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Special | Italien | Klimaschutzatlas

Klimaschutz-Atlas

Energie: Schleppender Ausbau erneuerbarer Quellen

Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss Italien kreativ werden. Zukünftig sollen auch neue Arten der Nutzung von Wind, Wasser und anderer erneuerbarer Quellen helfen.

Von Oliver Döhne | Mailand

Italien verfolgt einen pragmatischen Ansatz und will zuerst dort Energie sparen, wo noch besonders verschmutzende Prozesse ablaufen.

Energiepolitik der Regierung setzt auf schrittweise Dekarbonisierung

Die Dekarbonisierung sieht Italien als schrittweisen Prozess, mit einer Zwischenstufe über Gas, gemischt mit Wasserstoff. Parallel sollen die Kapazitäten erneuerbarer Energiequellen steigen und Mittel in Zukunftsfelder wie Wasserstoff, Offshore-Windkraft sowie Solarthermie sowie Ozeanenergie fließen. Auch Agrarfotovoltaik, Geothermie, Biogas- und Biomasse spielen eine Rolle. Kohle war bislang in Italien in der Stromerzeugung eher eine Back-Up-Option, die aber im Zuge des Krieges in der Ukraine und drastisch steigender Preise nun doch wieder zum Einsatz kommt.

Die wichtigste Energiequelle ist Erdgas, das über Pipelines oder Flüssiggaslieferungen per Schiff aus Russland, Aserbaidschan, Libyen, Algerien und Katar kommt. Hier versucht Italien die Lieferungen aus Nordafrika und über die Trans-Adria-Pipeline aus Aserbaidschan zu erhöhen, um von russischem Gas unabhängig zu sein. In den Alpen und Dolomiten gibt es zahlreiche ältere Wasserkraftwerke, die auch noch eine größere Rolle bei der Stromversorgung spielen. Ein weiterer Ausbau ist hier aber nicht geplant. 

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Ausbau von Windkraft, Fotovoltaik und Biogas stockt

Trotz ehrgeiziger Erweiterungspläne auf dem Papier verläuft der Ausbau in der Praxis, besonders bei der Windkraft, noch zögerlich. Umweltminister Roberto Cingolani plant bis 2030 mindestens 43 Gigawatt an neuer Fotovoltaik- und 12 Gigawatt an neuer Windkraftkapazität aufzubauen. Um mehr private Investoren zu finden, will er Genehmigungsverfahren vereinfachen - ein umstrittenes Vorgehen. Kapazitäten für erneuerbare Energien, die in den vergangenen Auktionen nicht versteigert werden konnten, sollen, unter verbesserten Bedingungen, erneut angeboten werden. Das (zu Redaktionsschluss noch ausstehende) Förderpaket FER 2 soll an innovative Verfahren adressiert sein, darunter schwimmende Offshore-Windkraftanlagen, die ab dem Jahr 2025 oder auch erst ab dem Jahr 2026 rund die Hälfte der jährlich hinzukommenden Kapazität ausmachen sollen. Ein erstes Projekt entsteht in der Adria vor Rimini, das schwimmende Anlagen für Fotovoltaik, Windkraft und Wasserstofferzeugung enthält. Andere Einsatzregionen sind Sizilien und Sardinien. Unser Beitrag Italien sucht Energie auf dem Wasser bietet weitere Informationen zu Offshore-Anlagen.

Im Recovery Plan sind spezielle Mittel für die Installation von Fotovoltaikanlagen in der Landwirtschaft vorgesehen. Agri-Solarparks sollen mit Staatshilfe auf 4,3 Millionen Quadratmetern 370 Megawatt liefern. Mittel von 1,5 Milliarden Euro gehen dabei an eine entsprechende Anpassung von Dächern, neue Ventilations- und Kühlanlagen sowie mit intelligenten Steuerinstrumenten ausgestattete Solarpanels. Weitere 1,1 Milliarden Euro fließen in den noch weiter greifenden Einsatz der Agrarvoltaik von 1.040 Megawatt zur Erzeugung von 1.300 Gigawatt/Jahr auf Agrarflächen oder auch auf Teichen und anderen Wasserflächen. Neben neuen Anlagen steht auch das Revamping und Repowering bestehender Fotovoltaik- und Windkraftanlagen im Fokus. Auch für landwirtschaftliche Biogasproduzenten steigen die Fördermaßnahmen. 

