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Italiens Bahnwesen investiert ins Streckennetz und in Zugflotten
Die Bahngesellschaften in Italien investieren stark. Allein die Staatsbahn FS wendet 100 Milliarden Euro bis 2029 auf.
10.09.2025
Von Torsten Pauly | Mailand
Italiens Eisenbahnwesen befindet sich derzeit in einer tiefgreifenden Modernisierung mit großem Technologiebedarf. Dies eröffnet auch deutschen Zulieferern viele Geschäftschancen. Die staatliche Eisenbahngesellschaft FS (Ferrovie dello Stato Italiane) investiert von 2025 bis 2029 rund 100 Milliarden Euro ins Netz und ins rollende Material. So sieht der Strategieplan 2025 bis 2029 unter anderem die Beschaffung von 46 Hochgeschwindigkeitszügen des Modells "Frecciarossa" bis 2034 vor. Dieses fertigt der japanische Zughersteller Hitachi in Italien. Bis 2029 will die FS ihre Fahrgastzahlen in Hochgeschwindigkeitszügen um 30 Prozent steigern.
Darüber hinaus kauft die FS-Tochter Trenitalia 1.061 Regionalverkehrszüge bis 2027. Diese hat ein Ausschreibungsportal. Im gleichen Zeitraum erhält die FS-Bahnfrachttochter Merciitalia Rail 70 Lokomotiven.
Neben FS modernisieren auch andere Regionalbahngesellschaften ihre Flotten. Dazu zählt die Gruppe FNM, die das norditalienische Netz Trenord betreibt und die kalabrische Bahngesellschaft Ferrovie della Calabria.
Bezeichnung | Zeitplan | Projektträger | Projektvolumen (in Mio. Euro) |
---|---|---|---|
1.061 Regionalzüge | Auslieferung bis 2027 | FS Trenitalia | 7.000 |
222 Regionalzüge | Auslieferung bis 2025 | Trenord | 1.700 |
100 Regionalzüge | Auslieferung 2025 | FS Trenitalia | 850 |
70 Lokomotiven | Auslieferung bis 2027 | FS Merciitalia Rail | 323 |
20 Regionalzüge | Auslieferung bis 2029 | Trenord | 365 |
12 Regionalzüge | Auslieferung bis 2027 | Ferrovie della Calabria | k. A. |
46 Hochgeschwindigkeitszüge | Auslieferung bis 2034 | FS Trenitalia | k. A. |
Hersteller entwickeln Wasserstoff- und Hybridantriebe
Italienische Zugbauer setzen auf nachhaltige Antriebe. Der französische Konzern Alstom bringt in Italien einen Regionalzug mit Wasserstoffbetrieb zur Marktreife. Der erste Zug soll 2026 in der Lombardei den Regelbetrieb aufnehmen. Insgesamt hat Trenord 14 solcher Modelle bis 2029 bestellt.
Für diese Entwicklung erhält Alstom EU-Förderungen aus deren IPCEI-Programm Hy2Tech. Damit unterstützt die EU Projekte von gemeinsamem Interesse. Alstom entwickelt und fertigt in Italien auch Hochgeschwindigkeitszüge und Signaltechnik. Für die Entwicklung von Wasserstoffzügen stellt die EU in Italien darüber hinaus 300 Millionen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität von 2021 bis 2027 bereit.
Der apulische Hersteller von Messzügen Mermec entwickelt Wasserstoff-Hybrid-Triebwagen. Auch die zwölf von Ferrovie della Calabria bestellten Züge laufen teilweise mit Wasserstoff. Regionalzüge mit Hybridantrieb entwickelt Hitachi in Italien. Von diesem "Blues" genannten Modell hat Trenitalia 110 Stück in Auftrag gegeben.
Institute erforschen nachhaltige Bahntechnologien
Italiens Forschungsverbund CNR (Consiglio Nazionale delle Ricerche) unterhält ein Institut für nachhaltige Mobilität. Dessen Forschungsschwerpunkte sind unter anderem nachhaltige Antriebssysteme, Sensorik und Energieeffizienz.
Das Forschungszentrum MOST (Centro Nazionale per la Mobilità Sostenibile) hat seinen Fokus auf nachhaltiger Mobilität mit einem Schwerpunkt im Bahnverkehr. MOST kooperiert mit 24 großen Herstellern, 24 Universitäten und dem Forschungsverbund CNR. Die italienische Bahnindustrie hat sich im Verband Anie-Assifer zusammengeschlossen. Darüber hinaus existiert das Verkehrsindustriecluster Trasporti.
Tipps zur Geschäftsanbahnung
Italiens führende Fachmesse für Bahntechnik ist die EXPO Ferroviaria an. Diese findet alle zwei Jahre in Mailand statt. Im Jahr 2025 läuft sie vom 30. September bis 2. Oktober.
Über 83 Milliarden Euro fließen ins Fernstreckennetz
Viele Geschäftschancen eröffnet auch der starke Ausbau von Bahntrassen für Hochgeschwindigkeits- und Hochlastzüge. Für dieses Netz ist in Italien das Kürzel AV/AC (Alta Velocità/Alta Capacità) gängig.
