Die indonesische Hauptstadtregion kann im internationalen Vergleich mit vielen Metropolen mithalten.
Indonesien bietet ein für den Entwicklungsstand eines aufstrebenden Schwellenlandes gut ausgebautes Umfeld für Start-ups. Auch im ASEAN-Vergleich hat der Archipel eine sehr gute Stellung. Mittlerweile soll es etwa zehn Unicorns im Land geben - das sind Start-ups mit einem Wert von mindestens einer Milliarde US-Dollar.
Diese erfolgreichen Gründungen sind vor allem in drei Bereichen tätig: dem E-Commerce, der städtischen Mikrologistik sowie Zahlungsdienstleistungen. In Anwendungsfeldern rund um das verarbeitende Gewerbe sind hingegen kaum Start-ups bekannt. Denn das Land ist industriell schwach aufgestellt und hat keine Tradition entsprechender eigener Entwicklungstätigkeit. Das Vorhaben der Regierung, die Wirtschaft mithilfe von "Making Indonesia 4.0" zu digitalisieren, ist auf ausländisches Know-how angewiesen. Für die Verbindung von Maschinenbau und IT fehlen allerdings die Fachkräfte. Immerhin gibt es kleinere Tech-Anbieter in der Landwirtschaft.
Top Start-ups in IndonesienName | Branche |
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GoTo (Zusammenschluss von Gojek und Tokopedia) | Transport, Dienstleistungen (Gojek); E-Commerce (Tokopedia) |
Bukalapak | E-Commerce |
Traveloka | Reisebuchungen |
OVO | Zahlungsdienstleistungen |
Kopi Kenangan | Kaffeehauskette des mittleren Marktsegments |
Quelle: Medienberichte
Städtische Mikrologistik umkämpft
Nationale Start-up-Ikone ist Gojek, das 2010 als Motorradtaxi-App begann und sein Angebot auf zahlreiche Dienstleistungen erweitert hat - von Essenslieferungen bis hin zur Vermittlung von Masseurinnen und Haushaltshilfen. Gojek ist mittlerweile in anderen südostasiatischen Ländern aktiv. In Indonesiens Städten sind die grünen Jacken der Gojek-Motorradfahrer in jedem Winkel zu jeder Tages- und Nachtzeit sichtbar, denn sie machen täglich Millionen Fahrten.
Gojek fusionierte 2021 im umkämpften Logistikmarkt mit dem zweitgrößten Start-up, dem E-Commerce-Unternehmen Tokopedia, zu GoTo. Der Zusammenschluss bietet große Synergieeffekte: Mit einem Klick in der Tokopedia-App befriedigen Millionen Indonesier täglich ihre Konsumwünsche - die Lieferungen leisten Gojek-Fahrer oft noch am selben Tag bis in die verstecktesten Gassen. GoTo hat mehr als 100 Millionen Kunden.
Auswahl an Inkubatoren in Indonesien
Weitere omnipräsente Lieferdienste sind Grab und Shopee. Beide Unternehmen sind überregional tätig und haben ihren Hauptsitz in Singapur. Grab hatte lange ein Duopol mit Gojek. Shopee gehört zum gleichnamigen singapurischen Shopping-Portal.
In den vergangenen Jahren haben sich insbesondere Essenslieferungen durch Motorraddienste zu einem Milliardengeschäft entwickelt. Gestresste Städter lassen sich auf Wunsch bisweilen auch eine einzelne Kokosnuss nach Hause bringen.
Fintechs boomen
Digitale Zahlungsdienste spielen eine große Rolle im Alltag und haben in den Städten mittlerweile einen erheblichen Teil des Bargeldverkehrs verdrängt. Selbst in Garküchen am Straßenrand wird bisweilen mit QR-Code-Scan bezahlt. Mancherorts wird Bargeld gar nicht mehr angenommen.
Wichtigste Anbieter im Business-to-Consumer-Digitalzahlungen sind GoPay (gehört zu GoTo) und das Unicorn OVO. Digitale Geldbörsen bieten den vielen Menschen, die kein Bankkonto besitzen, die Möglichkeit zur Teilnahme an der digitalen Konsumwelt. Weitere Start-ups im Business-to-Business- oder Government-to-Business-Geschäft sind Pajak, Xendit und die Aktienhandelsplattform Ajaib. Sie sollen nach den jüngsten Finanzierungsrunden ebenfalls zu Unicorns aufgestiegen sein.
Auswahl an Acceleratoren in Indonesien
Digitalaffine Bevölkerung
Erfolgsfundament der Start-ups ist die Digitalaffinität der Einheimischen. In den Städten besitzt nahezu jeder im arbeitsfähigen Alter ein Smartphone. PCs oder Tablets haben dagegen eine deutlich geringere Verbreitung. Berührungsängste mit der digitalen Welt gibt es nicht. Genauso wenig die Sorge, eine zu intensive Smartphone-Nutzung könnte bei Kindern oder Jugendlichen deren kognitive Fähigkeiten verkümmern lassen.
Zwar können alle Indonesier lesen und schreiben, aber erhebliche Teile der Bevölkerung würden in Industrieländern als funktionale Analphabeten gelten. Dennoch bewegen auch sie sich intuitiv durch die digitale Welt und kaufen im Internet ein oder nutzen es andersherum als Plattform für eigene Angebote, seien es Fertiggerichte oder gebrauchte Bekleidung. Der E-Commerce ist im Archipel keineswegs nur auf die Mittelschicht begrenzt.
E-Commerce verdrängt stationären Handel
Weil nahezu jeder jüngere Städter online einkauft, hat das negative Konsequenzen für den stationären Handel. Für die unzähligen Shoppingmalls dürfte es zunehmend schwieriger werden, ihre Mietkalkulationen zu halten. Mancherorts ist bereits Leerstand sichtbar.
Die Coronakrise mit ihren Beschränkungen des öffentlichen Lebens haben den Trend zum Online-Shopping noch einmal verstärkt. Laut Studien gehört Indonesien innerhalb der ASEAN zu den großen Wachstumsmärkten im E-Commerce.
Ein Treiber der rasanten Entwicklung ist die ausgeprägte Rabattkultur, die viele Anbieter und Zahlungsdienstleister nutzen. Denn sobald ein Produkt oder eine Dienstleistung irgendwo auch nur wenige Cent günstiger zu haben ist, wird dort auch eingekauft. Vorhandene Muster des Konsumverhaltens werden schnell umgestellt.
Großraum Jakarta ist Nährboden für Start-ups
Wohlstand, Entwicklung, Know-how und Bildungschancen sind in Indonesien regional ungleich verteilt - das zeigt sich auch in der Start-up-Szene. Digitalunternehmen sind fast ausschließlich auf Java ansässig, das für 60 Prozent der Wirtschaftsleistung des Archipels steht. Dort sind sie ganz überwiegend im Großraum Jakarta mit seinen 30 Millionen Menschen ansässig. Und nur dort gibt es ein entsprechendes Ökosystem aus Inkubatoren, Acceleratoren und Risikokapitalgebern. Laut dem Global Startup Ecosystem Report rangiert die Hauptstadt in der Kategorie Emerging Ecosystems auf Platz drei - hinter Mumbai und Kopenhagen, aber noch vor Guangzhou und Barcelona.
Eine kleinere Start-up-Szene gibt es im südöstlich von Jakarta gelegenen Bandung, die oftmals aus dem Dunstkreis des Institut Teknologi (ITB) stammt, der renommiertesten technischen Universität des Landes. Kleinere Start-ups gibt es auch auf Bali. Dort fehlt aber ein entsprechendes Ökosystem.
Von Frank Malerius
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Jakarta