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Rechtsbericht Italien Coronavirus

Italien: Coronavirus und Verträge

Insbesondere das wirtschaftsstarke Norditalien ist seit einiger Zeit stark vom Coronavirus betroffen. Was passiert, wenn die Vertragserfüllung beeinträchtigt wird?

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Einleitung

Das Coronavirus hat in Italien zu erheblichen Einschränkungen des täglichen Lebens geführt. Die Durchführung mancher Verträge ist dadurch schwierig oder sogar unmöglich geworden. So waren zum Beispiel Dienstleistungsverträge im Verkehrs- oder Tourismusbereich betroffen. In anderen Fällen musste möglicherweise eine Maschine repariert werden, potentiell betroffen sein können aber auch Herstellung und Verkauf von Waren.

Eine weitere Differenzierung: einerseits gibt es die Fälle, in denen die Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung nicht mehr möglich ist. In anderen Fällen ist die Entgegennahme der Leistung nicht mehr gewollt oder sogar unmöglich. Wie geht das italienische Recht mit solchen Fällen um?    

So ist die Unmöglichkeit der Vertragserfüllung im italienischen Recht geregelt

Artikel 1256 des Codice Civile (das italienische Bürgerliche Gesetzbuch; im folgenden: „C.C.“) regelt die so genannte nachträgliche Unmöglichkeit. Die geschuldete Leistung muss nach Vertragsschluss unmöglich werden, und derjenige, der diese Leistung erbringen muss, darf nicht für diese Unmöglichkeit verantwortlich sein.

Die Leistung wird zum Beispiel auch dann unmöglich, wenn ihre Erbringung gegen Vorschriften verstoßen würde. Nach Vertragsschluss erlassene Gesetze oder Verwaltungsakte können also durchaus zu einer solchen Unmöglichkeit führen. Voraussetzung ist hier allerdings, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht vernünftigerweise vorhersehbar war, dass die Gesetze oder Verwaltungsakte kommen würden. Bezogen auf das Coronavirus wird man wohl in vielen Fällen zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen des Artikel 1256 vorliegen.    

Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, dann erlischt die Verpflichtung zur Erbringung der Leistung, siehe Artikel 1256 Absatz 1 C.C. Allerdings erlischt dann auch der Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung, Artikel 1463 C.C., und falls die Gegenleistung schon erbracht wurde, muss sie zurückgegeben werden. Außerdem schuldet er keinen Schadensersatz wegen Verzugs, siehe Artikel 1218 Abs. 1 C.C.

Häufig kommt es vor, dass die Beeinträchtigungen, die zur Unmöglichkeit der Leistung führen, nur vorübergehend sind. Dies dürfte für die Mehrzahl der Maßnahmen zum Coronavirus gelten. In diesem Fall kann die Leistung nicht erbracht werden, solange die Unmöglichkeit besteht, aber möglicherweise später. Das Gesetz ordnet für solche Fälle an, dass für die Verspätung der Leistung als solche keine Verbindlichkeiten des Leistungserbringers entstehen, also zum Beispiel keine Verzugszinsen. Die Leistung wird dann nach Wegfall des Hinderungsgrundes erbracht, es sei denn, der Erbringer kann aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht am Vertrag festgehalten werden, oder der Empfänger der Leistung hat an ihrer Erbringung kein Interesse mehr. Ist dies der Fall, dann erlischt die Verbindlichkeit, vgl. Artikel 1256 Abs. 2 C.C.

Kann sich auch der Leistungsempfänger auf Unmöglichkeit berufen?

Eine gesetzliche Regelung der Unmöglichkeit der Leistungsentgegennahme gibt es im italienischen Recht nicht. Die italienischen Gerichte gehen allerdings in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass sich auch der Empfänger einer Leistung unter bestimmten Voraussetzungen vom Vertrag befreien kann. Teilweise geht die Rechtsprechung sogar sehr weit: sie befreit die Parteien von der Verpflichtung zur Vertragserfüllung schon dann, wenn der Vertrag zwar theoretisch erfüllbar wäre, aber der Hauptzweck nicht mehr erreicht werden kann. Ein solches Szenario kann beispielsweise bei Urlaubsreisen in unsichere Gegenden auftreten, die zwar faktisch möglich sind, deren Erholungseffekt aber nicht mehr gewährleistet ist.

Höhere Gewalt im internationalen Recht

Eine der Unmöglichkeit ähnliche Rechtsfigur ist die so genannte „höhere Gewalt“ (force majeure). Eine Regelung zur höheren Gewalt kann sich aus verschiedenen Quellen ergeben. Möglicherweise gibt es im Vertrag eine Regelung, die internationale Handelskammer hat im Jahr 2020 eine Musterklausel herausgegeben, auf die vielleicht Bezug genommen wurde. Eine weitere Regelung – allerdings nur für Kaufverträge – findet sich in dem so genannten UN-Kaufrecht (Wiener Übereinkommen über den internationalen Warenkauf vom 11. April 1980). Dieses Übereinkommen wurde sowohl von Italien als auch von Deutschland ratifiziert, deshalb wird es für Kaufverträge mit italienischen und deutschen Vertragspartnern gelten, es sei denn, die Anwendung wurde ausdrücklich ausgeschlossen.

Die verschiedenen Klauseln haben unterschiedliche Voraussetzungen und unterschiedliche rechtliche Auswirkungen. Allerdings enthält die ICC-Musterklausel eine Aufzählung von Ereignissen, die automatisch als höhere Gewalt gelten – und eine Epidemie ist in dieser Aufzählung ausdrücklich enthalten. Die ICC-Musterklausel regelt, dass der Leistungserbringer dem Empfänger Mitteilung von dem bestehenden Problem machen muss. Eine solche Mitteilungspflicht findet sich auch im UN-Kaufrecht und sollte prinzipiell immer befolgt werden, und zwar so zeitnah wie möglich.

Als Rechtsfolge sieht die ICC Musterklausel eine Befreiung von der vertraglichen Leistungspflicht und von Schadensersatzansprüchen vor. Beides kann, wenn die Beeinträchtigung nur vorübergehend ist, auch nur zeitweise erfolgen. Das UN-Kaufrecht sieht in Artikel 79 eine andere Rechtsfolge vor: vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen wird der Leistungserbringer hier nur von der durch die Nichterfüllung bedingten Schadensersatzpflicht befreit. Der Vertrag wird aber nicht beendet, die Pflichten bleiben im Grundsatz bestehen.

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