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Japans Wasserwirtschaft steht vor Umbau
Leitungen sind marode und der Wasserverbrauch sinkt. Japan reagiert und will seine Wasserwirtschaft privatisieren und internationalisieren.
07.08.2025
Von Christiane Süßel | Bonn
Japans Wasserwirtschaft dürfte von 2022 bis Ende 2027 jährlich um rund 1,4 Prozent wachsen. Research and Markets prognostiziert für 2027 einen Umsatz von 50,1 Milliarden US-Dollar. Dabei treffen zwei gegenläufige Trends aufeinander: Zum einen sinkt der Wasserverbrauch angesichts der schrumpfenden Bevölkerung und zum anderen muss mehr Geld in die Erneuerung der bestehenden Infrastruktur fließen. Lösen will die Regierung dies im Schulterschluss mit der Privatwirtschaft.
Weniger Menschen, weniger Wasserverbrauch
Japan ist reich an Wasser. Im Schnitt der vergangenen zehn Jahre regnete es mit knapp 1.700 Millimeter pro Jahr mehr als doppelt so viel wie in Deutschland. Allerdings verbraucht das Land auch aufgrund des hohen Wasserverbrauchs im Reisanbau rund dreimal so viel Wasser. Die wichtigste Quelle sind die Flüsse, sie machen rund 73 Prozent des genutzten Wassers aus. Der Rest ist Grundwasser.
Der Wasserverbrauch hatte seinen Höhepunkt im Jahr 1998 erreicht. Die schrumpfende Bevölkerung aber auch wassersparende Ausrüstungen tragen dazu bei, dass er seither sinkt. Bis 2050 soll der Verbrauch auf 67 Prozent des Niveaus von 1998 zurückgehen, schätzt das für die Wasserwirtschaft zuständige Infrastrukturministerium (MLIT).
Der größte Nutzer ist mit einem Anteil von 67 Prozent die Landwirtschaft. Haushalte stehen für 17 Prozent und die Industrie für 16 Prozent. Der mit Abstand größte Einzelverbraucher ist der Reisanbau, auf dessen Konto nahezu 95 Prozent des Wasserbedarfs im Agrarsektor entfallen.
Dabei hat auch die Industrie ihren Wasserverbrauch gedrosselt. Im Jahr 2022 lag die Nutzwassermenge schon 18 Prozent unter dem Niveau von 1997. Die Papier- und Zellstoffherstellung steht für die intensivste industrielle Wassernutzung, gefolgt von den Sektoren Stahl und Nahrungsmittel.
Nach einem Abwasserskandal in den 1960er Jahren ist die japanische Bevölkerung sensibel, wenn es um industrielle Abwässer geht. Der weltweit größte Chiphersteller TSMC aus Taiwan baut auf der Insel Kyushu zwei neue Werke. Er hat angekündigt, mehr Grundwasser zur Verfügung zu stellen, als beide Fabriken benötigen, und eine eigene Abwasseranlage zu bauen.
Infrastruktur ist renovierungsbedürftig
Eine Zukunftsaufgabe ist es, die Infrastruktur im Wassersektor zu erneuern. Mehr als 22 Prozent der Ausrüstung hat ihre Betriebsdauer überschritten und 40 Prozent sind nicht erdbebensicher. So liegt der Investitionsbedarf bei 1,3 Billionen Yen (etwa 7,5 Milliarden Euro). Allein im Industriewasserbereich werden sich die Investitionen in die Erneuerung bis zum Jahr 2050 auf 100 Milliarden Yen (rund 580 Millionen Euro) verdoppeln.
Dabei gibt es strukturelle Hürden: Generell liegt die Wasserversorgung in Japan in den Händen kommunaler Behörden. So haben staatliche Firmen in der Wasserwirtschaft einen Anteil von mehr als 90 Prozent. Vor allem beim Abwasser übersteigen derzeit die Kosten die erzielten Einnahmen. Bisher deckt der Staat diese Lücke.
