Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Special | Kasachstan | Krieg in der Ukraine

Ukraine-Krieg dämpft Wachstumserwartungen

Kasachstans Konjunkturaufschwung gibt 2022 nach. Auch eine leichte Rezession ist denkbar. Das Land nimmt im Konflikt trotz starker Russland-Bindung eine neutrale Haltung ein.

Von Jan Triebel | Almaty

Erstmals seit dem russischen Überfall auf die Ukraine haben Regierung und Zentralbank in Kasachstan ihren Ausblick zur wirtschaftlichen Entwicklung angepasst. Stand Anfang April 2022 rechnen sie zwar mit einem weiter wachsenden Bruttoinlandsprodukt (BIP). Ihre offizielle Prognose senkten sie jedoch von ursprünglich real 3,9 Prozent auf 2,1 Prozent ab.

Ähnlich beurteilen die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die Ratingagentur S&P die Aussichten. Beide Institutionen sagen für Kasachstan 2022 ein Wachstum von 2,0 Prozent voraus. Die Auswirkungen des Krieges könnten durchaus auch stärker durchschlagen und das BIP um 1,3 Prozent schrumpfen lassen, so die Economist Intelligence Unit (EIU).

Antikrisenpaket greift seit Ende Februar

Regierung und Zentralbank hatten frühzeitig verschiedene Maßnahmen abgestimmt, um Kasachstan vor möglichen wirtschaftlichen Folgen des Krieges zu schützen. Der gesamte Plan wurde nicht veröffentlicht und wird bei Bedarf an aktuelle Entwicklungen angepasst. Einige Punkte daraus zeigen in der Praxis aber bereits Wirkung.

Dazu zählen beispielsweise die Instrumente der Zentralbank. Sie erhöhte Ende Februar 2022 den Leitzins von zuvor 10,25 auf 13,5 Prozent per annum. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob dieser Zinsschritt auf Dauer ausreichen wird, um vor allem die Inflation nachhaltig einzudämmen.

Preissteigerungen bereiten Sorgen

Die Inflation schnellte wegen der weltweiten Auswirkungen des Krieges auf die Lebensmittelpreise auch in Kasachstan in die Höhe - zwischen Februar und März 2022 allein um gut 3 Prozentpunkte auf ein Niveau von 12,0 Prozent per annum. Regierung und Zentralbank erwarten, dass sich der Preisauftrieb im weiteren Jahresverlauf leicht beruhigt und zwischen 8 und 10 Prozent einpendelt.

Außerdem intervenierte die Zentralbank seit Kriegsbeginn mehrfach auf dem Devisenmarkt. Die nationale Währung Tenge war zwischenzeitlich deutlich unter Druck geraten. Um sie zu stützen, setzte die Zentralbank allein im März 2022 fast 1 Milliarde US-Dollar (US$) aus ihren Reserven ein. Diese betrugen per Ende Februar 2022 rund 32 Milliarden US$. Hinzu kommen die Aktiva des Nationalen Reservefonds in Höhe von knapp 54 Milliarden US$.

Letzterer steht im Mittelpunkt einer weiteren Antikrisenmaßnahme: Der alljährlich Transfer von Geldern aus dem Reservefonds an den Staatshaushalt wird 2022 merklich höher ausfallen als ursprünglich geplant. Statt umgerechnet 5,1 Milliarden sind nun bis zu 8,5 Milliarden US$ im Gespräch. Mit dem zusätzlichen Puffer im Budget sollen mögliche Mindereinnahmen abgefedert und eventuelle Mehrausgaben bestritten werden.

Neutrale Position im Konflikt

Kasachstan vertritt offiziell eine neutrale Haltung zu den aktuellen Entwicklungen in der Ukraine. Bei Abstimmungen der Vereinten Nationen zu entsprechenden Resolutionen enthielt sich das Land regelmäßig. Auf der anderen Seite wird die territoriale Integrität der Ukraine geachtet. Die Annexion der Krim durch Russland erkennt Kasachstan genauso wenig an, wie auch die beiden Separatistenrepubliken in der Ostukraine.

Von kasachischer Seite gibt es keine Sanktionen gegen Russland. Laut hochrangigen kasachischen Vertretern sollen aber alle Versuche unterbunden werden, von Kasachstan aus die Sanktionen anderer Staaten zu unterlaufen. Gleichzeitig bekennt sich das Land dazu, die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) fortzuführen.

Geschäft russischer Banken vor Ort sanktionsbedingt eingeschränkt

Kasachstan ist kein Ziel der gegen Russland verhängten Sanktionen. Dennoch machen sich einige restriktive Maßnahmen bemerkbar, so etwa im kasachischen Finanzsektor. Drei russische Banken - SberBank, VTB und Alfa-Bank - spielen dort eine aktive Rolle. Die Sanktionen gegen ihre jeweiligen Mutterhäuser beeinträchtigen den Geschäftsverkehr der kasachischen Ableger in unterschiedlichem Ausmaß.

Einige Einfuhren aus Russland genehmigungspflichtig

Auch von Gegenmaßnahmen der russischen Seite ist Kasachstan betroffen. Dabei wirken sich vor allem Schritte aus, mit der Russland seine Eigenversorgung sicherstellen will. So gelten dort seit Mitte März 2022 zeitlich befristete Exportbeschränkungen für Weizen und Weißzucker. Lieferungen nach Kasachstan sind in beiden Fällen genehmigungspflichtig. Ähnlich sieht es bei Landtechnik aus. Auch ein größerer Kreis von Ausrüstungen, die zuvor aus dem Ausland nach Russland importiert wurden, sind betroffen. Nähere Informationen sind hier zu finden.

Russland ist größter Handelspartner für Kasachstan

Russland war 2021 mit einem Anteil von knapp 24 Prozent am Außenhandel erneut Kasachstans wichtigster Handelspartner, so das kasachische Büro für nationale Statistik. Beide Länder tauschten Waren im Wert von mehr als 24 Milliarden US$ aus. Kasachstan bezog in erster Linie Eisen und Stahl sowie Maschinen und Ausrüstungen. Nach Russland wurden hauptsächlich Erze sowie Eisen und Stahl geliefert.

Die Ein- und Ausfuhren mit der Ukraine fallen deutlich geringer aus. Der Umsatz betrug 2021 rund 1 Milliarde US$. Kasachstan importierte aus der Ukraine vor allem Lebensmittel und verkaufte schwerpunktmäßig Erdgas dorthin.

Bild vergrößern

Starke Position Russlands als Investor

Auch durch Investitionen sind Kasachstan und Russland eng verbunden. Per 1. Oktober 2021 standen gut 5,2 Milliarden US$ russischer Direktinvestitionen einem kasachischen Engagement von 1,5 Milliarden US$ in Russland gegenüber, so die Zentralbank Kasachstans. Die Kapitalverflechtung mit der Ukraine hingegen ist nur gering. Aus Kasachstan sind bisher 180 Millionen US$ geflossen, umgekehrt 8 Millionen US$.

Das Bergbauunternehmen KAZ Minerals verfolgt derzeit das größte kasachische Investitionsvorhaben in Russland. In die Kupfer- und Goldlagerstätte Baimskaja im Fernen Osten des Landes sollen in den nächsten Jahren rund 8,5 Milliarden US$ investiert werden. KAZ Minerals hat sich bisher nicht zu möglichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf den Fortgang des Projekts geäußert.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.