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Rechtsbericht Nigeria Coronavirus

Nigeria: Coronavirus und Verträge

Das bevölkerungsreichste Land Afrikas ist ein wichtiger Handelspartner. Können aufgrund des Coronavirus vertragliche Pflichten wegen höherer Gewalt entfallen?

Von Katrin Grünewald | Bonn

Einleitung

In Nigeria wurden bereits frühzeitig harte Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern. So wurden zeitweise Flughäfen und Grenzen geschlossen und dadurch der Personenreiseverkehr eingeschränkt. Außerdem wurde die Einreise aus zahlreichen Staaten erheblich erschwert beziehungsweise verboten. Ausnahmen gelten für nigerianische Staatsangehörige, Personen mit Daueraufenthaltsgenehmigung in Nigeria und Diplomaten. Je nach aktueller Lage können bei der Einreise ein verpflichtender Covid19-Test oder eine Quarantäne erforderlich sein. Darüber hinaus gibt es eine nächtliche Ausgangssperre.

Aufgrund der umfassenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens kann es vorkommen, dass ein Vertrag nicht mehr erfüllt werden kann. Daher stellt sich die Frage: Was sieht das nigerianische Recht in derartigen Fällen vor und gilt die Coronakrise als Ereignis höherer Gewalt?

Vertragliche Regelungen

Höhere Gewalt-Klauseln, auch force majeure-Klauseln, genannt sind Gegenstand zahlreicher Verträge. Daher gilt als erster Schritt, wenn man vor dem Problem steht, einen Vertrag aufgrund der Beeinträchtigungen zur Bekämpfung des Coronavirus nicht mehr erfüllen zu können, einen Blick in den bereits bestehenden Vertrag zu werfen. Anhaltspunkte dafür, wie eine Höhere Gewalt-Klausel formuliert sein könnte, bietet auch die Musterklausel der Internationalen Handelskammer (ICC Force Majeure Clause 2020), deren Geltung vertraglich vereinbart werden kann.

Danach enthalten Höhere Gewalt-Klauseln häufig eine Aufzählung von Ereignissen, die als höhere Gewalt eingestuft werden. Dabei können Verträge allgemeine Begriffe, beispielsweise acts of god, acts of government oder national emergency enthalten. Bei diesen Begriffen ist nicht auf Anhieb klar, ob das Coronavirus darunterfällt. Einfacher wird es bei Begriffen wie Epidemie oder Pandemie. Hierbei dürfte davon auszugehen sein, dass auch die Beeinträchtigungen im Zuge des Coronavirus gemeint sind.

Eine weitere Voraussetzung einer Höhere Gewalt-Klausel ist in der Regel, dass es zwischen dem Ereignis höherer Gewalt und der Nichterfüllung des Vertrages einen kausalen Zusammenhang gibt. Die Beeinträchtigungen durch das Coronavirus müssen somit Ursache für die Nichterfüllung sein. Die ICC-Musterklausel sieht ferner vor, dass die leistungserbringende Partei die andere Partei über die Unmöglichkeit der Nichterfüllung informiert. Der Vertrag kann für diese Informationspflicht eine Frist vorsehen.

Rechtsfolge einer erfolgreichen Berufung auf eine Höhere Gewalt-Klausel ist, dass beide Parteien von ihren vertraglichen Pflichten befreit werden. Außerdem entfällt die Haftung für Schadensersatz wegen Nichterfüllung oder Verzug. Wenn die Beeinträchtigung nur vorübergehend besteht, was bei der Coronakrise häufig der Fall sein dürfte, dann gilt laut ICC-Musterklausel die Leistungsbefreiung nur für die Dauer der Beeinträchtigung. Sobald das beeinträchtigende Ereignis wegfällt, hat die sich auf die Klausel berufende Partei die andere Partei hierüber zu informieren und die Parteien sind wieder zur Erfüllung des Vertrages verpflichtet.

Höhere Gewalt im nigerianischen Recht

Sofern eine Prüfung des anwendbaren Rechts zum Ergebnis kommt, dass nigerianisches Recht anwendbar ist, sollte auch ein Blick in das nigerianische Vertragsrecht geworfen werden. Dieses sieht keine Definition von höherer Gewalt vor. Wer keine vertragliche Regelung vereinbart hat, dem bleibt nur noch die Möglichkeit, sich auf die aus dem Richterrecht entwickelte Doktrin der frustration of contract zu berufen.

Voraussetzung dafür ist, dass ein Ereignis vorliegt, das für die Parteien bei Vertragsschluss unvorhersehbar war. Durch dieses Ereignis muss außerdem die Erfüllung einer vertraglichen Pflicht unmöglich geworden sein oder sich der Charakter des Vertrages grundlegend geändert haben, sodass das Ergebnis der noch möglichen Erfüllung ein völlig anderes als das vereinbarte ist.

Bei einer erfolgreichen Berufung auf die Doktrin der frustration of contract wird der Vertrag beendet. Das Kaufrecht ist in Nigeria auf bundesstaatlicher Ebene geregelt. Somit sind weitere Regelungen zur Rechtsfolge bei der Doktrin der frustration of contract in den jeweiligen Landesgesetzen zu finden. Beispielsweise sieht das Gesetz des Bundesstaates Lagos (Law Reform (Contracts) Law of Lagos‘ State) vor, dass alle bereits gezahlten Geldbeträge erstattet werden. Überdies können Aufwendungen, die in Erwartung der Vertragserfüllung gemacht wurden, erstattet werden.

Wichtig zu wissen ist, dass die nigerianischen Gerichte die Doktrin der frustration of contract sehr restriktiv anwenden. Nicht möglich ist eine Berufung auf diese Doktrin, wenn die Vertragserfüllung durch das Ereignis höherer Gewalt lediglich schwieriger oder teurer geworden ist, selbst wenn damit erhebliche ökonomische Einbußen für den Leistungserbringer verbunden sind. Wirtschaftliche Härte (economic hardship) gilt somit nach nigerianischem Recht nicht als Grund für eine Berufung auf die Doktrin der frustration of contract.

UN-Kaufrecht

Nigeria hat das Übereinkommen zum UN-Kaufrecht nicht ratifiziert. Nichtsdestotrotz ist es möglich, dass auf einen Vertrag mit einem nigerianischen Geschäftspartner das UN-Kaufrecht anwendbar ist.

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