Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Metallverarbeitung: Laser, schneiden aus Metall | © GettyImages/prescott09

Special | Polen | Beschaffung

Deutschland ist der wichtigste internationale Kunde

Ob Automobilindustrie, Maschinenbau oder Energiewirtschaft - Polens Metallverarbeiter liefern an zahlreiche Branchen. Vor allem das Exportgeschäft könnte weiter zunehmen.

Von Christopher Fuß | Warschau

Für den polnischen Metallverarbeiter SIM Gdynia führt am deutschen Markt kein Weg vorbei. "Wir erzielen 60 Prozent unseres Umsatzes in Deutschland", erklärt Geschäftsführerin Anna Szczypek. Das Unternehmen fertigt mit über 100 CNC-Werkzeugmaschinen unterschiedlichste Dreh- und Frästeile. Die Liste der angebotenen Produkte und Dienstleistungen ist lang. Rund 250 Beschäftigte bedienen die CNC-Maschinen, schweißen und montieren Komponenten für namhafte Industriekonzerne. Zu den Kunden gehören Jungheinrich, STILL, Siemens oder GEA. Geschäftsführerin Szczypek ergänzt: "Unsere größten Abnehmer kommen aus der Fahrzeugindustrie, dem Bahnsektor und dem Bergbau."

SIM Gdynia zählt zu den über 2.200 Unternehmen Polens, die Metallprodukte herstellen. Zahlen von Eurostat unterstreichen die herausragende Bedeutung der Branche. So gehen 2,4 Prozent der Bruttowertschöpfung in Polen auf metallverarbeitende Betriebe zurück. Das ist deutlich mehr als im EU-Durchschnitt. Hier liegt der Anteil bei nur 1,4 Prozent. Obwohl metallverarbeitende Betriebe in allen Landesteilen Polens existieren, stechen vier Regionen als Industriezentren besonders ins Auge: In den Woiwodschaften Sląskie, Małopolskie, Mazowieckie und Dolnośląskie fallen laut Angaben der nationalen Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) rund 50 Prozent der Branchenproduktion an.

26.06.2023 Special | Polen | Beschaffung
"Unsere Unternehmen sind heute wettbewerbsfähiger"

Polens Metallverarbeiter behaupten sich in schwierigen Zeiten. Um im wichtigen Exportgeschäft konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Firmen laut Expertenmeinung aber investieren.

Deutschlands Autoindustrie setzt auf Partner aus Polen

Ähnlich wie SIM Gdynia arbeiten viele Unternehmen für ausländische Märkte. Laut der PKO Bank macht der Export fast die Hälfte aller Branchenumsätze aus. Deutschland spielt als Zielregion die wichtigste Rolle - und gewinnt weiter an Bedeutung. Allein zwischen 2017 und 2022 legte der Wert der polnischen Ausfuhren von Metallwaren und Maschinenteilen nach Deutschland um über 70 Prozent zu, auf zuletzt 8,9 Milliarden Euro. Wichtig: Die Summe steigt auch deshalb, weil deutsche Unternehmen in Polen Tochtergesellschaften gründen. Anschließend versorgen die polnischen Niederlassungen ihre Stammwerke in Deutschland. Das illustriert das Beispiel Volkswagen: In fast 30 Prozent aller Fahrzeuge der Volkswagen-Gruppe steckt ein Aluminiumgussteil aus der konzerneigenen Gießerei in Poznań.

Doch auch Firmen mit polnischem Eigentümer sind wichtige Partner der deutschen Automobilindustrie. Ein solcher polnischer Zulieferer ist Polmotors aus der Woiwodschaft Sląskie. Das Unternehmen stellt Karosserieelemente her, darunter A-Säulen, B-Säulen und Bodenplatten. Mit Kunden wie BMW, Audi und der Stellantis-Gruppe erwirtschaftet Polmotors einen Jahresumsatz von über 120 Millionen Euro. Das Geschäft läuft offenbar gut, denn der Metallverarbeiter baut eine neue Produktionshalle in Bielsko-Biała.

Polnische Metallteile unter Strom

Deutschlands Kfz-Industrie ist nicht der einzige Abnehmer polnischer Metallwaren. Produkte aus Kupfer und Aluminium spielen im Energiesektor eine wichtige Rolle. Hier kommt der polnische Hersteller Electris aus der Woiwodschaft Małopolskie ins Spiel. Mit 150 Beschäftigten stellt das Unternehmen Artikel wie Sammelschienen, Klemmen und Kühler her. Ohne diese Produkte hätten viele Haushalte keinen Strom, denn die Komponenten sind wichtige Bestandteile von Schaltschränken, Trafostationen und Fotovoltaikanlagen.

Die meisten Kunden sind internationale Firmen, erklärt Łukasz Hajdyła, Geschäftsführer von Electris: "Wir liefern unsere Produkte derzeit an mehr als 70 große Unternehmen, die über die ganze Welt verteilt sind. Unser Kernmarkt ist Europa. Deutschland zählt für uns zu den wichtigsten Exportzielen." Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Electris sieht weiterhin großes Potenzial auf dem deutschen Markt: "Unternehmen in Deutschland entwickeln Lösungen für die Elektromobilität, für intelligente Netze oder für Energiespeicher. Das sind alles Technologien, in denen hochwertige Bauteile aus Kupfer oder Aluminium benötigt werden - also Produkte, die wir individuell nach Kundenwunsch herstellen", so Hajdyła. Um in Zukunft noch mehr Aufträge zu bearbeiten, investiert das Unternehmen. Electris will die Produktionshalle erweitern und neue Maschinen einkaufen.

