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Rechtsbericht Kanada Coronavirus

Kanada: Coronavirus und Verträge

Die Covid-19-Pandemie hat in Kanada weitreichende wirtschaftliche Folgen und beeinträchtigt insbesondere auch laufende Vertragsbeziehungen.

Von Jan Sebisch | Bonn

Einleitung

Die Bedrohung durch das neuartige Coronavirus beeinträchtigt die globale Wirtschaft massiv und erschwert Unternehmen die tägliche Arbeit.

In diesem Rahmen ist in rechtlicher Hinsicht für die Unternehmen eine der zentralen Fragen, wie ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf Verträge aussehen, die sie aufgrund der Covid-19-Pandemie möglicherweise nur teilweise oder gegebenenfalls gar nicht mehr erfüllen können.

Im kanadischen Vertragsrecht kann der Ausbruch von Krankheiten oder Seuchen einen Fall "Höherer Gewalt" darstellen, wie ihn sogenannte Force-Majeure-Klauseln vorsehen.

Höhere Gewalt-Klausel in Verträgen

Das Vertragsrecht in Kanada basiert in allen Provinzen außer Québec auf dem Common Law. In diesem Rahmen enthalten Verträge in Kanada in einer Vielzahl von Fällen eine Klausel zur höheren Gewalt (Force Majeure). Sofern eine Vertragspartei eine im Vertrag vorhandene Force-Majeure-Klausel wirksam geltend gemacht hat, richtet sich die rechtliche Wirkung der Klausel nach der hierfür im Vertrag konkret vorgesehenen Vereinbarung. Die meisten Force-Majeure-Klauseln setzen die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch die betroffene Vertragspartei für die Dauer des Ereignisses der höheren Gewalt aus, erlauben aber keine Kündigung. Andere Klauseln wiederum erlauben eine spätere Beendigung des Vertrages, jedoch nur, wenn das Ereignis der höheren Gewalt für eine bestimmte Zeitspanne andauert. In Québec erkennt das Bürgerliche Gesetzbuch den Begriff der höheren Gewalt an, so dass eine Force-Majeure-Klausel in einer vertraglichen Vereinbarung, die unter die Gerichtsbarkeit Québecs fällt, oftmals nicht notwendigerweise erforderlich ist.

Eine Vertragspartei, die sich auf eine im Vertrag existierende Force-Majeure-Klausel berufen möchte, muss zunächst beweisen, dass das vorliegende Ereignis unter die vertragliche Definition der höheren Gewalt fällt. In diesem Zusammenhang enthalten Force-Majeure-Klauseln in der Regel eine spezifische Aufzählung von Ereignissen (zum Beispiel Wetterereignisse oder Krankheiten), die als höhere Gewalt gelten. Diese Ereignisse haben gemeinsam, dass sie außerhalb jeglicher Kontrolle der Vertragsparteien liegen. Sofern das im konkreten Einzelfall vorliegende Ereignis nicht in einer etwaigen Force-Majeure-Klausel explizit als höhere Gewalt aufgeführt ist, besteht die Möglichkeit, dass das Ereignis im Wege der Auslegung der Klausel dennoch unter die vertragliche Definition der höheren Gewalt fällt.

Damit sich eine Vertragspartei auf eine vertraglich vorgesehene Force-Majeure-Klausel berufen kann, ist es nicht ausreichend, dass die entsprechende Klausel das vorliegende Ereignis als höhere Gewalt qualifiziert. Vielmehr ist es zudem noch erforderlich, dass die betroffene Vertragspartei nachweist, dass ein entsprechender Kausalzusammenhang zwischen der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen und dem Ereignis besteht. Ferner definieren die meisten Force-Majeure-Klauseln den Grad der Einflussnahme des Ereignisses auf die Nichterfüllung der vertraglichen Leistungspflichten selbst. Zum Beispiel kann eine Force-Majeure-Klausel vorsehen, dass es ausreichend ist, dass das Ereignis die Leistungserfüllung „verhindert“.

In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, dass, sofern der Grad der Einflussnahme des Ereignisses auf die Nichterfüllung der vertraglichen Leistungspflichten nicht selbst in der Klausel festgelegt ist, die kanadischen Gerichte den Anwendungsbereich von Force-Majeure-Klausel relativ restriktiv auslegen und nur als eröffnet ansehen, wenn das Ereignis die Leistungserfüllung „unmöglich“ macht. Insbesondere sehen die kanadischen Gerichte es als nicht ausreichend an, dass das Ereignis die Leistungserbringung lediglich wirtschaftlich nicht mehr rentabel macht.

Welche rechtlichen Grundsätze greifen, wenn ein Vertrag keine Force-Majeure-Klausel enthält?

Falls ein Vertrag keine Force-Majeure-Klausel enthält, kann unter Umständen die Rechtsfigur der „Frustration of Contract“ (FoC) zum Tragen kommen. Eine „Frustration“ setzt voraus, dass sich die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen aufgrund eines unvorhergesehenen Ereignisses ohne Verschulden der Vertragsparteien nachträglich als praktisch unmöglich herausstellt oder der Charakter des Vertrages sich aufgrund des unvorhergesehenen Ereignisses grundlegend verändert. Im Gegensatz zu der im Vertrag individuell ausgehandelten rechtlichen Wirkung einer Force-Majeure-Klausel führt die „Frustration“ automatisch dazu, dass beide Vertragsparteien von ihren vertraglichen Verpflichtungen entbunden werden.

Force-Majeure-Klausel und FoC als letzte Mittel

Im kanadischen Recht gelten etwaige in Verträgen vorhandene Force-Majeure-Klauseln und die Rechtsfigur der „Frustration of Contract“ als letzte Mittel, die nur zur Anwendung kommen, wenn die Vertragsparteien zuvor alle ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen ausgeschöpft haben. Insofern sich eine Vertragspartei auf eine Force-Majeure-Klausel berufen möchte, muss sie nachweisen, dass es keine wirtschaftlich vernünftigen Alternativen gab, die die Auswirkungen des Ereignisses und dessen Folgen für die andere Vertragspartei hätten mildern können. Ebenso trifft die andere Vertragspartei beziehungsweise den Geschädigten die Pflicht, den Schaden und die Schadensfolgen so gering wie möglich zu halten.

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