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Special | Westbalkan | Lieferketten
Serbien und Nordmazedonien integrieren sich zunehmend in die Lieferketten der deutschen Autoindustrie. Ausländische Investitionen treiben diese Entwicklung weiter voran.
14.04.2021
Von Martin Gaber | Belgrad
Für die deutsche Automobilindustrie rücken Lieferanten aus dem Westbalkan in den Fokus. Vor allem die Exporte aus Serbien und Nordmazedonien ziehen stark an.
Serbien ist seit rund 10 Jahren ein Standort für ausländische Automobil- und Kfz-Teileproduzenten. Der italienische Autobauer Fiat fertigt seit 2008 das Modell 500L in Kragujevac. Trotz hoher Anfangsinvestitionen von insgesamt 1 Milliarde Euro stehen die Bänder immer wieder still. Das Werk produzierte 2020 insgesamt weniger als 30.000 Automobile. Den Höchststand erreichte die Produktion 2014 mit fast 120.000 Fahrzeugen.
Das Rückgrat der Automobilindustrie in Serbien bilden heute daher nicht mehr Fahrzeughersteller (OEMs), sondern Komponenten- und Systemlieferanten (Tier 1- und Tier 2-Lieferanten). Vor allem ausländische Betriebe haben sich angesiedelt, um ihre Lieferbeziehungen aus Serbien heraus zu bedienen. Fast 20 Prozent der Ansiedlungsprojekte fallen in diesen Bereich, so die serbische Entwicklungsagentur Razvojna Agencija Srbije (RAS).
Die Struktur der Ansiedlungen wandelt sich gerade. Zunächst wurden sehr arbeitsintensive Produktionsschritte nach Serbien ausgelagert. Heute ist der Technologiefokus größer. Deutsche Betriebe gelten als Vorreiter. Die Automobilzulieferer ZF, Continental, Brose oder Bosch betreiben eigene Forschungs- und Entwicklungszentren in Serbien und beschäftigen hochqualifizierte Fachkräfte. Die Unternehmen profitieren von zahlreichen Hochschulen, die rund 7.000 Ingenieure jährlich hervorbringen.
Bild vergrößernNeben zahlreichen Best Practices locken finanzielle Anreize der serbischen Regierung ausländische Investoren ins Land. Die Höhe der Anreize variiert je nach Region und Investitionsvolumen. Daneben schafft die Regierung passende Rahmenbedingungen für Investoren. So wurde seit 2018 mit der Einführung der dualen Ausbildung nach deutschem Vorbild begonnen, um die Verfügbarkeit von Fachkräften zu erhöhen.
Auch Continental berichtet von positiven Erfahrungen: "Von den Behörden in Novi Sad und in Belgrad wurden wir super unterstützt", sagt Werksleiter Lucian Margineanu.
2010 | 2019 | Veränderung 2019/2010 | |
---|---|---|---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | - | 82,04 | - |
SITC 784 Fahrgestelle, Karosserien, Stoßstangen etc. | 16,46 | 68,09 | 313,7 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 56,81 | 331,07 | 482,8 |
Summe | 73,27 | 481,2 | 556,7 |
Neben der langen Tradition in der Autoindustrie und den Anreizen sprechen noch weitere Faktoren für die Region: Eine günstige Lage vor den Toren der EU und kurze Lieferwege garantieren überschaubare Strukturen. Hinzu kommen wettbewerbsfähige Lohnkosten.
Nordmazedonien ist heute ebenfalls ein attraktiver Standort für Tier 1- und Tier 2-Lieferanten der Autoindustrie. Deutsche Zulieferer haben sich angesiedelt. Der Balkanstaat liegt im Ranking des Doing Business Index der Weltbank auf Platz 17 von 190 Ländern.
Neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen fördert die Regierung Investitionen: Eine proaktive Ansprache, direkter Zugang zu Entscheidungsträgern und Subventionen haben viele Investoren überzeugt.
"Neben den Lohnkosten haben uns vor allem die investitionsfreundliche Politik der Regierung und der große Einsatz des Investteams überzeugt," sagt Wolfgang Aicher vom Zulieferer Marquardt. Das deutsche Unternehmen hat sich im nordmazedonischen Veles angesiedelt.
Hinzu kommen spezielle Wirtschaftszonen, sogenannte Technologial and Industrial Development Zones (TIDZ), die neben besonderen Konditionen auch industrielle Infrastruktur zur Verfügung stellen.
Gerade im Automobilsektor, der davor nahezu inexistent war, trägt diese Strategie Früchte. Den Auftakt der Investitionswelle machte das US-Unternehmen Johnson Controls 2007 mit einer 40-Millionen-Dollar-Investition. Daraufhin folgten unter anderem deutsche Unternehmen, die sich allesamt in den TIDZ-Wirtschaftszonen ansiedelten, so eine Studie der Weltbank zur Auswirkung der Reformen auf den Zulieferbereich in Nordmazedonien.
Bild vergrößernPatrick Martens, Geschäftsführer der deutschen Auslandshandelskammer in Skopje, sieht künftig eine Schlüsselrolle für die Region: „Der Westbalkan könnte für die Europäische Union das werden, was Mittelamerika für die Vereinigten Staaten ist: ein Investitions- und Zulieferstandort mit großer geo- und wirtschaftspolitischer Bedeutung. Und das direkt vor der Haustür.“
2010 | 2015 | 2017 | 2018 | 2019 | |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | - | - | 1,4 | 19,1 | 25,1 |
SITC 784 Fahrgestelle, Karosserien, Stoßstangen etc. | 0,2 | 0,7 | 1,2 | 1,6 | 14,5 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | - | 16,1 | 48,2 | 117,7 | 173,6 |
Summe | 0,19 | 16,8 | 50,8 | 138,4 | 213,2 |
Bosnien und Herzegowina versucht, ein aufstrebender Standort für die Zulieferindustrie zu werden. Mit der Prevent-Gruppe gab es bereits einen bedeutenden Zulieferer. Prevent fertigte vor allem Sitzbezüge, aber auch andere Komponenten, für die Volkswagen-Gruppe. Nach einem Preiskampf zwischen dem VW-Konzern und der Prevent-Gruppe im Jahr 2016 standen die Bänder in Wolfsburg still. Die Lieferbeziehungen kamen zum Erliegen. Prevent produziert aber weiterhin für einige OEMs.
Auch deutsche Unternehmen der Zulieferindustrie entdecken das Land für sich. So sind Mann+Hummel, Veritas oder EMKA vor Ort und machen positive Erfahrungen. "Die Leute sind gut ausgebildet, viele sprechen Deutsch. Gleichzeitig sind die Lohnkosten sehr wettbewerbsfähig. Da muss man nicht bis nach Asien gehen. Bosnien und Herzegowina ist unser China – nur logistisch viel besser gelegen", sagt Dr. Ralph Kloth, Leiter für strategischen Vertrieb und Marketing bei der EMKA-Gruppe. Bei besseren Rahmenbedingungen könnte das Land attraktiver werden. Noch gibt es kaum Anreize für Investoren.
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