Mehr zu:
Polen / ChinaSeidenstraße / Digitale Wirtschaft / Tiefbau, Infrastrukturbau / Internet-, Telekommunikationsdienste / IT-Sicherheit / Banken, Kreditinstitute
Branchen
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Special Polen Seidenstraße
Chinas Konzerne hatten beim Wettbewerb um digitale Infrastrukturprojekte zuletzt häufiger das Nachsehen. Nach einem Spionage-Skandal droht Huawei der Verlust von Großkunden.
29.01.2021
Von Lukas Latz | Berlin
Die Versteigerung von 5G-Lizenzen ist in Polen für das Frühjahr 2021 geplant. Durch ein neues Cybersicherheitsgesetz droht Huawei der Ausschluss aus der Auktion.
Noch 2018 hatte Huawei Technologie für Testläufe von 5G-Netzen geliefert. So testete Orange im September 2018 erstmals 5G-Technologie außerhalb von Laboren in der zentralpolnischen Stadt Gliwice. Im Dezember 2018 führte T-Mobile Polska Tests mit 5G-Sendegeräte von Huawei in Warschau durch.
Dann wurden die 5G-Projekte durch eine Spionage-Affäre erschüttert. Im Dezember 2018 hatte der polnische Inlandsgeheimdienst ABW zwei Huawei-Mitarbeiter festgenommen. Einer von ihnen sitzt bis heute in Untersuchungshaft. Wie die polnische Regierung mitteilte, wurde die Anklage gegen sie im November 2020 vor dem Warschauer Kreisgericht eingebracht. Zu den genauen Vorwürfen drang bislang wenig an die Öffentlichkeit. Einer der Angeklagten war früher selbst beim Inlandsgeheimdienst angestellt. Er soll sich Zugang zu vertraulichen Informationen verschafft haben. Durch die Ermittlungen kam die Zusammenarbeit zwischen Polens Mobilfunkunternehmen und Huawei zum Erliegen. Es ist unwahrscheinlich, dass sie erneut aufgenommen wird.
Im September 2019 unterzeichneten die USA und Polen ein Kooperationsabkommen zu Cybersicherheit beim 5G-Ausbau. Darin wurde die Absicht bekundet, nur „vertrauenswürdige“ Unternehmen beim Aufbau von 5G-Netzen zuzulassen. Ein Jahr später hatte die polnische Regierung einen Entwurf zur Reform des Cybersicherheitsgesetzes veröffentlicht. Der Entwurf sieht vor, dass der nationale Rat zur Cybersicherheit (Rządowe Kolegium ds. Cyberbezpieczeństwa) Unternehmen von der Teilnahme an Auktionen um den Ausbau von relevanter Telekommunikationsinfrastruktur ausschließen kann. Grundlage dafür wäre, dass sich das Unternehmen unter maßgeblichem Einfluss eines Staates außerhalb der Europäischen Union (EU) und der North Atlantic Treaty Organization (NATO) befindet und dass es zwischen diesem Staat und der EU kein Datenschutzabkommen gibt.
Ähnlich wie ein in Rumänien diskutierter Gesetzesentwurf könnte der Rat zur Cybersicherheit zudem beschließen, dass Huawei-Technologie in bereits vorhandenen Netzwerken zurückgebaut werden muss. In diesem Fall würden auf die größten polnischen Netzbetreiber hohe Kosten zukommen. Die Verabschiedung des Gesetzes wird für das Frühjahr 2021 erwartet. Dieser Teil des Entwurfs ist jedoch umstritten.
Drei von vier polnischen Mobilfunknetzbetreibern nutzen derzeit Technologie von Huawei in ihren 3G- und 4G-Netzwerken. Nach Angaben der Tageszeitung Gazeta Wyborcza beziehen die beiden größten Betreiber - Orange und T-Mobile Polska - etwa 70 Prozent ihrer technischen Infrastruktur von Huawei. Beim Netz des Anbieters Play bestehen sogar etwa 90 Prozent der Infrastruktur aus Huawei-Technologie. Nach eigenen Angaben erwirtschaftete Huawei in Polen für das Jahr 2019 einen Jahresumsatz von rund 840 Millionen Euro und beschäftigt 3.000 Mitarbeiter.
Im öffentlichen Sektor hat Huawei Großkunden, an die es Hardware, Software- und Cloudlösungen verkauft. Misstrauen gegenüber dem Unternehmen beeinträchtigt jedoch seine Geschäftschancen. Etablierte Stammkunden tun sich trotzdem schwer zu wechseln, wenn Huawei in der Vergangenheit wichtige Bausteine zur betrieblichen Software geliefert hatte.
Die Datenverarbeitung des Finanzministeriums beruht wesentlich auf Huawei-Technologie. Medien, Unternehmer und Cybersicherheitsexperten warnen jedoch zunehmend vor einer Abhängigkeit von der chinesischen Tech-Firma bei kritischer Infrastruktur. Polnische IT-Unternehmen haben sich über eine öffentliche Ausschreibung des Finanzministeriums zum Ausbau ihres Datenzentrums beschwert. Die Ausschreibung sei so formuliert worden, dass die für Huawei typischen Parameter bevorzugt würden. Die Beschwerdekammer der Ausschreibungsbehörde (Urząd Zamówień Publicznych) betonte jedoch die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung.
Huawei hat 2016 ein Datenspeicherungssystem für die Universität Opole installiert. Zudem modernisierte Huawei die IT-Lösungen der staatlichen Sozialversicherung (Zakład Ubezpieczeń Spółecznych; ZUS), der Verwaltung der staatlichen Eisenbahnen (Polskie Koleje Państwowe; PKP) und des staatlichen Energieversorgers Gaz-System. Es ist oft unklar, wie wichtig Huawei für die einzelnen Unternehmen als Softwarezulieferer ist. Die Sozialversicherung ZUS setzt etwa maßgeblich auf Software des polnischen Unternehmens Asseco.
Viele Großkunden für Hardware, Software- und Cloudlösungen hat Huawei zudem im Bankensektor. Nach einem Bericht des Wirtschaftsportals Biznes Interia ist die Bank Polskiej Spółdzielności (BPS) ein wichtiger Kunde des Cloud-Angebots. Huawei hat außerdem die IT-Infrastruktur der Banken PKO, Santander Bank Polska sowie der polnischen Filialen von ING und Crédit Agricole modernisiert. Wie bei den Behörden ist auch bei Banken unklar, wie essenziell Huawei-Lösungen für die betriebliche IT sind. Betroffene Unternehmen haben sich dazu nicht geäußert. Bei Presseanfragen polnischer Medien zur Kooperation mit Huawei verwiesen sie auf die unklare Rechtslage vor Verabschiedung des Cybersicherheitsgesetzes.
Dieser Beitrag gehört zu: