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Rechtsverfolgung in den Niederlanden

Wer seine Forderungen vor Gericht durchsetzen möchte, muss sich zunächst klar darüber werden, welches Gericht zuständig ist.

Von Dr. Achim Kampf, Nadine Bauer | Bonn

Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in den Niederlanden

Die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) regelt die Modalitäten der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen im Verhältnis Deutschland-Niederlande. Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ist seit Inkrafttreten der Verordnung nicht mehr erforderlich.

Gerichtsorganisation

Die Niederlande sind in elf Gerichtsbezirke mit jeweils einem Bezirksgericht (Rechtbank) unterteilt. Zu jedem Gericht gehören mehrere Kantonsgerichte.

Die Zuständigkeit der Gerichte in den Niederlanden hängt von der Höhe der streitigen Forderung ab: Erstinstanzlich zuständig sind die sogenannten Kantongerechten in Zivilsachen mit einem Streitwert von bis zu 25.000 Euro, Art. 93 der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering). In Pachtangelegenheiten, Mietsachen, Arbeitsrechtsstreitigkeiten und Angelegenheiten des Handelsvertreterrechts sowie bei Verbraucherkaufverträgen sind die Kantongerechten unabhängig vom Streitwert ausschließlich zuständig.

Die Rechtbanken sind erstinstanzlich zuständig für alle Zivilsachen, die nicht zum Aufgabengebiet der Kantongerechten gehören. Erstinstanzliche Entscheidungen können vor dem zuständigen Gerichtshof (Gerechtshof) mit der Berufung angegriffen werden. Bei der Berufung gegen ein Urteil ist grundsätzlich Voraussetzung, dass der Streitwert 1.750 Euro übersteigt, Art. 332 Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering. Gegen die Berufungsentscheidung kann Revision zum Obersten Gerichtshof, dem Hoge Raad, eingelegt werden. Weitere Informationen zur Gerichtsorganisation hält de Rechtspraak online bereit (auf Englisch).

Verfahren

Ein herkömmliches Verfahren beginnt mit einer dagvaarding (Ladung), gefolgt von einer Klagebegründung, die dem Schuldner zugestellt werden müssen. Das Verfahren erfolgt sodann grundsätzlich schriftlich durch eine Klageerwiderung (conclusie van antwoord), mit der auch die Möglichkeit besteht, Widerklage zu erheben. Sollte dies der Fall sein, kann der Kläger innerhalb einer Frist von sechs Wochen hierauf erwidern. Weitere Schriftsätze werden gerichtlich nur zugelassen, wenn das Gericht diese für sinnvoll erachtet, da das niederländische Zivilprozessrecht davon ausgeht, dass der Rechtsstreit mit Abschluss des schriftlichen Verfahrens entscheidungsreif ist.

Das sogenannte kort geding, das sich mit der Einstweiligen Verfügung des deutschen Rechts vergleichen lässt, ermöglicht es dem Kläger, kurzfristig ein vorläufiges Urteil zu erwirken. Das Verfahren findet vor dem Präsidenten der Rechtbank (Landgericht) statt und wird ebenfalls mit einer dagvaarding eingeleitet.

Grundsätzlich besteht bei gerichtlichen Verfahren Anwaltszwang, jedoch nicht für Streitigkeiten, die bei den Kantonsgerichten anhängig sind sowie für Schnellverfahren (kort geding).

Kosten

Die Anwaltsgebühren werden für alle Rechtsstreitigkeiten nach Stunden berechnet, wobei die Stundensätze je nach Art des Verfahrens, der Höhe des Streitwerts, der nötigen Spezialkenntnis des Anwalts, nach Dringlichkeit des Verfahrens und gegebenenfalls nach der Berufserfahrung unterschiedlich hoch sein können. Eine der deutschen Rechtsanwaltsgebührenordnung vergleichbare Regelung gibt es in den Niederlanden nicht. Dementsprechend liegen die tatsächlich anfallenden Rechtsanwaltskosten deutlich über den von der Gegenseite zu ersetzenden Kosten, sodass die obsiegende Partei einen Teil der angefallenen Kosten selbst tragen muss. Eine Honorarvereinbarung ist zulässig und auch zu empfehlen: ein Erfolgshonorar ist in dem Sinne erlaubt, dass im Fall des Obsiegens der Stundensatz höher angesetzt wird als im Fall, dass die Partei unterliegt. Auch ein Pauschalhonorar kann vereinbart werden.

Für das bloße Einziehen einer Geldforderung besteht die Möglichkeit der Vereinbarung eines Inkassotarifs, der sich an der Höhe der Forderung orientiert.

Die Gerichtskosten sind gesetzlich geregelt: In Zivilverfahren gilt das Zivilgerichtsgebührengesetz (Wet griffierechten burgerlijke zaken). Eine Kostenübersicht stellt de Rechtspraak bereit (auf Niederländisch).

Netherlands Commercial Court

Seit dem 1. Januar 2019 haben die Niederlande ein englischsprachiges Gericht, den Netherlands Commercial Court (NCC), der eine Kammer des erstinstanzlichen Gerichts (Rechtbank) Amsterdam ist.

Der NCC ist zuständig, wenn

  • es sich um eine zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeit handelt, über die die Parteien frei bestimmen können und die nicht in die Zuständigkeit der Kantonsgerichte oder der ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts fällt,
  • diese Streitigkeit internationalen Bezug aufweist,
  • die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung in Bezug auf das Gericht in Amsterdam geschlossen haben oder dieses aus anderen Gründen zuständig ist und
  • die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, ein Verfahren vor dem NCC oder dessen nächster Instanz führen zu wollen. Letzteres hat schriftlich zu erfolgen.

Für Berufungen ist der Netherlands Commercial Court of Appeal (NCCA) zuständig. Die Kassation vor dem Hoge Raad (Oberster Gerichtshof) findet hingegen weiterhin auf Niederländisch statt. Die Gerichtskosten für Verfahren vor dem NCC und dem NCCA sind allerdings um ein Vielfaches höher als vor den "übrigen" ordentlichen Gerichten. Sie betragen vor dem NCC 15.856 Euro pro Partei und vor dem NCCA 21.141 Euro pro Partei. Weitergehende Informationen finden sich auf der Webseite des NCC (auf Englisch).

Schiedsgerichtsbarkeit

Das Recht der Schiedsgerichtsbarkeit (Arbitrage) ist in den Artikeln 1020 ff. der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering) enthalten.

Die Vollstreckung von Schiedssprüchen über die Grenze hinweg ist im Verhältnis zwischen Deutschland und den Niederlanden gesichert. Beide Staaten sind dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 beigetreten.

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