Auswahl von Förder- und Investitionsprojekten

Zielsegment

Fördersumme (in Mio. Euro)

Ziel/Anmerkung

Agrarvoltaik/Agri-Solarparks

2.599

Fotovoltaikanlagen auf Landwirtschaftsgebäuden, Agrar- und Binnenwasserflächen, inklusive Dachrenovierung, Ventilation, Kühlung

Biomethan

1.923

Neue Anlagen, Rekonvertierung bestehender Anlagen, biogasbetriebene Traktoren

Offshore-Wind und Fotovoltaikanlagen

675

Entwicklung schwimmender Anlagen, Umfunktionierung von Ölplattformen, kombinierte Fotovoltaik- und Windkraftanlagen

Smart Grid/Stromnetze

3.610

Digitalisierung der Netzwerkinfrastruktur

Wasserstoff

3.190

Hydrogen Valleys auf verlassenen Industriearealen, Ladestationen für Zug und Lkw, Prototypentwicklung zur Dekarbonisierung der Schwerindustrie, Forschung, Entwicklung und Tests

Quelle: National Recovery und Resilience Plan (PNRR) 2021

Pragmatischer Ansatz beim Thema Wasserstoff 

Italien geht das Thema Wasserstoff angesichts des bisher nur langsamen Ausbaus der erneuerbaren Energien und der hohen Strompreise vorsichtig an. Etappenziel ist die Beimischung in Erdgas (Blending) und ein möglichst breiter Einsatz des Gemisches in energieintensiven Industriebranchen. Punktuell sollen aber auch Hydrogen-Valleys für grünen Wasserstoff mit Fotovoltaikanlagen, Elektrolyseuren und Distributionsinfrastruktur entstehen, zum Beispiel für den Einsatz der Bahnstrecke entlang des Iseo-Sees in der Lombardei, in Häfen oder in Industrieclustern (Tarent, Sardinien, Porto Marghera). Weitere Informationen zum Thema Wasserstoff in Italien finden Sie in unserem Special "Wasserstoff in Italien". 

Kernkraft ist noch nicht vom Tisch

Atomenergie ist in Italien seit Tschernobyl verboten. Neuen Generationen von Kernkraftreaktoren steht Minister Cingolani aber offen gegenüber. Obwohl keine Gelder aus dem europäischen Recovery Fonds in die Forschung und Entwicklung zukünftiger Kernenergie fließen, beschäftigt sich das nationale Energieforschungsinstitut ENEA seit längerem mit dem Thema und will mit dem Start-up Newcleo in Bologna auch konkrete Einsatzmöglichkeiten entwickeln, vorerst für das Ausland. Auch Italiens Energiekonzern ENI forscht in den USA an modernen Fusionsnuklearreaktoren. Laut Experten ist das Know-how in der Forschung und in der Industrie groß. Zudem liefern italienische Firmen Ausrüstung für ausländische Projekte. Newcleo will unter anderem kleine, mit Thorium betriebene Accelerator Driven Systems entwickeln.   

Carbon Capture - eine der größten Anlagen der Welt geplant

Italiens größter Energiekonzern ENI plant eine der weltweit größten Anlagen für Carbon Capture Storage in ausgedienten Erdgaslagerstätten im Meeresboden der Adria bei Ravenna. Auch eine Wiederverwendung ist geplant, unter anderem durch Biofixierung in Mikroalgen, durch Mineralisierung und Verwendung in der Zementindustrie oder zur Produktion von Methanol in der chemischen Industrie. Der Stahlhersteller Tenaris will für die auf fossilen Brennstoffen beruhende Energieerzeugung in seinem Stahlwerk bei Bergamo Carbon Capture and Usage einführen. Er schloss Anfang 2022 eine Absichtserklärung mit dem Engineeringkonzern Saipem und dem Industriegashersteller Siad für eine Anlage, deren Reststoffe mittels eines innovativen Enzymprozesses in der Lebensmittelindustrie, in der Landwirtschaft, in der Wasserbehandlung, der Metallbearbeitung sowie als Kühlgas wiederverwendet werden sollen.

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