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Die hohen Infektionszahlen erschweren die Erholung der portugiesischen Wirtschaft. Die wichtige Einnahmequelle Tourismus dürfte sich nur langsam erholen. (Stand: 17. Februar 2021)
Von Oliver Idem | Madrid
Das Jahr 2020 bedeutete für die portugiesische Wirtschaft einen Einbruch in vielen Sektoren. Bereits 2021 soll jedoch eine Trendwende folgen. Wie stark sich die hohen Infektionszahlen darauf auswirken werden, blieb zum Jahresanfang unklar. Darum beinhalten die Prognosen für 2021 einen gewissen Unsicherheitsfaktor.
Die Ausrüstungsinvestitionen in Portugal stürzten nach Annahme der Europäischen Kommission 2020 um 30,7 Prozent ab. Die Herbstprognose legt aber den Schluss nahe, dass viele Investitionen nur aufgeschoben werden. Bereits für 2021 sind die Aussichten mit einem Plus von 15,2 Prozent wesentlich günstiger. Im Folgejahr wird mit einer Zunahme um 9,9 Prozent ein nahezu zweistelliger Zuwachs erwartet.
Das portugiesische Statistikamt kommt zu gemäßigteren Zahlen. Die Aufschlüsselung nach Branchen zeigt, welche Zweige sich in einem schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfeld ihre Investitionskraft erhalten konnten. Die Investitionen in Portugal werden demnach 2020 nominal um 8,9 Prozent zurückgegangen sein. Das geht aus einer Investitionsumfrage des Statistikamtes INE von Juli 2020 hervor. Noch 2019 hatte die Veränderung gegenüber dem Vorjahr plus 4,3 Prozent betragen.
Zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen hat die Umfrage starke Unterschiede ermittelt. Die von den Ausgangsbeschränkungen und dem geschrumpften Auslandstourismus getroffene Hotellerie und Gastronomie fuhr 2020 ihre Investitionen um 47,8 Prozent zurück. Bei der Rohstoffindustrie betrug der Rückgang 24,2 Prozent. In der gesamten Industrie blieben die Investitionen um 21,5 Prozent hinter dem Vorjahreswert zurück. Die exportierenden Industrieunternehmen reduzierten ihre Budgets jedoch nur um 16,8 Prozent.
Den teils drastischen Reduzierungen standen auch Zweige gegenüber, in denen die Investitionen verglichen mit 2019 hochgefahren wurden. Ganz vorne rangierten Lagerung und Transport mit plus 39,6 Prozent. Im Immobiliensektor betrug der Zuwachs 23,4 Prozent.
Der Tourismus in Portugal bekommt die Folgen der Coronakrise besonders stark zu spüren. Im Jahr 2019 besuchten noch 27 Millionen Gäste das Land. Diese brachten Portugal rund 16 Milliarden Euro Einnahmen, was einem Anteil von 8 Prozent am Bruttoinlandsprodukt entsprach.
Infolge von Reisebeschränkungen, Aussetzung und Reduzierung des Flugangebots kamen im Frühjahr kaum noch Gäste aus dem Ausland. Der Rest des Jahres konnte nicht für eine Trendwende sorgen. Das massive Auftreten einer neuen Corona-Variante im Vereinigten Königreich seit Ende 2020 ist auch eine schlechte Nachricht für Portugal. Wenn sich die Virusbekämpfung länger hinzieht, dürfte dieser wichtige Quellmarkt für den portugiesischen Tourismussektor auch 2021 beeinträchtigt bleiben.
Eine Umfrage von Cushman & Wakefield Hospitality bei großen Hotelketten in Spanien und Portugal ergab, dass die meisten erst 2023 wieder mit dem Umsatzniveau von 2019 rechnen. Zum Zeitpunkt der Befragung im November 2020 zeichnete sich ab, dass städtische Hotels dafür länger brauchen werden als solche, die an einer Küste liegen.
Zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung der Pandemie wurden seit September die Vorsichtsmaßnahmen verschärft. Am 9. November 2020 verhängte die Regierung für 15 Tage den Ausnahmezustand und will diesen solange aufrechterhalten, bis sich die Lage stabilisiert. Für Madeira und die Azoren gelten Sonderregeln. Vor Reisen nach Portugal sollten unbedingt die aktuellen Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes berücksichtigt werden.
Der stark reduzierte Tourismus wirkt sich auch auf die Lage der Gastronomie aus. Ähnlich dürften andere Wirtschaftszweige betroffen sein, deren Geschäft stark mit dem Tourismus zusammenhängt. Entsprechend zielt ein Teil der Hilfsmaßnahmen der Regierung auf kleine Unternehmen ab, die in diesem Bereich aktiv sind.
Die Lage der portugiesischen Industrie verschlechterte sich im Frühjahr durch zeitweise ausgesetzte Bestellungen. Im 2. Quartal 2020 stürzte der Produktionsindex entsprechend um 23,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum ab. Im November 2020 lag der Wert noch um 3,6 Punkte unter dem von November 2019.
Die wichtige Kfz-Industrie wurde im Frühjahr 2020 mit großer Wucht von der Pandemie getroffen, konnte sich im Jahresverlauf jedoch erholen. Mit rund 264.200 Fahrzeugen blieb die Fertigung jedoch um knapp 24 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Bei Pkw bewegte sich der Rückgang mit 25 Prozent auf 211.300 Fahrzeuge im Durchschnitt. Leichte Nutzfahrzeuge verzeichneten ein Minus von 14 Prozent auf 49.900 Einheiten. Das negativste Resultat wiesen schwere Lkw mit einem Einbruch um 43 Prozent auf 3.100 Stück auf.
Fahrzeuge werden in Portugal nahezu vollständig für den Export hergestellt. Darum hat die Nachfrage auf den großen europäischen Zielmärkten entscheidende Bedeutung. Dass ein ungeregelter Brexit vermieden werden konnte, dürfte entsprechend auch in Portugal für Erleichterung sorgen.
Die portugiesische Bauwirtschaft wurde auch durch die Coronakrise in Mitleidenschaft gezogen, jedoch schwächer als andere Branchen. Zwischen März und Oktober 2020 ermittelte das Statistikamt ein Umsatzplus von 4 Prozent verglichen mit dem Vorjahreszeitraum.
Die Einzelhandelsumsätze lagen im November 2020 um 4,7 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Mit der Einführung strengerer Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung endete der Positivtrend aus dem September und Oktober. Die Europäische Kommission erwartete im Herbst 2020 für das Gesamtjahr 7,9 Prozent weniger privaten Konsum als im Vorjahr. Für 2021 geht sie von einer Belebung um 4,9 Prozent aus.