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Branchen | Israel | Hochtechnologie

Der Krieg ist eine Bedrohung für Israels Hightechbranche

Die Investitionen in israelische Hochtechnologien gehen zurück. Das betrifft ausländische Investoren ebenso wie lokale Start-ups.

Von Wladimir Struminski | Israel

Ein halbes Jahr nach Ausbruch des Gaza-Krieges am 7. Oktober 2023 zieht der israelische Hightechsektor eine beunruhigende Bilanz der Kriegsfolgen. Die Investitionen sind seit Kriegsbeginn gesunken. Ein lang anhaltender Krieg dürfte die Zukunftsaussichten der Branche nachhaltig beschädigen.

Diese Kriegsfolgen sind auch für deutsche Unternehmen von Bedeutung. Der Hightechsektor trug 2022 nach Angaben der israelischen Innovationsbehörde (Innovation Authority) 18 Prozent zum israelischen Bruttoinlandsprodukt bei. Damit bietet er deutschen Firmen zahlreiche Lieferchancen, von Maschinen und Ausrüstungen für die Produktion bis hin zu Geräten und Instrumenten für Forschung und Entwicklung. Eine Schwächung würde die Importnachfrage der israelischen Hochtechnologiebranchen dämpfen. Zudem kaufen deutsche Unternehmen israelische Technologien ein. In der Rangliste der wichtigsten Handelspartner Deutschlands lag Israel 2023 auf Platz 48, vor Indonesien und hinter Litauen.

Ausländische Investoren gehen auf Distanz

Von Oktober 2023 bis März 2024 beliefen sich die Investitionen in die israelische Hochtechnologie auf 3,3 Milliarden US-Dollar (US$). Das geht aus einer Analyse des israelischen RISE-Instituts hervor, das auf den Hightechsektor spezialisiert ist. Damit lagen die Hightechinvestitionen in den ersten sechs Monaten des Konflikts um 31 Prozent unter dem Niveau der sechs vorangegangenen Monate (April bis September 2023). Inflationsbereinigt sind sie in den ersten sechs Kriegsmonaten sogar auf den tiefsten Stand seit 2015 gesunken.

Bereits in den ersten Monaten des Konflikts hatten zahlreiche israelische Hochtechnologieunternehmen über Schwierigkeiten beim Abschluss von Verträgen mit ausländischen Geschäftspartnern geklagt. Der Analyse von RISE zufolge schlug sich das schlechte Geschäftsklima auch in der Investitionsstatistik nieder. Zwar könnte das, so RISE, nicht nur am Krieg, sondern beispielsweise auch an globalen Wirtschaftsentwicklungen liegen. Dass der Konflikt einen Einfluss hat, zeigt allerdings der Vergleich mit den USA, mit deren Kapitalmarkt Israel eng verbunden ist: Dort nahmen die Hightechinvestitionen zwischen Oktober 2023 und März 2024 um 3 Prozent zu.

Eine weitere relevante Kennziffer ist die Zahl ausländischer Wagniskapitalfonds, die in dem Halbjahr seit Kriegsausbruch mindestens eine Investition in Israel getätigt haben. Gegenüber den vorangegangenen sechs Monaten gab diese Zahl um 20 Prozent nach. Den Investitionsrückgang bezeichnet RISE als "extrem besorgniserregend".

Die Analysten beobachten außerdem eine steigende Abhängigkeit von sogenannten Megarunden von mehr als 100 Millionen US$. Investoren gingen offenbar auf Nummer sicher und vertrauten ihr Geld nur wenigen, leistungsstarken Unternehmen an. Weniger etablierte israelische Firmen hätten dagegen Probleme bei der Kapitalbeschaffung.

Beispielhaft für die zunehmende Zurückhaltung ausländischer Investoren ist die jüngst bekannt gewordene Entscheidung des Bezos Earth Fund, von der Errichtung eines geplanten FuE-Zentrums in Israel Abstand zu nehmen. Laut Medienberichten begründet Bezos Earth Fund die Entscheidung mit den Unsicherheiten der aktuellen Kriegssituation.

Israelische Firmen warnen vor den Kriegsfolgen

Auch israelische Existenzgründer versuchen zunehmend, sich den Kriegseinwirkungen zu entziehen. Das geht aus einer Analyse des israelischen Wagniskapitalfonds Fusion VC hervor. In den ersten sechs Monaten des Krieges seien rund 80 Prozent der von Israelis gegründeten Start-ups, von denen Fusion VC Kenntnis habe, in den USA registriert worden. Dieses Phänomen sei zwar nicht neu, habe sich aber nach dem Kriegsausbruch verstärkt.  

Eyal Winter, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Hebräischen Universität in Jerusalem, glaubt, Israels verschlechtertes politisches Image trage zur Zurückhaltung ausländischer Investoren bei. Gegenüber der Wirtschaftszeitung Globes erklärte er im April 2024, es gebe ausländische Unternehmen, die Investitionen in "böse“ Staaten vermieden. Zu diesen zählten sie heute auch Israel.  

International tätige israelische Firmen warnen inzwischen vor den Nachteilen des Standorts Israel. Ein Beispiel ist das Solarenergieunternehmen SolarEdge Technologies, das an der New Yorker Technologiebörse NASDAQ gehandelt wird.

In seinem Bericht an die US-Börsenaufsichtsbehörde United States Securities and Exchange Commission für das 1. Quartal 2024 sprach das Unternehmen eine weitgefasste Warnung vor den Kriegsfolgen aus: "Falls unser Hauptgeschäftssitz [in Israel] durch feindliche Handlungen beschädigt wird oder Feindseligkeiten den laufenden Betrieb unserer Büros auf andere Weise stören, könnte unsere Fähigkeit, tätig zu bleiben, erheblich beeinträchtigt werden. Überdies schränken mehrere Länder, vor allem im Nahen Osten, ihre Geschäftsverbindungen mit israelischen Unternehmen ein.“

Nachhaltige Schäden können nicht ausgeschlossen werden

Noch bedeutet das alles nicht, dass Israel als Hochtechnologiestandort auf einmal uninteressant geworden wäre. So etwa blieb die Ausfuhr technologieintensiver Dienstleistungen nach den jüngsten verfügbaren Angaben in den ersten vier Kriegsmonaten stabil. Diese Exporte sind ein wichtiger Gradmesser für die israelische Hightechwirtschaft.

Dennoch sind die Entwicklungen ein Warnzeichen. Je länger der Krieg und die negative politische Großwetterlage andauern, umso nachhaltiger kann der Schaden werden. 

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