Kuala Lumpur forciert den Bau eines Industrieparks für künstliche Intelligenz und eine intelligentere Verkehrsplanung – beides in Kooperation mit chinesischen Partnern.
Waren chinesische Projekte im Rahmen der neuen Seidenstraße unter der Regierung von Premierminister Najib Razak noch sehr willkommen, gerieten sie nach dem Wahlsieg von Mahathir Mohamad recht schnell in Verruf. Dies änderte sich, nachdem es gelang, einige der großen Infrastrukturprojekte nachzuverhandeln und für Malaysia deutlich günstigere Konditionen zu erzielen. Projekte, die zur digitalen Seidenstraße zählen, wurden in dem südostasiatischen Land hingegen von Anfang an weniger kritisch gesehen. Im Gegenteil: sie passen sehr gut zu dem ausgerufenen Ziel, möglichst zeitnah zu den Hocheinkommensländern aufzuschließen. Auch die derzeitige Staatsführung unter Premierminister Muhyiddin Yassin steht derlei Projekten aufgeschlossen gegenüber.
Um bei der jüngeren malaysischen Bevölkerung für erhöhte Akzeptanz für die digitale Seidenstraße zu werben, wurde vom 24. bis zum 30. September 2020 im Rahmen des malaysisch-chinesischen Kultur- und Tourismus-Jahres 2020 eine Kampagne zur digitalen Seidenstraße abgehalten. Die Federführung für das hochrangige Event lag bei der China Culture & Entertainment Industry Association (CCEA). Neben Expertengesprächen mit Jugendlichen der beiden Länder fanden auch E-Sport-Turniere statt.
Bau eines KI-Parks soll fünf Jahre dauern
Neben solchen Werbemaßnahmen sind aber auch einige umfangreiche Projekte wie der größte KI-Park (künstliche Intelligenz) des Landes in Planung. Dieser soll auf dem Gelände des Technology Park Malaysia in Kuala Lumpur errichtet werden. Die Investitionssumme wird auf rund 1 Milliarde US-Dollar geschätzt und die Bauzeit soll etwa fünf Jahre betragen. Das Vorhaben wird in einer Kooperation zwischen dem chinesischen Unicorn SenseTime und dem malaysischen KI-Unternehmen G3 Global umgesetzt. Gebaut werden soll die dafür nötige Infrastruktur von China Harbor Engineering, einer Tochter von China Communications Construction, die auch für den Bau des East Coast Railway Links (ECRL) zuständig ist.
SenseTime wird die technologische Expertise und den Tech-Support für G3 Global liefern. Zusätzlich werden sie gemeinsam Lerninhalte zu künstlicher Intelligenz für malaysische Schulen entwickeln. G3 Global wird im Gegenzug die Produkte von SenseTime in Malaysia vermarkten.
Der KI-Park soll vornehmlich lokalen Unternehmen helfen, Robotik und Spracherkennung zu entwickeln und IT-Talente zu fördern. Anstatt große Summen zu investieren und die Empfängerländer bisweilen in hohe Schulden zu treiben, wie in einigen anderen Seidenstraßenprojekten, wird China sich hierbei auf den Technologietransfer und die Bereitstellung der digitalen Infrastruktur beschränken. Beobachter erkennen darin eine Veränderung beziehungsweise Anpassung der bisherigen chinesischen Strategie. Neben den genannten Schwerpunkten wollen G3 Global und SenseTime gemeinsam Technologien zur Überwachung, Grenzsicherung und Einwanderung entwickeln.
Veränderte Seidenstraßenstrategie Chinas kommt gut an
In Malaysia rennt China mit dieser neuen Strategie offene Türen ein. Man hofft, mit weiteren derartigen Kooperationen neue lohnintensive Hightech-Arbeitsplätze schaffen zu können. Insbesondere erwartet sich das Land dadurch zusätzliche Impulse für seine ohnehin sehr gut aufgestellte Halbleiterindustrie. Die elektronischen Bauelemente seien sozusagen das Gehirn von künstlicher Intelligenz, so James Tee, Geschäftsführer von G3 Global. Im verarbeitenden Sektor beträgt der Anteil der Elektronik- und Elektrotechnikbranche bereits jetzt rund 38 Prozent. Fast 23 Prozent davon entfallen auf die Halbleiterindustrie.
Die Malaysia Digital Economy Corporation (MDEC) hat bereits einen Rahmenplan zur Analyse und Verarbeitung von Big Data auf den Weg gebracht. Aktuell arbeitet sie an Richtlinien für den Einsatz von künstlicher Intelligenz.
Alibabas City Brain soll für besseren Verkehrsfluss sorgen
Bereits 2018 ist die MDEC zusammen mit der Stadtverwaltung von Kuala Lumpur eine Partnerschaft mit Alibaba Cloud Computing eingegangen. Ziel ist es, die von Alibaba entwickelte sogenannte City-Brain-Lösung in der malaysischen Hauptstadt, und damit erstmals außerhalb Chinas, zum Einsatz zu bringen. Städteplaner sollen durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Cloud-Technologie bessere Entscheidungen treffen können. Gleichzeitig dient das System der Verbesserung des Verkehrsmanagements, indem es vorhandene Strukturen analysiert und beispielsweise Ampeln effektiver schaltet.
Mit ins Boot genommen wurde auch der lokale Fahrdienstvermittler Grab (Sitz in Singapur), an dem auch die chinesische PingAn Anteile hält. Grab wird anonymisierte Daten zu Fahrstrecken an die Cloud übermitteln, um dabei zu helfen, besonders stark befahrene Routen zu identifizieren und beim Verkehrsmanagement entsprechend zu berücksichtigen.
Bereits installiert wurde ein intelligentes System für Ampeln, das den städtischen Verkehrsfluss für Einsatzfahrzeuge optimieren kann, um diese schneller ans Ziel zu führen. Die Zeitersparnis beträgt dadurch knapp 50 Prozent.
Chinas Einfluss im digitalen Bereich wächst
Sowohl der KI-Park unter Beteiligung von SenseTime als auch die Einführung der City-Brain-Lösung von Alibaba sind zukunftsträchtige Projekte, die exakt den Bedürfnissen des südostasiatischen Landes entsprechen. Dennoch warnen vor allem internationale Beobachter vor den Risiken einer zu engen Bindung an ein einziges Partnerland wie China. Sicher ist, dass der Einfluss des Reichs der Mitte im digitalen Bereich in Malaysia deutlich zugenommen hat und das Land zunehmend auch die technischen Standards vorgibt. Solange von westlicher Seite nicht ähnlich attraktive Kooperationen und Konditionen angeboten werden, wird sich daran auch nichts ändern.
Von Werner Kemper
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Kuala Lumpur