Zuständig für den Ausbau und Unterhalt der italienischen Bahninfrastruktur ist die Gesellschaft RFI (Rete Ferroviaria Italiana). Diese ist eine Tochter der Staatsbahn FS. RFI hat in den letzten beiden Jahren Ausschreibungen im Wert von 36 Milliarden Euro getätigt und betreibt hierfür ein Internetportal.
Die RFI wird von 2025 bis 2029 etwa 60 Milliarden Euro ins Fernstreckennetz und 1,1 Milliarde Euro in die Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs investieren. Weitere 23 Milliarden Euro kosten zwei Alpenbasistunnel unter dem Brenner und nach Frankreich.
Grundlage hierfür ist die "Strategie zum Eisenbahnverkehr von Personen und Gütern" der Regierung von 2021. Diese berücksichtigt auch den Green Deal der EU. Im August 2025 hat die RFI auch angekündigt, 733 Millionen Euro in den Unterhalt bestehender Gleistrassen zu investieren.
Ausbau der transeuropäischen Verkehrskorridore
Wenn es um den Ausbau der italienischen Hochgeschwindigkeitsstrecken geht stehen die transeuropäischen Verkehrskorridore ganz oben auf der Prioritätenliste. Auf italienischem Gebiet verlaufen diese im Norden von der Schweiz zum Hafen Genua und von Triest nach Genua beziehungsweise Turin mit einer Verlängerung zum französischen Lyon. Bis nach Süditalien führen die beiden Trassen vom Brenner entlang der östlichen Adria bis ins apulische Tarent sowie an der Westküste bis zum sizilianischen Palermo.
Die meisten dieser Hochgeschwindigkeits- und Hochlasttrassen entstehen bis 2032 in Süditalien. Dort ist das Netz noch weitmaschiger als in nördlicheren Gebieten. Italien baut ebenfalls bis Ende 2032 eine Brücke, die Sizilien mit dem kalabrischen Festland verbindet. Diese kostet 13,5 Milliarden Euro und wird eine direkte Trasse für Hochgeschwindigkeitszüge vom Brenner bis nach Palermo ermöglichen.
Neue Bahnstrecken unter den Alpen
Bereits seit Jahren baut Italien gemeinsam mit Österreich an dem 55 Kilometer langen Brennerbasistunnel bis Innsbruck. Realisiert wird das Projekt von der italienisch-österreichischen Gesellschaft BBT SE. Diese nutzt für Vergaben ein eigenes Ausschreibungsportal. Einen 58 Kilometer langen Basistunnel unter den Westalpen auf der Strecke von Turin nach Lyon baut das italienisch-französische Unternehmen TELT SAS. Auch dieses veröffentlicht Ausschreibungen auf einer eigenen Internetseite.
Bezeichnung | Anmerkungen & Zeitplan | Projektträger | Projektvolumen (in Mrd. Euro) |
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Hochgeschwindigkeitstrasse Salerno-Reggio Calabria | Anpassung der bestehenden 339 km langen Strecke durch Tunnel, Brücken und Signaltechnik; Realisierung bis 2026 | RFI SpA | 14,1 |
Mont-Cenis-Basistunnel (als Teil der Schnellfahrstrecke Turin-Lyon) | Neubau eines 58 km langen Tunnels; Realisierung bis 2033 | TELT SAS | 12,6 |
Hochgeschwindigkeitsrasse Palermo-Catania-Messina | Anpassung und teilweise Neubau auf einer 225 km langen Strecke; Realisierung bis 2032 | RFI SpA | 12,0 |
Brennerbasistunnel | Neubau eines 55 km langen Tunnels; Realisierung bis 2032 | BBT SE | 10,5 |
Drittes Gleis am ligurischen Giovi-Pass | Kapazitätserweiterung der wichtigen Strecke vom Hafen Genua in die Industrieregionen Lombardei und Piemont; Realisierung bis 2027 | RFI SpA | 9,6 |
Hochgeschwindigkeitstrasse Verona-Padova | Anpassung und teilweise Neubau auf einer 77 km langen Strecke; Realisierung bis 2032 | RFI SpA | 7,5 |
Hochgeschwindigkeitstrasse Neapel-Bari | Anpassung und teilweise Neubau auf einer 145 km langen Strecke; Realisierung bis 2028 | RFI SpA | 6,0 |
Ausbau der Bahnlinie Verona-Franzensfeste (Fortezza) | Anpassung einer 180 km langen Strecke; Fertigstellung bis 2030 | RFI SpA | 5,0 |
Auch den Ausbau der italienischen Bahninfrastruktur fördert die EU-Aufbau- und Resilienzfazilität mit 24,8 Milliarden Euro. Hiervon fließen 14,8 Milliarden Euro in die Hochgeschwindigkeits- beziehungsweise Hochlaststrecken. Den Ausbau des europäischen Zugleitsystems ERTMS (European Rail Traffic Management Systems) unterstützt die EU in Italien mit 3 Milliarden Euro.
Der Ausbau der Bahninfrastruktur ist auch nötig, weil das Aufkommen im Bahnverkehr wächst. Im Jahr 2024 gab es 3,2 Prozent mehr Fahrgäste. Die Güterfracht hat sich gemessen in Tonnenkilometern um 8,3 Prozent erhöht.