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Dunkle Wolken über Israels Hightechbranche

Der israelischen Hochtechnologie droht eine längere Schwächephase. Davor warnt Israels staatliche Innovationsbehörde – und nicht nur sie. Zum Teil ist die Krise hausgemacht.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Die Kapitalaufnahme israelischer Hightechfirmen geht zurück. Die Beschäftigtenzahl nimmt ab. Start-up-Gründer zieht es immer häufiger ins Ausland. Solche Nachrichten prägen das Stimmungsbild des Hochtechnologiesektors in Israel.

Flaute bei Investitionen

Ende Juni 2023 hat die israelische Innovationsbehörde (Israel Innovation Authority) ihren jüngsten Jahresbericht veröffentlicht. Darin analysiert sie sowohl die Entwicklungen des Jahres 2022 als auch die Trends für 2023.

Demnach brach die Kapitalaufbringung der israelischen Hochtechnologie bereits in der zweiten Jahreshälfte 2022 ein. Dies war Teil der weltweiten Schwächung der Hightech-Investitionen. Auch im Ergebnis des Gesamtjahres gingen die Investitionen 2022 gegenüber 2021 stark zurück.

Die Schwächephase setzt sich 2023 fort. Das belegen auch die Zahlen der auf den Wagniskapitalmarkt spezialisierten Marktforschungsfirma IVC Research Center. Sie zeigen zudem, dass der durchschnittliche Transaktionswert abgenommen hat. Im 1. Quartal 2023 lag er um 36,5 Prozent unter dem Vergleichswert im Vorjahreszeitraum.

Kapitalaufbringung israelischer Hightechunternehmen 2021 - 2023

Quartal

Milliarden US$

Zahl der Transaktionen

I/2021

5,5

171

II/2021

6,5

223

III/2021

5,7

165

IV/2021

8,2

215

I/2022

5,8

227

II/2022

4,8

191

III/2022

2,7

143

IV/2022

2,1

134

I/2023

1,7

105

Quelle: IVC Research Center 2023

Nach Erkenntnissen von Israel Innovation Authority war die Investitionsentwicklung auch im April und im Mai 2023 enttäuschend. Damit bleibe Israel hinter dem Erholungstrend in den USA zurück.

Einen wesentlichen Grund dafür sieht die Behörde in der von der Regierung angestrebten Schwächung der Judikative gegenüber Exekutive und Legislative. Diese als Justizreform bezeichnete Umgestaltung löste sowohl in Israel als auch im Ausland Warnungen vor weitreichenden negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft aus. Wie die Investitionsbehörde vermerkt, hätten führende Vertreter des israelischen Hightechsektors vor abträglichen Folgen des gesetzgeberischen Vorhabens auf Investitionen aus dem Ausland gewarnt.  

Langfristige Schäden befürchtet

Unterdessen ist die Zurückhaltung von Investoren nicht das einzige Alarmzeichen. Die unklaren Zukunftsaussichten führen auch zu einer Abwanderung neuer Existenzgründer ins Ausland.

Bis Januar 2023, so die Investitionsbehörde, hätten 80 Prozent aller neuen Start-ups ihren Geschäftssitz in Israel angemeldet. Dagegen habe der Prozentsatz der Neugründungen, bei denen ein Geschäftssitz im Ausland gewählt wurde, am Ende des 1. Quartals 2023 bei 50 bis 80 Prozent gelegen. Nach Einschätzung der Behörde könnte dieser Anteil binnen kurzer Zeit die Marke von 80 Prozent überschreiten.

Solche Unternehmen belassen ihre Forschung und Entwicklung zwar in Israel, doch ist ihre Anbindung an die israelische Wirtschaft naturgemäß schwächer. Zudem werden sie oft zu Anziehungspunkten für israelische Fachkräfte, die ihr Glück im Ausland versuchen wollen. Das wird dadurch verstärkt, dass die Entlassungen im israelischen Hightechsektor steigen, während die Zahl vakanter Arbeitsplätze zurückgeht.

Wie lange die negative Entwicklung anhalten wird, lässt sich schwer vorhersagen. Ein israelischer Hightechunternehmer erklärte gegenüber Germany Trade & Invest, ein Verzicht der Regierung auf die in gegenwärtiger Form vorgesehene Gesetzgebung würde das Vertrauen der Investoren in Israel wieder stärken. Allerdings hätten manche ausländische Kapitalgeber Gelder, die sonst vielleicht nach Israel geflossen wären, bereits in anderen Ländern angelegt. In solchen Fällen könne es bis zu mehreren Jahren dauern, bis sie wieder freie Mittel für Projekte in Israel hätten.

Für den Fall, dass die von der Regierung geplanten, bisher aber noch in der Schwebe hängenden Veränderungen im Justizwesen letztlich verabschiedet werden, sieht die Innovationsbehörde noch gravierendere Risiken. In einem Ende April 2023 veröffentlichten Positionspapier warnte sie, ein solches Szenario drohe auf längere Sicht die Aktivität des israelischen Hightechsektors um 10 bis 30 Prozent zu schmälern.

Gesamtwirtschaftliche Folgen wären unvermeidlich

All das bedeutet nicht, dass Israels Hochtechnologiebranche für ausländische Partner plötzlich uninteressant geworden wäre. Das Land ist nach wie vor ein bedeutender internationaler Standort für Hightech. Zudem besteht nach Auffassung von IVC Research Center zumindest die Möglichkeit, dass sich risikofreudigen ausländischen Investoren interessante Übernahmemöglichkeiten im Sektor bieten würden. Schließlich blieben die Hightechexporte im 1. Quartal 2023 insgesamt stabil.

Indessen verdecken solche Lichtblicke nicht die Risiken, denen sich Israels Hochtechnologiesektor gegenübersieht. Eine Krise hätte zudem spürbare gesamtwirtschaftliche Auswirkungen. Nach Angaben der Innovationsbehörde kamen technologieintensive Unternehmen 2022 für 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 48 Prozent der Waren- und Dienstleistungsausfuhren auf. Unter diesen Umständen werden nicht nur Investoren, sondern auch andere Wirtschaftspartner das weitere Geschehen in Israel aufmerksam beobachten.

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