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Special | Polen | Klimaschutz im Dialog

Solarzellen ohne Silizium

Die Fotovoltaik boomt. Doch konventionelle Anlagen haben Schwächen. Sie sind schwer und unflexibel. Abhilfe verspricht die Solarzelle eines polnischen Unternehmens aus Wrocław.

Von Christopher Fuß | Warschau

Solarzellen aus dem Drucker - das ist Teil der Vision von Olga Malinkiewicz. Ihr Unternehmen Saule Technologies produziert in der polnischen Stadt Wrocław Solarzellen auf der Basis von sogenanntem Perowskit. Das Material lässt sich auf dünne Folien auftragen. Welche Vorteile sich daraus ergeben und wie die Technologie beim Umweltschutz hilft, verrät Olga Malinkiewicz im Interview.

Olga Malinkiewicz, Gründerin und CTO , Saule Technologies Olga Malinkiewicz, Gründerin und CTO , Saule Technologies | © Saule Technologies

Frau Malinkiewicz, wie können Solarzellen auf Basis von Perowskit der Firma Saule Technologies zur Energiewende und zum Klimaschutz beitragen?

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der fast jeder Gegenstand eine Energiequelle sein kann. Ein Beispiel: Smartphones mit integrierten Perowskitzellen würden sich selbst wieder aufladen und müssen deutlich seltener ans Ladegerät. Dadurch sinkt der Strombedarf. Ein geringerer Energieverbrauch ist ein wichtiger Schritt zu mehr Klimaschutz.

Denken wir größer: Die Zellen von Saule Technologies lassen sich in Autokarosserien, Lkw-Planen oder Jalousien integrieren. Am Gebäude der Firma Aliplast in Lublin hängen Sonnenschutzpaneele, die mit unseren Perowskit-Zellen bedeckt sind. So schützen die Lamellen nicht nur vor direkter Lichteinstrahlung, sondern versorgen das Gebäude auch mit Strom.

Das wäre mit konventioneller Solartechnik nicht möglich gewesen?

Nein, denn herkömmliche Solaranlagen bestehen zum großen Teil aus Siliziumzellen. Diese sind starr und zerbrechlich. Außerdem haben Siliziumzellen ein hohes Gewicht. Nicht jedes Dach kann sie tragen. Unsere Perowskitzellen befinden sich hier im Vorteil. Sie sind elastisch, dünn und leicht. Wir können die Zellen einfärben und auf fast jede Unterlage drucken, beispielsweise auf elastische Folien. Bei Gebäuden bliebe der Charakter der Fassade erhalten. Das ist wichtig für Architekten. Können Sie sich vorstellen, die Häuserwände Ihrer Stadt mit dunklen Siliziumplatten zu pflastern? Es sähe aus, wie in einem Katastrophenfilm.

Neben der Ästhetik spielt die Energieausbeute eine wichtige Rolle. Können Perowskitzellen mit klassischen Siliziumzellen mithalten?

Absolut. Viel Energie produzieren Zellen auf Siliziumbasis vor allem dann, wenn sie in einem bestimmten Winkel zur Sonneneinstrahlung stehen. Perowskit ist deutlich flexibler. Es kommt sogar mit Kunstlicht zurecht. Dadurch eignet sich die Technologie für den Einsatz in geschlossenen Räumen. Unsere Lösung könnte Sensoren in Fabrikanlagen mit Strom versorgen.

Hier ergeben sich neue Möglichkeiten für Anwendungen im Bereich Industrie 4.0. Bislang müssen viele Komponenten mit Batterien betrieben werden. Die Energiespeicher sind auf Dauer teuer. Ihr Recycling ist aufwendig. Forschende des Fraunhofer-Instituts haben uns bestätigt, dass unsere Lösung basierend auf Perowskit unter typischen Industriebedingungen genug Strom für Steuerungselemente bereitstellt.

Elektronische Preisschilder sind ein weiteres Einsatzfeld. Im November 2021 haben wir ein Produkt, PESL (Perovskite Electronic Shelf Label), auf den Markt gebracht. Bisherige elektronische Preisschilder benötigten Batterien. Die Energie reichte meist nicht aus, um dauerhaft eine Funkverbindung aufrecht zu halten und neue Preise ans Display zu senden. So machten elektronische Anzeigen wenig Sinn. Mit unserer Lösung können die Preise mehrmals am Tag geändert werden.

Das bedeutet, Sie stellen die Zellen mittlerweile in größerem Stil her?

Im Mai 2021 haben wir in Wrocław unsere erste Produktionslinie für Fotovoltaikzellen aus Perowskit in Betrieb genommen - übrigens die erste Anlage dieser Art weltweit. Ganz in der Nähe steht auch unser Labor. Hier arbeiten wir daran, verschiedene Eigenschaften wie die Haltbarkeit und Effizienz unserer Zellen zu verbessern.

Apropos Eigenschaften: Ein Kritikpunkt an Ihren Perowskitzellen ist, dass sie Blei enthalten…

Es ist uns gelungen, den Bleianteil in unseren Zellen deutlich zu reduzieren. Die Mengen, die wir aktuell verwenden, stellen keine Gefahr für die Umwelt dar. Wir arbeiten daran, Blei vollständig aus der Produktion zu streichen.

Überhaupt benötigt man viel weniger Rohstoffe für die Herstellung einer Perowskitzelle als für eine Siliziumzelle. Silizium muss bei 1.410 Grad Celsius geschmolzen werden. Dafür sind gewaltige Mengen Energie nötig. Die Herstellung von Perowskitzellen erfolgt praktisch bei Raumtemperatur. Das ist wesentlich umweltfreundlicher.

Wichtig ist: Jede Perowskitzelle, die dort installiert wird, wo eine Siliziumzelle nicht infrage kommt, bedeutet weniger Umweltverschmutzung durch die Verbrennung fossiler Energieträger.

Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?

Kurzfristig wollen wir mehr Fabriken bauen. Die Fertigungslinie in Wrocław zeigt: Unsere Lösung ist bereit für die Kommerzialisierung. Jetzt müssen wir die Produktion hochfahren. Neue Fabriken müssten um ein Vielfaches größer sein als die Pilotanlage in Wrocław. Dies erfordert eine Menge Geld. Daher suchen wir nach Partnern. Die Kosten für eine Fabrik liegen bei über 45 Millionen Euro.

Aber wir sind zuversichtlich. Wir verfügen über ein hervorragendes internationales Team an Wissenschaftlern. Unser Labor ist eines der modernsten seiner Art in ganz Europa. Weltweit haben Fachleute unsere Technologie geprüft und sind beeindruckt.

Wie wirkt sich der von Russland ausgelöste Krieg in der Ukraine auf Ihr Unternehmen aus? Zahlreiche Unternehmen berichten von Lieferproblemen und fehlenden Rohstoffen.

Viele Menschen befürchten, dass Polen das nächste Opfer der militärischen Aggression Russlands sein könnte. Das wirkt sich auch auf die Stimmung der Anleger aus. Wir bereiten uns auf einen Börsengang vor. Andererseits wächst in Europa das Bewusstsein, dass wir dringend unabhängig werden müssen von fossilen Brennstoffen aus Russland. Dieser Mentalitätswandel hilft Unternehmen wie Saule Technologies.

Glücklicherweise brauchen wir für die Herstellung unserer Zellen keine Rohstoffe aus Russland - oder aus China. Das ist ein wichtiger strategischer Vorteil unserer europäischen Technologie.

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