Doch mit der anstehenden Sanierung zahlreicher Anlagen sind die staatlichen Firmen personell und finanziell überfordert. Japans Regierung will daher Verwaltungseinheiten zusammenlegen und stärker mit privaten Firmen in Private-Public-Partnerships (PPP) zusammenarbeiten: Gab es 2023 erst acht PPP im Wassersektor, so sollen es 2033 insgesamt 225 werden. Positive Effekte erhofft sich die Regierung auch von der Digitalisierung.
Potenzial in Japans Wassersektor
Auf Landesebene agieren im Wasserbereich unter dem Dach des MLIT die Water Agency und das Water and Disaster Management Bureau. Das MLIT sieht Bedarf bei:
- Energie- und Umweltmaßnahmen in der Wasserversorgung,
- der Nutzung von Klärschlamm zur Düngung,
- grünen Maßnahmen im Bereich Abwasser und
- der Wärmenutzung im Klärprozess.
Im Jahr 2023 machte Wasserkraft einen Anteil an der Stromerzeugung von 7,6 Prozent aus. Den Strom lieferten 1.970 Wasser- und 17 Pumpkraftwerke. Weitere 139 Anlagen waren 2023 im Bau. Dabei besteht ein enormes Ausbaupotenzial: Die Zahl der möglichen, aber noch nicht entwickelten Wasserkraftwerke bezifferte das Wirtschaftsministerium (METI) auf über 2.600.
Die Regierung hat zudem 2019 eine breitere Nutzung der über 27.000 Thermalquellen im Land angeschoben. Der Beitrag der Geothermie zur Stromproduktion ist mit 0,2 Prozent bisher noch vernachlässigbar. Das größte Geothermiekraftwerk mit einer Kapazität von 110 Megawatt steht in Oita auf der Insel Kyushu. Neben der geothermalen Stromerzeugung sieht das Umweltministerium in Tokyo Potenziale für Fernwärme, Wärmetauscher, Wärmepumpen und die Kraft-Wärme-Kopplung.
Klimawandel als Chance
Bei einem Temperaturanstieg um 2 Grad Celsius werden drei Viertel aller Flusseinzugsgebiete in Japan einen Wassermangel aufweisen, prognostiziert das MLIT. In den vergangenen 30 Jahren musste in den Ballungszentren bis zu sieben Mal das Wasser abgestellt werden. Es könnte zukünftig öfter passieren.
Mit dem Basic Act on the Water Cycle steuert die Regierung gegen und fördert Innovationen, um Wasserreservoire abzusichern und den Katastrophenschutz zu intensivieren. Der Wassersektor ist zudem in die Ziele der japanischen Regierung zur Dekarbonisierung einbezogen und soll bis 2030 rund 216.000 Tonnen CO2 einsparen.
Bereits 2010 hatte das METI ein Grundsatzpapier zur internationalen Entwicklung der Wasserwirtschaft vorgelegt. Es soll die einheimische Branche bei ihrer Expansion auf ausländische Märkte fördern. Im Fokus stehen die Staaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), Afrika und der Nahe Osten sowie China und Indien. An vorderster Front sind dabei Japans große Handelskonzerne aktiv. Hier bieten sich auch für deutsche Firmen Chancen, auf Drittmärkten gemeinsam mit japanischen Akteuren einzusteigen.
Insgesamt haben deutsche Unternehmen vor Ort gute Chancen:
"Die Japaner sind interessiert an Qualität, Technologie und einem guten Service. Für deutsche Firmen besteht hier daher ein großes Potenzial",
erklärt Diego Escutia, Sales Manager von sebaKMT.
Der deutsche Systemanbieter für die digitale Wassernetzüberwachung setzt in Japan auf die Entwicklung von Lösungen für die lokalen Probleme. Allerdings brauchte sebaKMT vier Jahre von der Marktsondierung bis zur Lieferung der ersten Produkte im Jahr 2024. Escutia nennt die Produkt- und Bauteilzulassungen der japanischen Behörden als die größten Hürden: "Der Partner vor Ort hat uns hierbei sehr geholfen."