Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special | Europa | Klimaschutz im Dialog

"Wir entwickeln unsere Produkte für die Energiewende weiter"

Die Leipziger Börse handelt seit mehr als 20 Jahren Strom, mittlerweile auch in Japan. Volatile Erneuerbare Energien sind eine Herausforderung für den Börsenbetreiber.

Von Lukas Latz | Berlin

Daniel Wragge, Leiter der Abteilung Politik und Regulierung der Energiebörse EEX Daniel Wragge, Leiter der Abteilung Politik und Regulierung der Energiebörse EEX | © European Energy Exchange AG

Seit 1998 ist der deutsche Strommarkt liberalisiert. Andere europäische und internationale Märkte haben nachgezogen. Ein Merkmal für deregulierte Strommärkte ist, dass der Strom frei gehandelt und so Angebot und Nachfrage über den Preis abgebildet werden. Um dies zu leisten, wurde im Jahr 2000 die Leipziger Strombörse European Energy Exchange (EEX) gegründet. Mittlerweile hat sie sich laut eigenen Angaben zu einem der größten Handelsplätze für Strom weltweit entwickelt. Daniel Wragge, Leiter der Abteilung Politik und Regulierung der Börse EEX, erklärt im Interview, wie sich der Stromhandel durch die Energiewende ändert.

Herr Wragge, Sie arbeiten bei der Leipziger Börse European Energy Exchange (EEX). Wie viele Angestellte sind Sie dort?

Wir sind gut 850 Mitarbeitende. Die Hälfte davon sitzt in Leipzig. Daneben betreiben wir zahlreiche Büros weltweit, um nahe bei unseren Kunden zu sein. Die EEX ist Teil einer Unternehmensgruppe, der EEX Group, die mit ihren Marktplätzen in Europa, Nordamerika und Asien mittlerweile die weltweit größte Strombörse ist. Sie umfasst sowohl den kurzfristigen und physischen Spotmarkt als auch den langfristigen und finanziellen Terminmarkt. Aber auch weitere Produkte können auf unseren Plattformen gehandelt werden, zum Beispiel CO2-Emissionsrechte, Erdgas, Fracht- und Agrarterminkontrakte.

Im Gegensatz zur Frankfurter Börse sieht man die EEX eigentlich nie im Fernsehen. Warum nicht?

Der Handel an der Börse läuft vollelektronisch. Vor Ort gibt es keine Händler. Diese sind digital an die Börsenhandelsplattform angeschlossen. Und anders als bei Aktien, die jede Privatperson kaufen und verkaufen kann, läuft der Energiehandel rein auf Großhandelsebene.

Wer sind Ihre Kunden im Strommarkt?

An der Börse ist eine Vielzahl unterschiedlicher Kunden aktiv. Der Handel lebt von dieser Diversität und den unterschiedlichen Handelsmotivationen und Preiseinschätzungen. Zu den Kunden gehören große Energieversorger, Stadtwerke, große industrielle Verbraucher sowie Energiehändler und Finanzmarktakteure, denen wir den Zugang zum Energiehandel als Dienstleistung anbieten. Kunden, die sich nicht direkt an der Börse akkreditieren möchten, beauftragen dann diese Dienstleister, für sie zu handeln.

Wie viele Kunden haben Sie insgesamt?

Circa 800 Kunden sind – gruppenweit – zum Handel an der Börse registriert. Tatsächlich erreichen wir aber ein Vielfaches davon, wenn man noch diejenigen dazuzählt, die über Dritte bei uns an der Börse aktiv sind. Ein weiterer Vorteil für unsere Kunden ist, dass – egal ob sie direkt oder indirekt teilnehmen – unser Clearinghaus die Zahlung und Lieferung für jede Transaktion sicherstellt.

Inwieweit korreliert der Raum des Strommarktes mit der konkreten physischen Infrastruktur? Das heißt mit den Stromnetzen?

Man muss sich klarmachen: Es gibt zwei unterschiedliche Marktsegmente. Zum einen ist da der Spotmarkt. An diesem wird Strom gehandelt, der physisch produziert, geliefert und verbraucht wird. Die Voraussetzung dafür ist ein funktionierendes Stromnetz. Gleichzeitig hilft der Spotmarkt, über ein Preissignal jederzeit Angebot und Nachfrage und damit Erzeugung und Verbrauch zum Ausgleich zu bringen. Das wiederum dient dem sicheren Betrieb der Stromnetze.

Und der zweite Markt ist der Terminmarkt?

Genau. Am Terminmarkt sichert man sich gegen Preisrisiken ab. Die Abwicklung erfolgt in erster Linie finanziell, das bedeutet, es fließt Geld – der sogenannte Barausgleich. Dadurch, dass dieser Markt nicht leitungsgebunden ist, können daran Teilnehmer aus der ganzen Welt teilnehmen, um sich gegen langfristige Preisänderungsrisiken abzusichern.

Vor zwei Jahren haben Sie Ihr Terminmarktgeschäft auf Japan ausgeweitet. Wie kam es dazu?

Der japanische Strommarkt ist aufgrund seiner Größe und seiner internationalen Bedeutung sehr attraktiv. Japan hat aber erst relativ spät seinen Strommarkt liberalisiert und dann nach internationaler Expertise für den Aufbau des Marktes gesucht. Ein entscheidender Vorteil, den die EEX bieten kann: Wir können lokale japanische Kunden mit unserem internationalen Netzwerk an Kunden verbinden. Gerade jährt sich der Produktstart der EEX für den japanischen Stromterminmarkt zum zweiten Mal. Während es im ersten Jahr darum ging, den Markt gemeinsam mit unseren Kunden aufzubauen, befinden wir uns nun in einer Phase des nachhaltigen Wachstums.

Was ändert sich am Spotmarkt durch die Energiewende, also die zunehmende Einspeisung von erneuerbaren Energien?

Die Stromerzeugung aus Wind und Solar unterliegt naturgemäß einer großen Schwankungsbreite. Um besser auf diese fluktuierende Einspeisung reagieren zu können, haben wir die Produkte am Spotmarkt in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelt. Mittlerweile wird Strom in Viertelstundenintervallen und sogar bis 5 Minuten vor Lieferung gehandelt.

Und was ändert sich am Terminmarkt?

Am Terminmarkt spielt die sehr langfristige Absicherung von Preisrisiken eine immer größere Rolle. Hier sprechen wir von Handelsgeschäften von bis zu zehn Jahren in die Zukunft. Das ist insbesondere für erneuerbare Energien attraktiv, die keine Förderung erhalten. Dadurch sichern sie sich langfristig Preisstabilität für ihren Absatz und damit Investitionssicherheit. Und wir unterstützen das mit geeigneten Produkten und haben im letzten Jahr für drei Märkte (Deutschland, Italien und Spanien) die langfristigen Fälligkeiten von sechs auf zehn Jahre erweitert. Damit können Marktteilnehmer ihr Preis- und Kontrahentenausfallrisiko aus langfristigen Strombezugsverträgen (sogenannten Power Purchase Agreements, PPA) über die Börse absichern.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.