die ehemals staatliche Stromgesellschaft PPC will in den nächsten zwei Jahren 50 Prozent mehr Kohle abbauen, damit mehr Strom in Kohlekraftwerken erzeugt werden kann. Der Anteil von Kohle an der Stromerzeugung lag im Februar 2022 bei rund 12 Prozent.

Außerdem will Griechenland nun doch die Forschung und Nutzung von Kohlenwasserstoffen stärker vorantreiben. In den letzten Jahren stagnierten die Pläne seitens griechischer und internationaler Unternehmen.

Um mehr Flüssiggas (LNG) importieren zu können, wird Griechenland den LNG-Terminal in Revythoussa durch einen weiteren schwimmenden Speicher ausbauen. Bis 2023 soll auch die Regasifizierungsanlage in Alexandroupolis in Betrieb gehen, meldet der Projektträger Gastrade. Der Erdölkonzern Motor Oil plant eine weitere Regasifizierungsanlage in der Nähe von Athen. Etwa 60 Prozent des Flüssiggases stammen aus den USA.

Die Energieminister Griechenlands, Zyperns und Israels erörterten bei einem Treffen Mitte April 2022, die Möglichkeit, einen LNG-Terminal in Zypern zu errichten. Dieser soll für Erdgaslieferungen aus dem östlichen Mittelmeer genutzt werden.

Nicht zuletzt plant die griechische Regierung, Erdgasspeicher in Italien für die Energieversorgung zu nutzen.

Zuschüsse sollen die Folgen der Energiekrise für Unternehmen lindern: Im Monat April 2022 erhalten Unternehmen einen Zuschuss von 130 Euro pro Megawattstunde (MWh), wobei kleinere Unternehmen und Bäckereien noch weitere 100 Euro pro MWh erhalten. Der Erdgasverbrauch wird mit 40 Euro pro MWh bezuschusst. Vertreter der Industrie beklagen, dass die Zuschüsse unzureichend sind.

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