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Special | Indien | Klimawandel lokal

Gebäude müssen mehr Energie einsparen

In Indien wächst der Anteil von Wohn- und Gewerbebauten am Stromverbrauch rasant. Deshalb will die Regierung auch mit strengeren Bauvorschriften ihre Klimaziele erreichen. 

Von Boris Alex | New Delhi

Indien will bis zum Jahr 2070 klimaneutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, muss auch der steigende CO2-Ausstoß von Gebäuden gebremst werden. Zwar lag dieser 2020 mit 0,4 Tonnen CO2 pro Kopf noch deutlich unter dem Durchschnitt der G20-Nationen von 1,4 Tonnen. Doch in Indien steigen - entgegen dem Trend - die Emissionen in diesem Segment weiter stark an, so die Analyse der Denkfabrik Climate Transparency. Während der CO2-Ausstoß von Gebäuden in den G20-Staaten gegenüber 2015 um 3 Prozent zurückging, legte er in Indien um den gleichen Wert zu. Der Gebäudesektor dürfte inzwischen einen Anteil von 7 Prozent an den gesamten CO2-Emissionen in Höhe von 2,4 Milliarden Tonnen haben - und in den nächsten Jahren weiter kräftig wachsen.

Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Zum einen wächst die Bevölkerung und damit auch der Bedarf an zusätzlichem Wohnraum - insbesondere in den Ballungszentren. Bis 2047 dürften doppelt so viele Menschen in städtischen Gebieten wohnen wie heute, schätzungsweise 900 Millionen. Allein in den Ballungszentren sollen bis 2030 jedes Jahr zwischen 400 Millionen und 600 Millionen Quadratmetern an neuer Wohnfläche entstehen. Ein weiterer Wachstumstreiber sind die höheren Einkommen. Denn immer mehr Menschen können sich damit nicht nur größere Wohnungen, sondern auch Haushaltsgeräte wie Kühlschränke, Waschmaschinen und Klimaanlagen leisten, was den Stromverbrauch in die Höhe treibt.

Immer mehr Gebäudefläche ist klimatisiert

Vor allem der Strombedarf für die Gebäudekühlung dürfte in den kommenden Jahren für einen starken Anstieg der CO2-Emissionen in diesem Segment sorgen. Lüftungs- und Klimatechnik macht bereits heute rund die Hälfte des gesamten Stromverbrauchs in Wohn- und Gewerbebauten aus. Bis 2038 soll sich der Anteil der klimatisierten Wohnfläche gegenüber 2020 auf 40 Prozent mehr als vervierfachen, schätzt Climate Transparency. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2070 zu erreichen, muss die CO2-Intensität der Stromerzeugung für den Gebäudesektor bis 2050 um 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2015 gesenkt werden, so die Berechnung des Council on Energy, Environment And Water (CEEW).

Vor allem bei Bürogebäuden ist das Einsparpotenzial laut Analyse der indischen Behörde Bureau of Energy Efficiency (BEE) groß. Denn die Energieintensität bezogen auf die Fläche ist hier im Schnitt dreimal so hoch wie in Wohngebäuden. Und das ist nicht nur darauf zurückzuführen, dass sich in gewerblich genutzten Gebäuden mehr Menschen aufhalten und Bürotechnik eingesetzt wird. Vor allem Gebäudefassaden mit großen Fensterflächen und fehlender Verschattung kombiniert mit einer oft überdimensionierten Klima- und Lüftungstechnik, um im tropischen Klima Indiens die Raumtemperatur auf ein erträgliches Niveau zu senken, treiben den Verbrauch in dem Segment nach oben. Bis zu 50 Prozent des Energiekonsums von gewerblichen Gebäuden könnten eingespart werden, schätzt das BEE.

Vorschriften zum nachhaltigen Bauen müssten strenger werden

Das wiederum eröffnet gute Geschäftschancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette beim nachhaltigen Bauen. Zwar wurden während der Coronapandemie weniger neue Büro- und Gewerbeflächen fertiggestellt. Die Aktivitäten ziehen aber wieder langsam an und damit auch der Bedarf an energieeffizienter Lüftungs- und Klimatechnik, nachhaltigen Baustoffen sowie Planungs- und Beratungsdienstleistungen rund um das Thema Green Building. Auch Lösungen für das Gebäudeenergiemanagement und andere Smart-Building-Anwendungen sind immer stärker gefragt.

Die Anforderungen beim Energieverbrauch von Gewerbeimmobilien müssen in den nächsten Jahren weiter verschärft werden, wenn Indien seine Klimaziele erreichen will. Gemäß den Vorschriften des "Energy Conservation Building Code" (ECBC) aus dem Jahr 2017 müssen gewerbliche Neubauten mit einer Anschlussleistung ab 100 Kilowatt bereits heute einen geringeren Energieverbrauch als den eines Referenzgebäudes mit jährlich 200 Kilowattstunden pro Quadratmeter nachweisen. Der ECBC gibt die energetischen Mindestbauvorschriften für die Gebäudefassade, Gebäudetechnik, Innen- und Außenbeleuchtung sowie die Stromversorgung vor.

Dabei müssen alle Gebäude 25 Prozent gegenüber der Baseline von 200 Kilowattstunden einsparen. Liegt der Energieverbrauch mindestens 35 Prozent darunter, wird das Gebäude als ECBC+ und ab 50 Prozent als Super ECBC klassifiziert. Zwischen Einführung des ECBC 2007 und dem Jahr 2017 konnten insgesamt 250 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, so die Daten von BEE.

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Stromverbrauch von Wohngebäuden wächst rasant

Auch bei Wohngebäuden ist das Potenzial gewaltig. Bis 2030 soll sich die Fläche gegenüber 2017 auf 30 Milliarden Quadratmeter verdoppeln. Der Stromverbrauch in diesem Segment wird sich bis dahin auf 851 Terawattstunden mehr als verdreifachen, so die Prognose der indischen Regierung. Damit dürfte der Anteil am gesamten indischen Stromverbrauch auf 38 Prozent steigen und den Industriesektor als größten Konsumenten ablösen. Bis 2047 könnte der Energieverbrauch in Wohngebäuden sogar um den Faktor sechs bis zehn zulegen, prognostiziert die indische Denkfabrik NITI Aayog. Um ihn zu senken, hat Indien 2018 erstmals Bauvorschriften für diesen Bereich erarbeitet.

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Die Richtlinien des "ECO Niwas Samhita" gelten für Wohngebäude ab einer Grundstücksfläche von 500 Quadratmetern und decken die Fassadengestaltung, die Gebäudetechnik, die Innen- und Außenbeleuchtung sowie die Stromversorgung - beispielsweise auch die Installation von Ladestationen für Elektrofahrzeuge - ab. Durch die Umsetzung dieser Richtlinien ließen sich bis 2030 rund 100 Millionen Tonnen CO2 einsparen, so die Prognose der Energieeffizienzbehörde BEE.

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