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Special Japan Seidenstraße
Bei Games kann Japan noch auf einen Know-how-Vorsprung setzen. Bei Künstlicher Intelligenz jedoch ist China schon auf der Überholspur.
08.12.2020
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japan ist der drittgrößte Gaming-Markt der Welt. Für die chinesischen Spielanbieter wie Tencent und Netease allein schon ein Grund, Interesse an Japan zu zeigen. Aber Nippon ist nicht nur wegen der großen Zahl der Nutzer und der hohen Ausgaben im Fokus, sondern vielmehr auch wegen der Vielzahl der dort entwickelten und veröffentlichten Spiele.
Daher haben chinesische Spieleverleger ein Interesse, das in Japan vorhandene Know-how und die Kreativität im Gamingbereich stärker zu nutzen, sei es durch den Erwerb von Lizenzen oder auch durch den Einkauf in die Studios. Der chinesische Technologiekonzern Tencent hat 2020 den bislang größten Vorstoß in den japanischen Markt gewagt und sich in zwei Entwicklungsstudios eingekauft.
Für Japans Gamebranche ist das Segen und Fluch zugleich. Ein großes, noch ungenutztes Potenzial mit einer Vielzahl von Anime- und Comicgeschichten ist vorhanden, für deren Umsetzung aber Kapital gebraucht wird. Kapital hat Tencent ausreichend; gleichzeitig sucht der Technologiekonzern nach neuen Hitspielen. Daher ist Tencent bei den Spielentwicklern Marvelous und PlatinumGames Inc. eingestiegen.
Noch im Jahr 2019 oder vorher hätte dieser Schritt nur kleine Wellen verursacht. Der zunehmende Handels- und Technologiekonflikt zwischen den USA und China hat Tencent jedoch stärker in den Fokus gerückt. Damit kommen alle Unternehmen, die mit Tencent in Geschäftsaktivitäten stehen, in Erklärungszwang. Denn wie sicher sind die Daten, die das chinesische Unternehmen sammelt, gerade wenn es sich um Cloud-basierte Spiele handelt.
Zudem hat der chinesische Spielanbieter Netease laut Pressemitteilungen im Sommer 2020 ein eigenes Entwicklungsstudio in Tokyo eröffnet. Dabei steht im Vordergrund, das Angebot an Games für Spielkonsolen auszubauen. In diesem Segment sind Japans Firmen führend, sowohl was die Konsolenhardware als auch die -software angeht. Nintendo und Sony führen den weltweiten Konsolenmarkt an.
Die Entwicklung und das Angebot von Spielen gehen in beide Richtungen, wobei die chinesischen Unternehmen versuchen, unter anderem der Zensur ihrer Spiele im Heimatmarkt zu entgehen. Sie arbeiten in Japan beispielsweise mit DeNa, einer japanischen Onlineplattform zusammen. Für die japanischen Branchenfirmen sichern die chinesischen Streamingplattformen und sozialen Netzwerke eine weite Verbreitung und damit Lizenzeinnahmen.
Da mobile und Cloud-basierte Spiele zunehmen, kommt der Verbreitung von sozialen Netzwerken eine wichtige Rolle zu. Hierbei ist eine klare Spaltung vorhanden, denn der am stärksten in Japan verbreitete Dienstanbieter LINE ist in China nicht erlaubt. Umgekehrt sind WeChat und TikTok in Japan zwar nicht verboten. Dennoch haben sie im Land der aufgehenden Sonne nur wenig Nutzer. Laut dem Marktforscher ICT Research & Consulting lag Mitte 2020 in Japan die Nutzungsrate von LINE bei 77,4 Prozent, die von TikTok bei 8,1 Prozent.
Beim mobilen Bezahlen ist die Verbreitung von chinesischen Applikationen wie insbesondere Alipay in Japan zwar relativ hoch. Jedoch dürfen diese nur von chinesischen Bürgern zum Bezahlen in Japan benutzt werden, nicht von Japanern. Da in den vergangenen Jahren die Zahl an chinesischen Touristen, die das bargeldlose Bezahlen per Mobiltelefon gewohnt sind, stark gestiegen ist, haben viele Geschäfte in Japan die Alipay-Bezahlmöglichkeit eingeführt. Aufgrund der Ausbreitung des Coronaviruses allerdings ist der Touristenstrom 2020 abrupt gestoppt worden.
Nippon ist für chinesische Unternehmen nicht nur als Spielmarkt und Tourismusdestination von Interesse. Die demografische Entwicklung sorgt ebenfalls für neue Geschäftsaktivitäten. Das chinesische Unternehmen Infervision hat als Anbieter von medizinischen Bilddiagnosesystemen auf Basis Künstlicher Intelligenz bereits früh erste Schritte in dem Absatzmarkt gemacht, da die japanische Bevölkerung altert und medizinisches Fachpersonal fehlt. Mehrere medizinische Einrichtungen in Japan sollen Geräte von Infervision im Einsatz haben. Der Bereich Digital Health hat in Japan hohes Wachstumspotenzial.
In den Bereichen Künstliche Intelligenz, Big-Data-Analyse und Robotik sehen viele junge chinesische Unternehmen eine Chance, in Japan Fuß zu fassen. Denn allgemein wird der Arbeitskräftemangel zunehmen und es werden innovative Lösungen gefragt sein. Diese werden zunehmend in China entwickelt und dann angepasst in Japan angeboten. Teilweise sind es auch chinesische Studenten, die in Japan studieren und hier unternehmerisch tätig werden.
Unter den ausländischen Studierenden ist das Kontingent aus China laut Erziehungsministerium mit rund 40 Prozent das größte. Viele davon studieren in den Branchen Informationstechnik und Software sowie im Maschinenbau. Dort ist der Fachkräftemangel in Japan bereits hoch. Zumeist werden diese Studierenden dann in japanischen Firmen weiter ausgebildet, um später in deren Tochterunternehmen in China zu arbeiten.
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