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Special | Israel | Digitale Wirtschaft
Das Gesundheitswesen ist unterfinanziert und überlastet. Digital Health bietet dringend benötigten Ersatz. Die Aufwertung des Telekommunikationswesens kann das erleichtern.
11.11.2020
Von Wladimir Struminski | Jerusalem
Auf der einen Seite ist das israelische Gesundheitswesen hochmodern, verfügt über hoch qualifizierte Arbeitskräfte und ist für die Erprobung und Anwendung neuer Technologien offen. Auf der anderen Seite ist es unterkapitalisiert und überlastet, sodass effizienzsteigernde Technologie einen wesentlichen Beitrag zur Linderung seiner Probleme leisten kann. Damit ist das Marktpotenzial für digitale Medizin, die die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems spürbar steigern kann, erheblich.
Die Pro-Kopf-Ausgaben für die Gesundheitspflege liegen deutlich unter dem OECD-Durchschnitt. Während sich dieser im 2018 auf 3.994 US-Dollar (US$) belief, betrugen die Ausgaben je Einwohner in Israel lediglich 2.780 US$. Wohl ist es wahr, dass Israel eine im Vergleich zu vielen Industrieländern relativ junge Bevölkerung hat. Menschen im Alter von 65 Jahren und mehr machten 2019 nur 12 Prozent aller Landesbewohner aus. Allerdings steigen sowohl der Seniorenanteil als auch die absolute Bevölkerungszahl rapide, sodass die Bedürfnisse des Gesundheitswesens in den kommenden Jahren kräftig steigen werden.
Wohlgemerkt ist die Versorgungslage jetzt schon nicht rosig. Mit 3,1 praktizierenden Ärzten je 1.000 Einwohner liegt Israel zwar noch nicht entscheidend unter dem OECD-Durchschnitt, der 3,5 beträgt. Allerdings ist die Ärzteschaft überaltert. In den kommenden Jahren wird ein erheblicher Teil der heute berufstätigen Mediziner in den Ruhestand gehen, während ausreichender Nachschub an Studienabsolventen nicht gewährleistet ist. Bei Krankenschwestern/Pfleger ist der Mangel jetzt schon spürbar. Mit 5,1 Schwestern je 1.000 Einwohnern liegt Israel deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 8,8.
Bei medizintechnischen Ausrüstungen wird ebenfalls ein Rückstand gemeldet. Das verwundert nicht, wenn die Höhe der Kapitalinvestitionen in das Gesundheitswesen betrachtet wird. Laut OECD-Angaben für 2019 lagen diese in Israel bei 120 US$, während es im OECD-Durchschnitt 224 US$ waren. Auch ausgewählte Indikatoren zur Ausstattung mit Medizintechnik legen Mangelerscheinungen bloß. Nach den jüngsten verfügbaren Vergleichsangaben standen in Israel 2017 nur 10 Computertomografen und 5 Magnetresonanztomografen pro Million Einwohner zur Verfügung. Im OECD-Durchschnitt waren es 27 beziehungsweise 17.
Wohl gehen Kreise der Gesundheitswirtschaft davon aus, dass die Etatmittelzuteilung für das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren zunehmen wird. Diese Einschätzung wird durch die Tatsache verstärkt, dass die Coronakrise die Überbelastung des Gesundheitswesens verstärkt und verdeutlicht hat.
Über die erforderliche Höhe der Mehrbezuschussung des Gesundheitswesens gehen die Meinungen indessen auseinander. Eine von der Wirtschaftszeitung The Marker unter Gesundheitsexperten 2019 durchgeführte Befragung ergab aber, dass umgerechnet 1,2 Milliarden US$ pro Jahr als das erforderliche Minimum gelten. Das wären rund 4 Prozent der Gesamtausgaben für die Gesundheitspflege; an den richtigen Stellen eingesetzt, könnten sie spürbare Erleichterungen bringen.
Zwar gehört Israel bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens jetzt schon zur Weltspitze, doch steckt dieser Prozess auch dort noch in einer relativ frühen Phase. Deshalb könnte konsequenter Einsatz digitalmedizinischer Verfahren und Ausrüstungen einen wesentlichen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitswesens leisten. Ein wichtiger Bereich ist die Telemedizin. Sie würde vor allem die Zustandsüberwachung vieler Patienten oder potenzieller Patienten von Zuhause erleichtern. Daran haben nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch die Krankenkassen, die nicht lediglich als Versicherer dienen, sondern zugleich wichtige Träger von Gesundheitsleistungen sind. Für beide würde eine telemetrische Überwachung des Gesundheitszustands von Kranken oder Senioren und Angehörigen anderer Risikogruppen eine große Entlastung bedeuten.
Digitale Arzttermine sind in Israel wichtig und werden von den Krankenkassen in besonderem Maße seit Ausbruch der Coronakrise gefördert. Das israelische Telekommunikationsnetz erlaubt die heute üblichen telemedizinischen Maßnahmen in adäquatem Maße, wird aber in den kommenden Jahren massiv aufgewertet, sowohl durch den Abschluss und die Inbetriebnahme von Glasfasernetzen als auch durch die Aufnahme von 5G-Diensten im Bereich der mobilen Telefonie. Die Aufwertung der Telekommunikationsinfrastruktur wird eine bedeutende Expansion der Telemedizin und damit eine bessere Ausschöpfung des in diesem Bereich bestehenden Marktpotenzials ermöglichen.
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