Hinweise zu Transport und Logistik

Polen gehört zu den größten Speditionsdienstleistern in der EU. Das Autobahnnetz des Landes ist seit dem EU-Beitritt 2004 deutlich gewachsen. Es gibt mehrere Schnellstraßen, die direkt nach Deutschland führen, beispielsweise die A2 und die A4. Auf einigen Strecken fallen für Pkw und Lkw Mautgebühren an. Schienengüter aus Polen gelangen in der Regel über Frankfurt (Oder) nach Deutschland.


Die nach Güterumschlag größten Häfen Polens sind Gdańsk, Gdynia und Szczecin-Świnoujście. Außerdem gibt es landesweit 14 Flughäfen.

Das billigste Angebot muss nicht das Beste sein

Polnische Metallverarbeiter konkurrieren in Deutschland mit internationalen Wettbewerbern. Firmen aus Polen können wegen der im EU-Vergleich niedrigen Lohnkosten günstig produzieren. Trotzdem geht es billiger. In Asien liegen die Produktionskosten unter dem Niveau Polens.

Doch spätestens seit die Coronapandemie und Russlands Krieg gegen die Ukraine weltweite Lieferketten durcheinandergebracht haben, setzen die Kunden neue Prioritäten. Das stellt SIM Gdynia Geschäftsführerin Szczypek fest: "Heute geht es nicht nur um den Preis, sondern auch um Qualität und Timing. Polen ist als EU- und NATO-Mitglied ein sicherer Partner. Firmen in Deutschland haben erkannt, dass sie alternative Optionen zu Lieferanten aus Asien brauchen. Das spüren wir. Unsere Zusammenarbeit mit Deutschland ist in den vergangenen drei Jahren gewachsen." Łukasz Hajdyła von Electris ergänzt: "Als Nachbarland von Deutschland hat Polen eine günstige geografische Lage. Wir können schnell und günstig Waren liefern."

Tatsächlich sind Deutschland und Polen nicht nur geografisch Nachbarn. Auch beim Qualitätsverständnis liegen beide Länder nicht weit auseinander. Zertifikate wie ISO 9001 oder ISO 14001 gehören zum Standard. Je nach Kundenschwerpunkt arbeiten Polens Metallverarbeiter gemäß IATF 16949 in der Automobilindustrie oder gemäß EN 15085 bei Schienenfahrzeugen. Schweißzertifikate wie ISO 1090 sind ebenfalls keine Seltenheit.

Eine wachsende Herausforderung für die Metallindustrie sind die Energiepreise. Wie die Marktagentur EMIS berichtet, ist der Anteil der Stromkosten an den Branchenumsätzen allein zwischen 2015 und 2020 um mehr als 78 Prozent gestiegen. Die Situation hat sich bis 2022 weiter verschärft. Hinzu kommt: Die Kohle-intensiven Stromkonzerne Polens müssen teure Emissionszertifikate kaufen. Das treibt den Strompreis weiter in die Höhe.

Einkäufer über Polen

"Die Lieferländer in Mittel- und Osteuropa sind verlässliche Partner"

Die KION Group AG ist ein weltweit operierender Hersteller von Gabelstaplern und Lösungen für die Intralogistik. Der Konzern setzt bei der Beschaffung verstärkt auf Polen und die Region Mittel- und Osteuropa. Warum das so ist, erklärt Karl Knipfelberg, Senior Vice President im EMEA Procurement bei KION.


Herr Knipfelberg, welche Rolle spielt Polen für die Supply Chain von KION?

Wir haben rund 330 Lieferanten in Mittel- und Osteuropa, darunter viele in Polen und Tschechien, aber auch in der Slowakei. Unsere Partner in der Region sind darauf spezialisiert, Komponenten zu einem neuen Bauteil zusammenzufügen.


Gibt es Warengruppen, die besonders gefragt sind?

Wir kaufen in Polen vor allem Metallwaren. Produkte wie Gussteile, Zerspanungsteile und Schweißteile sind wegen der konkurrenzfähigen Energie- und Arbeitskosten vergleichsweise günstig. Ein Wachstumssegment ist die Hydraulik. In diesem Warensegment kaufen wir immer mehr Teile von polnischen Zulieferern. Kunststoffteile bestellen wir hingegen selten in Polen. Bei Elektronikelementen sowie deren Komponenten, darunter Chips oder Controller, gibt es einen Schwerpunkt in Asien.


Was spricht für Mittel- und Osteuropa?

Es gibt hier eine sehr gute Logistikinfrastruktur. Das ist ein wichtiger Vorteil gegenüber alternativen asiatischen Lieferregionen, wie Indien. Außerdem sind die Lieferländer in Mittel- und Osteuropa verlässliche Partner. China zum Beispiel hat zu Corona-Zeiten mehrmals und ohne Vorwarnung wichtige Häfen geschlossen. Bauteile, die wir in der Produktion brauchen, hingen dadurch wochenlang fest.


Vor welchen Herausforderungen stehen die Länder in Mittel- und Osteuropa?

Inflationsbedingt steigen in Ländern wie Tschechien oder Polen die Kosten. Speditionsdienstleistungen sind zum Beispiel deutlich teurer geworden. Dadurch wird es schwieriger, den Warentransport innerhalb Europas so zu organisieren, dass er sich auch rechnet.

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkung

AHK Polen

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen 

Cluster Metallverarbeitung (Klaster Obróbki Metali)

Branchenverband aus Białystok

Ost-Cluster Metallverarbeitung (Wschodni Klaster Obróbki Metali)

Branchenverband aus Lublin

Metallcluster Lubuskie (Lubuski Klaster Metalowy)

Branchenverband aus Gorzów Wielkopolski

Messe Toolex

Jährliche Werkzeugmesse in Kielce

Messe ExpoWELDING

Zweijährige Messe über Maschinen zur Metallbearbeitung in Kielce

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