Mehr zu:
ItalienCoronavirus / Nahrungsmittel, Getränke / Fahrzeuge / Maschinen- und Anlagenbau / Transport und Logistik / Bau
Wirtschaftsumfeld
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Special Italien Coronavirus
Die Pharmaindustrie wird 2020 wahrscheinlich die einzige Wachstumsbranche sein. (Stand: 18. Dezember 2020)
Von Oliver Döhne | Mailand
Am schwersten von der Krise betroffen sind Tourismus, Gastronomie und Reiseveranstalter. Für die Gastronomie wird die Lage durch den Semi-Lockdown seit dem 26. Oktober 2020 und die vorangegangene Schließung von Bars und Restaurants um 18 Uhr erneut kritisch.
Insgesamt sind so gut wie alle Branchen von den Folgen der Coronakrise schwer getroffen und werden vermutlich lange brauchen, um sich zu erholen. Eine Untersuchung der Unternehmensberatung Prometeia und der Bank Intesa Sanpaolo von Ende Mai sieht 2020 nur die Pharmaindustrie mit Wachstumsaussichten. Die verarbeitende Industrie wird 2020 mindestens 15 Prozent ihres Umsatzes verlieren, bevor sie 2021 im günstigsten Fall wieder 5,3 Prozent und in den folgenden zwei Jahren jeweils rund 3 Prozent zulegen könnte. Die Produktion stieg in den Monaten Juli und August wieder an, ohne auch nur annähernd zu den Vorjahreswerten aufschließen zu können.
Die größten Umsatzeinbußen in der verarbeitenden Industrie verzeichneten laut einer Umfrage des Industrieverbandes Confindustria im März 2020 die Bekleidungs- und Textilindustrie, die Holzverarbeitung, der Maschinenbau, die Metallindustrie sowie die Kfz-Industrie.
Branche | Umsatzentwicklung März 2020 gegenüber März 2019 (in %) |
---|---|
Konfektionsbekleidung | -50,0 |
Holzverarbeitung | -39,2 |
Möbelindustrie | -37,6 |
Textilindustrie | -36,0 |
Maschinenbau | -32,7 |
Metallindustrie | -32,2 |
Kfz-Industrie | -29,3 |
Elektronik/Präzisionsinstrumente | -25,0 |
Kunststoffindustrie | -21,2 |
Lebensmittelindustrie | -17,9 |
Chemische Industrie | -15,3 |
Pharmazie | -7,9 |
Die Automobilindustrie wurde in einer ohnehin schweren Phase getroffen. Die Neuzulassungen fielen ins Bodenlose. Seit August 2020 sorgt eine sehr attraktive Kauf- und Abwrackprämie von bis zu 10.000 Euro für einen vorübergehenden Kaufboom, der sich aber schon im September wieder abflachte, da viele Sonderfinanzierungen und Prämien auf Kontingente beschränkt waren.
Der Maschinenbau, der bereits 2019 in der Produktion ein Minus von 3 Prozent erlitt, hakt 2020 als katastrophales Jahr ab und hofft auf einen neuen Anfang 2021, wenn auch die Förderung im Rahmen der "Transizione 4.0" ansteigt. Am schwersten betroffen sind die Werkzeugmaschinenhersteller. Aber auch die Hersteller, die während des Lockdowns weiterproduzieren durften, melden deutliche Umsatzeinbrüche und ausbleibende Aufträge. Insgesamt könnte die Branche 2020 im Durchschnitt 27 Prozent an Umsatz einbüßen, einige Segmente wie Werkzeugmaschinen sogar 36 Prozent.
Ein weiteres Hauptopfer der Coronakrise ist die Bekleidungs- und Modeindustrie. Die internationalen Einkäufer blieben weg, viele Aufträge aus dem Ausland wurden storniert. Erst seit der Öffnung der Geschäfte und der Reiseerlaubnis kommt langsam wieder Leben in den Sektor. Im Jahr 2020 könnte das Umsatzminus bei 10,1 Prozent liegen.
Die Lebensmittelindustrie hatte 2019 fast als einziger Industriebereich ein Produktionswachstum erreicht. Nun sieht der Branchenverband Federalimentare die Lage sehr kritisch, zumal der Foodservice im Semi-Lockdown erneut hohe Umsatzrückgänge erleiden wird. Insgesamt erwarten Experten für 2020 ein Umsatzminus von 4,4 Prozent.
Der Superbonus für Energieeffizienz-Investitionen könnte Teilen der Baubranche einen gewissen Schub verschaffen. Da die Regierung bisher nicht den Mut hatte, durch strikte Entbürokratisierung - wie bei der schnell wieder aufgebauten San Giorgio-Brücke von Genua -, den darbenden Infrastruktursektor in Gang zu bringen, sieht die Branche die Lage insgesamt skeptisch. Ausnahmen bilden der Wohn- und Büromarkt in Mailand. Der Brancheninformationsdienst Cresme rechnet für die Bauindustrie 2020 mit einem Investitionsrückgang von rund 23 Prozent, das sind fast 34 Milliarden Euro weniger als geplant.
Positiv entwickelt sich angesichts der hohen Auflagen an die Reinigung von Betriebsstätten und Büros der Markt für entsprechende Unternehmensdienstleistungen, zum Beispiel für die Reinigung, die Sicherheit und das Facility Management, ein Markt mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro, der 600.000 Menschen beschäftigt.
Erneuerbare Energien haben aber zum Teil unter Lieferproblemen bei Windkraftausrüstung und unter verschobenen Auktionen zu kämpfen. Mittelfristig sind die Aussichten aufgrund der guten natürlichen Voraussetzungen in Italien gut. Positiv wirken hier auch die Klimaziele der Europäischen Union.
Die chemische Industrie wird unter der geringeren industriellen Tätigkeit in vielen Bereichen leiden. In der Medizintechnik hat vorrangig eine kleine Gruppe Firmen vom Verkauf von Produkten profitiert, die in der Coronakrise dringend gebraucht werden.
Weitere Informationen finden Sie im GTAI-Branchencheck zum Jahreswechsel 2020/21.