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Rechtsbericht Iran Coronavirus

Iran: Coronavirus und Verträge

Die angespannten Wirtschaftsbeziehungen zum Land am Persischen Golf leiden durch die Corona-Pandemie noch stärker als ohnehin schon. Wie wirkt sich das in rechtlicher Sicht aus?

Von Jakob Kemmer | Bonn

Einleitung

Der Iran ist vom Ausbruch des Coronavirus sehr stark betroffen, die Dunkelziffer der Infektionen ist sehr hoch.  Etliche wirtschaftliche Sektoren des Landes verzeichnen einen starken Rückgang durch gesunkene Nachfrage, denn der Warenverkehr war und ist durch vorübergehende Grenzschließungen zu fast allen Nachbarstaaten (u.a. Türkei) erheblich beeinträchtigt. 

Besondere wirtschaftliche Situation in Iran

Die Wirtschaftslage im Land ist seit der einseitigen „Kündigung“ des Atomabkommens aus dem Jahr 2015 durch die USA im Mai 2018 und der damit verbundenen Wiedereinsetzung von bislang aufgehobenen US-Sanktionen besonders angespannt. Auch wenn zunächst vor allem die europäischen Parteien (Frankreich, Deutschland, Großbritannien) das Abkommens fortführen wollten, bröckelt nun auch von iranischer Seite merklich die Zustimmung. Der Vertrag befindet sich daher derzeit in einer Art Schwebezustand. Der grundsätzlich enge deutsch-iranische Außenhandel (ca. 30 Prozent der industriellen Infrastruktur in Iran stammen aus deutscher Produktion) brach deswegen im Jahr 2019 bereits vor dem Ausbruch des Coronavirus im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent ein. Diese Zahl dürfte nach dem Ausbruch nochmal deutlich ansteigen. Für Unternehmer, die nun auch noch von unterbrochenen Lieferketten betroffen sind oder trotz allem weiter in Iran investieren wollen, ist nun von Interesse, was das islamisch geprägte Rechtssystem zu der Frage von vertraglicher Nicht- oder Schlechtleistung infolge eines unvorhergesehenen Ereignisses sagt.

Force-Majeure-Klausel im Vertrag?

Das iranische Vertragsrecht sieht für die Gestaltung von internationalen Handelsverträgen in Art. 10 des Zivilgesetzbuches (ZGB) das Prinzip der Parteiautonomie, das heißt der Vertragsfreiheit vor. Dabei sind auch in Iran vertragliche Vereinbarungen jeder Art grundsätzlich zulässig, sofern sie nicht gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen. Es ist daher mittlerweile in internationalen Verträgen mit Iran üblich, Fälle höherer Gewalt und deren Rechtsfolgen mit Hilfe von sogenannten Force-majeure-Klauseln zu regeln. Als erstes sollte daher bei möglichen Schwierigkeiten bei der Vertragserfüllung durch den Ausbruch des Virus der Vertrag nach einer solchen Regelung abgeklärt werden. Meistens bestimmt eine solche Klausel, dass die durch ein Ereignis höherer Gewalt an der Erbringung der vertraglichen Leistung gehinderte Partei für die Dauer dieses Ereignisses von all ihren Verpflichtungen befreit wird. Ist unklar, ob die Klausel tatsächlich eine Pandemie wie das Coronavirus erfasst, wird bei unbestimmten Rechtsbegriffen zur Auslegung das auf den Vertrag anwendbare Recht herangezogen. Dies sollte im Sinne der Rechtssicherheit unbedingt im Vorfeld vereinbart werden.

Was sagt das Vertragsrecht?

In Iran ist das Vertragsrecht im sogenannten Zivilgesetzbuch (Civil Code) aus dem Jahre 1928 geregelt. Diese Kodifikation vereint Elemente aus dem römischen Rechtskreis mit iranischen Rechtstraditionen und Regeln aus der Scharia. Der einzige normative Ansatz zu einer Haftungsbefreiung durch ein unverschuldetes Ereignis wie den Ausbruch des Coronavirus findet sich in Art. 227 des iranischen ZGB, der besagt:

Eine Partei, die ihre vertragliche Verpflichtung nicht erfüllt, wird nur dann zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, wenn sie nicht in der Lage ist zu beweisen, dass ihre Nichtleistung auf eine äußere Ursache zurückzuführen ist für die man sie nicht verantwortlich machen kann.

Die durch den Coronavirus ausgelöste Pandemie fällt nach überwiegender Auffassung unter den Begriff „einer äußeren Ursache, für die man nicht verantwortlich gemacht werden kann“. Es ist aber wie immer je nach Einzelfall zu entscheiden, ob die konkrete Tatsache, das heißt meistens die Nichterfüllung des Vertrages, wirklich die kausale Folge des Virusausbruchs in Iran ist. Auch dann ist noch weiter zu differenzieren, ob die Pandemie, beziehungsweise die Krankheit an sich die „äußere Ursache“ ist. Dann findet grundsätzlich Art. 227 ZGB Anwendung. Oder ob der Virus nur zu einer Folge geführt hat, beispielsweise Arbeitskräftemangel, die dann die Vertragserfüllung erschwert oder unmöglich macht. In diesem Fall ist nicht eindeutig zu sagen, ob die Haftungsbefreiung des Art. 227 ZGB greift.

Die Beweislast regelt die Vorschrift implizit, indem sie eine mögliche Schadensersatzpflicht der vertragsbrüchigen Partei für den Fall offen lässt, dass ihr die Beweisführung nicht gelingt. Gelingt es ihr aber, die oben genannte Kausalität zwischen „äußerer Ursache“ und Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtung gerichtlich nachzuweisen, so entfällt sowohl die Leistung als Primärpflicht, als auch eine Sekundärpflicht, wie die Zahlung von Schadensersatz.

Rechtswahl

Das iranische Vertragsrecht regelt mögliche Fälle höherer Gewalt nur punktuell und wenig umfassend. Es empfiehlt sich daher zukünftig eine sogenannte Force-majeure-Klausel in den Vertrag aufzunehmen und das anwendbare Recht klar festzulegen. An dieser Stelle sei aber darauf hingewiesen, dass das iranische ZGB als Rechtswahl für einen Vertrag zwischen einer iranischen und einer ausländischen Person nur die am Vertragsabschlussort geltende Rechtsordnung zulässt. Bei Vertragsabschluss in Iran ist die Wahl eines anderen Rechts als des iranischen aus Sicht der iranischen Gerichte daher grundsätzlich ungültig. Soll also zum Beispiel deutsches Recht Anwendung finden, muss der Vertrag in Deutschland unterzeichnet worden sein. Die notarielle Beglaubigung des Vertrags zum Nachweis des Abschlussortes ist in diesem Fall ratsam.  

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