Der indische Maschinenbau steigerte 2024 den Absatz. Öffentliche Investitionen in die Infrastruktur bleiben ein wichtiger Treiber. Private Investitionen sind rückgängig.
Indiens Wirtschaft kann sich trotz globaler Krisen behaupten. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte im Finanzjahr 2024/2025 (1. April bis 31. März) real um voraussichtlich 6,5 Prozent zu. Für die Folgeperiode wird ein leicht geringeres Plus von etwa 6,3 Prozent erwartet.
Die verarbeitende Industrie hat im Zuge des Ukrainekriegs mit steigenden Preisen für Vorprodukte und Energie zu kämpfen. Mit einem Plus von 1,4 Prozent lag der Industriesektor 2023/24 deutlich unter dem Wachstum der Gesamtwirtschaft. Im Finanzjahr 2024/25 soll die Industrie immerhin rund 5 Prozent gewachsen sein, schätzt die indische Zentralbank. Aber auch das ist weniger als das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Die privaten Investitionen sind bereits seit Jahren rückläufig und gingen im 4. Quartal 2024 um weitere 1,4 Prozent zurück. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung im verarbeitenden Gewerbe lag im 4. Quartal 2024 laut Zentralbank bei 75,4 Prozent und damit zu niedrig, um umfangreiche Erweiterungsinvestitionen zu rechtfertigen.
Für den Maschinenbau gibt es dennoch positive Wachstumssignale. Für viele internationale Unternehmen rückt Indien immer mehr in den Fokus. Gründe dafür sind vielfältig. Die beiden wichtigsten dürften die Diversifizierung der Produktion ("China-Plus-1-Strategie") und der riesige indische Absatzmarkt sein. Allerdings müssen sich diese "Signale" erst noch in konkrete Investitionen und einem Ausbau der industriellen Basis niederschlagen.
Im Durchschnitt der letzten Jahre lag der Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei 17 Prozent. Im abgelaufenen Finanzjahr 2024/25 dürften es wegen der globalen Verwerfungen sogar nur zwischen 14 Prozent und 15 Prozent sein. Ein weiterer Grund ist der Mangel an Fachkräften. Marktkenner schätzen, dass im verarbeitenden Gewerbe bis zu 30 Millionen qualifizierte Mitarbeiter fehlen. Und dies, obwohl Indiens Regierung den Anteil der verarbeitenden Industrie am Bruttoinlandsprodukt bis 2030 auf 25 Prozent steigern will und bereits 2021 das "Production Linked Incentives"-Förderprogramm aufgelegt hat. Dabei erhalten Unternehmen aus 14 Sektoren wie Kfz, Elektro und Elektronik, Stahl, Pharma und Textil einen Bonus, wenn sie ihre lokale Produktion steigern. Voraussetzung hierfür sind Investitionen in Neukapazitäten und Fertigungstechnologien.
Nachfrage nach Werkzeugmaschinen legt stark zu
Von dem Förderprogramm profitieren auch die Hersteller von Industrieausrüstung. Der Umsatz im Maschinenbau soll im laufenden Jahr 2025 bei 115 Milliarden US-Dollar (US$) liegen - 2019 waren es 92 Milliarden US$. Der Absatz von lokal gefertigten Werkzeugmaschinen ist 2023/2024 um 10 Prozent auf 1,6 Milliarden US$ gestiegen, so die Indian Machine Tool Manufacturers' Association (IMTMA). Die Exporte legten in dem Zeitraum um 13 Prozent auf 200 Millionen US$ zu, während es beim Inlandsabsatz um 11 Prozent auf 3,3 Milliarden US$ nach oben ging.
Der Verband erwartet für die nächsten zwei Finanzjahre Absatzzuwächse um die 10 Prozent. Geplante Investitionen in wichtigen Abnehmerbranchen wie der Kfz- und Zulieferindustrie und der Metallverarbeitung dürften die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen steigern. Auf der anderen Seite treibt Indien die Transformation zur Elektromobilität voran. Bis 2030 sollen 30 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge mit Strom fahren. Autokonzerne wie Tata, Bajaj und Mahindra investieren bereits kräftig in Fertigungslinien für batteriebetriebene Modelle, bei deren Produktion weniger Präzisionswerkzeuge benötigt werden als bei Verbrennern.
Investitionen im Infrastruktursektor bleiben hoch
In Indiens Bundeshaushalt für das Finanzjahr 2025/2026 sind Kapitalinvestitionen in Höhe von umgerechnet 117 Milliarden US$ vorgesehen. Mit den zusätzlichen Mitteln sollen weitere Projekte im Infrastruktursektor angeschoben werden. Aktuell befinden sich rund 9.000 Vorhaben mit einem Investitionsvolumen von 1,4 Billionen US$ in der Pipeline. Der Infrastruktursektor bleibt die treibende Kraft hinter der Nachfrage nach Maschinen und Anlagen.
Die Investitionen in die Transportinfrastruktur, allen voran im Straßen- und Schienenbau, sorgen für eine lebhafte Nachfrage bei Baumaschinen. Im Jahr 2023/2024 konnten laut der Indian Construction Equipment Manufacturers' Association (ICEMA) 123.660 Baumaschinen in Indien verkauft werden. Dies ist ein Plus von 24 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode, als der Verkauf bei 99.735 Baumaschinen lag. Der Verband sieht Indien auf dem Weg zum zweitgrößten Markt für Baumaschinen weltweit. Bis 2030 könnte der jährliche Absatz auf 250.000 Einheiten zulegen.
Mehr Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen benötigt
Auch in anderen Maschinensparten stehen die Zeichen weiter auf Wachstum. Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen profitiert von der steigenden Nachfrage nach verarbeiteten Lebensmitteln und den lebhaften Investitionen im Pharmasektor. Der Nahrungsmittelsektor trägt 14 Prozent zum verarbeitenden Sektor bei und wächst jährlich um rund 8 Prozent. Der Subkontinent liegt weltweit auf Rang 5 bei Produktion, Verbrauch und Export von Lebensmitteln. Indien will seine starke Position bei der globalen Arzneimittelproduktion ausbauen. Bis 2030 sollte das Marktvolumen vorsichtig optimistisch bei rund 90 Milliarden US$ liegen. Wenn alles optimal verläuft, könnte es sogar auf 130 Milliarden US$ klettern, schätzt die Indian Pharmaceutical Alliance.
Industrieautomatisierung hat Wachstumspotenzial
Der Automatisierungstrend in der indischen Industrie hat sich im Zuge der COVID-Pandemie beschleunigt. Der mögliche Aufbau von Fertigungskapazitäten auf dem Subkontinent durch internationale Konzerne, die ihre Lieferketten diversifizieren wollen, sorgt für zusätzlichen Schub in diesem Segment. Indien hat bei der Automatisierung noch Nachholbedarf, zählt aber beispielsweise bei Industrierobotern weltweit zu den Märkten mit den höchsten Zuwächsen. Im Jahr 2023 lag das Land weltweit auf Rang 7, mit 8.500 Neuinstallationen (2021 waren es 5.000), so Daten der International Federation of Robotics (IFR).
Von Werner Kemper
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New Delhi