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In moderne Verkehrssysteme hat Japan bereits früh investiert. Neue Mobilitätskonzepte und deren Umsetzung stehen auch weiter auf der Agenda vieler Unternehmen.
23.06.2020
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japan hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 ein integriertes Mobilitätskonzept zu verwirklichen, das mittels moderner Informations- und Telekommunikationssysteme die Transportinfrastruktur und Fahrzeuge miteinander vernetzt. Dadurch sollen Staus verringert, der Umweltschutz gestärkt sowie die Sicherheit und der Komfort für Verkehrsteilnehmer erhöht werden.
Bereits seit langem wird in Japan an verschiedenen Projekten gearbeitet, die auf den Einsatz von Intelligent Transport Systems (ITS) abzielen. Beispielsweise sind die Autobahnen und Ringstraßen um Tokyo mit Verkehrsleitsystemen über den Straßen ausgestattet, so dass Fahrer erkennen können, wo Staus bestehen oder zu erwarten sind. Ein solches System ist in Tokyo seit 1973 in Betrieb.
Um auf den mautpflichtigen Straßen einen reibungslosen Verkehrsfluss zu ermöglichen, hat Japan 1997 ein Electronic Toll Collection (ETC) System eingeführt, das seit 2001 landesweit umgesetzt ist. Bereits seit 1996 bauen japanische Kfz-Hersteller in ihre Modelle Fahrzeuginformationssysteme ein, die Verkehrsdaten in Echtzeit auf Displays übertragen.
In den Aufbau der intelligenten Verkehrssysteme in Japan sind vier Ministerien involviert; eine Vielzahl von Unternehmen entwickelt die erforderliche Hard- und Software. Um die verschiedenen Initiativen zu koordinieren, wurde 2015 eine Public-Private ITS Initiative/Roadmap verabschiedet. Die Roadmaps sind danach mehrmals aktualisiert worden, zuletzt 2019.
Entwicklungsschwerpunkte bilden Technologien rund um automatische Fahrerassistenzsysteme, autonome Fahrzeuge und Mobility as a Service (MaaS). Deren Kommerzialisierung wird nicht nur von den japanischen Automobilunternehmen Toyota, Honda und Nissan vorangetrieben. Dabei wirken auch Unternehmen aus anderen Bereichen mit.
Beispielsweise soll das System "Monet" MaaS-Maßstäbe setzen. Von Softbank und Toyota 2019 gegründet ist eine Vielzahl von Partnerfirmen dem Konsortium beigetreten, um den Kunden vielfältige intermodale Lösungen anbieten zu können. Zudem baut Toyota ein eigenes multimodales Mobilitätsnetz auf, genannt "my route", das nach und nach in verschiedenen Städten Japans eingeführt wird. Dazu arbeitet Toyota mit einer Reihe von Transportdienstleistern zusammen.
In die gleiche Richtung geht das Bahnunternehmen JR East, das seit 2017 mit Partnern das "Mobility Innovation Consortium" gründete (Ende Mai 2020: 153 Mitglieder). Hier geht es ebenfalls darum, eine Plattform für Mobilität zu etablieren, die mit Konzepten der Society 5.0 und der Entwicklung von Smart Cities einhergeht.
Etwas von Grund auf Neues will Toyota mit seiner Vision "Woven City" ab 2021 umsetzen. Auf einem ehemaligen Produktionsgelände des Unternehmens am Fuße des Fuji soll eine smarte, vernetzte Stadt als Modellprojekt entstehen. Bei dem Vorhaben im Umfang von 1,8 Milliarden US$ ist NTT einer der Technologiepartner, um das 5G-Netz und die Datensysteme zu entwickeln, mit denen sich autonome Mobilität und andere Anwendungen verwirklichen lassen.
Japans Telekommunikationskonzerne bauen gegenwärtig mit Hochdruck 5G-Netzwerke auf. Diese sind wichtige Voraussetzungen, um mittels des Internets der Dinge sowie Künstlicher Intelligenz die Datenfülle und die Vielzahl der Akteure im Straßenverkehr kontrollieren zu können und so autonomes Fahren zu ermöglichen.
Zudem hat Japan mit "Michibiki" ein Satellitensystem entwickelt, um neben dem amerikanischen Global Positioning System ein eigenes Positionierungssystem nutzen zu können, das vielfältige Einsatzmöglichkeiten bietet. Wichtig wird dies für Datendienste zu Navigationszwecken, die autonomes Fahren, intelligente Logistik und digitale Landwirtschaft unterstützen.
In diesem Sinne haben die japanischen Unternehmen NTT und Zentrin im März 2020 eine Kooperation vereinbart, gemeinsam eine "4D digital platform" zu entwickeln, die hochpräzise räumliche Daten verarbeitet. Mitsubishi Corp. und NTT haben Ende 2019 gemeinsam einen Anteil von 30 Prozent am Digital Mapping Unternehmen HERE Technologies erworben. Damit sind sie Partner einiger deutscher Firmen als weiterer Investoren in HERE.
Im Zeitraum zwischen 2021 und 2030 will Japan nach und nach autonome Fahrzeuge auf den Straßen zulassen. Denn der demografische Wandel führt zu einem wachsenden Anteil von älteren Einwohnern, die nicht mehr verkehrstauglich sind, wie auch von jüngeren Japanern, die heute keinen Führerschein mehr machen. Mobilität wird jedoch von allen nachgefragt.
Zudem fehlen Japan Lkw-Fahrer. Daher wird autonomes Fahren im Logistikbereich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Mehrere Lkw-Hersteller haben 2018 einen ersten Test mit einem Konvoi autonomer Lkw auf öffentlichen Straßen durchgeführt. Mit autonomem Lkw-Platooning auf Autobahnen soll etwa 2022 begonnen werden.
In Japan kommen über 99 Prozent aller importierten Waren über den Seeweg ins Land. Daher spielt der Containerumschlag in Häfen eine wichtige Rolle. Intermodale Logistik wird in der Praxis bereits umgesetzt beziehungsweise ist im Aufbau, um einen reibungslosen Transport über Straßen in die verschiedenen Logistikzentren und letztlich zum Kunden beziehungsweise Verbraucher zu gewährleisten.
Zukünftig werden intelligente Verkehrssysteme in der Logistik und im Personentransport in der Luft eine neue Dimension erschließen, darunter Drohnen, fliegende Autos oder Air-Taxis. Toyota, Japan Airlines und andere Unternehmen investieren in solche Mobilitätskonzepte. Eine Reihe von Kooperationen mit ausländischen Unternehmen, darunter auch dem deutschen Start-up Volocopter, sind angestoßen.