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Special | Portugal | Klimawandel lokal

Portugal treibt den Klimaschutz mit EU-Geldern voran

Erneuerbare Energien sind bereits weitgehend in den Strommix integriert. In anderen Bereichen sind noch weitere Anstrengungen notwendig.

Von Oliver Idem | Madrid

Im Fokus des Klimawandels stehen in Portugal Energie und Mobilität. Diese Bereiche haben viele Berührungspunkte mit dem Alltag der Menschen. Staatliche Fördermaßnahmen rücken zudem die Rolle der Industrie ins Blickfeld.

Bei der Betrachtung Portugals sind Unterschiede zwischen dem Festland auf der iberischen Halbinsel und den entfernten Inselregionen Azoren und Madeira wichtig. Auf den Inseln müssen beispielsweise die Energieerzeugung und Verkehrskonzepte anders angegangen werden als auf dem Festland.

Nach der Weltfinanzkrise fuhr Portugal einen Sparkurs. Dieser reduzierte die Verschuldung, aber auch den Spielraum für öffentliche Investitionen. Darum sind die europäischen Aufbauhilfen zur Überwindung der Coronakrise eine außergewöhnliche Möglichkeit, Projekte und Programme anzustoßen. Insgesamt existieren fünf große staatliche Initiativen, die untereinander verzahnt sind und wesentliche Elemente mit Bezug zum Klimaschutz enthalten.

Zu den klassischen Förderstrategien gesellen sich neue Ansätze wie Smart Open Lisboa. Dieses Programm richtet sich an Start-ups, die die Lebensqualität in Lissabon verbessern wollen. Dabei geht es zum Beispiel um Verkehr und Gebäude, aber auch andere Aspekte. Verbindungen zwischen jungen Unternehmen sollen ebenso gefördert werden wie Kontakte zu potenziellen Partnern und Kunden.

Für deutsche Unternehmen bilden die erweiterten Fördermittel eine interessante Perspektive. Dadurch werden bis 2026 viele Investitionen und Programme unterstützt, die Technik und Expertise benötigen. Portugiesische Unternehmen entwickeln zwar ebenfalls Lösungen, zum Beispiel in der Automation und im IT-Sektor. Die Offenheit für deutsche Technik mit ihrem guten Ruf ist jedoch unverändert hoch.

Erneuerbare Energien schaffen Perspektiven für Wasserstoff

Portugal treibt den Ausbau der regenerativen Energien weiter voran. Bis 2030 sollen sie 80 Prozent des inländischen Strombedarfs decken. Im Januar 2022 stammten bereits 60 Prozent des auf dem Festland erzeugten Stroms aus erneuerbaren Quellen. 

Aus dem Aufbau- und Resilienzplan werden auch die Azoren mit 116 Millionen Euro bei ihrer Energiewende unterstützt. Madeira erhält 69 Millionen Euro.

Das Land hat seinen Ausstieg aus der Kohleverstromung vorgezogen. Die spanische Tageszeitung ABC weist allerdings darauf hin, dass Portugal etwa 10 Prozent seines Strombedarfs aus Spanien importiere. Im dortigen Energiemix seien noch Kohle und Kernkraft enthalten.

Lokale Energieressourcen zu nutzen, bietet auch die Chance auf mehr Wertschöpfung vor Ort und weniger Kapitalabflüsse ins Ausland. Portugal importierte 2021 Erdöl und Erdgas im Gesamtwert von 6 Milliarden Euro. Das entsprach genau 3 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Auf der Basis von erneuerbaren Energien kann auch umweltfreundlich Wasserstoff erzeugt werden. Die Rahmenbedingung für den Transport im inländischen Gasnetz und für den Export via Pipeline oder über den Hafen Sines sind günstig. Der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft wird mit Fördermitteln von 185 Millionen Euro aus dem Aufbau- und Resilienzplan unterstützt.

Industrie erhält Unterstützung bei der Dekarbonisierung

Im Aufbau- und Resilienzplan bildet die Entkarbonisierung der Industrie mit 715 Millionen Euro einen Förderschwerpunkt. Es geht um Prozesse und Technologien, die eine emissionsärmere Produktion ermöglichen. Zudem sollen erneuerbare Energien und Speichertechniken stärker in die Industrie integriert werden. Mit dem Strom soll durch mehr Effizienz auch sparsamer gewirtschaftet werden.

Ein Vorreiter in diesem Gebiet ist der Zellulose- und Papierhersteller The Navigator Company. Dieser drittgrößte Exporteur Portugals im Jahr 2020 wandelt an seinen drei Standorten Biomasse in Wärme und Strom um. Bis 2035 will das Unternehmen CO2-neutral produzieren. Mittlerweile erzeugt die Navigator Company mehr Strom, als sie selbst verbraucht. Durch die Einspeisung ihrer Überschüsse trägt sie zur Energiewende in Portugal insgesamt bei.

Die staatlichen Pläne für eine nachhaltigere Industrie reichen über reine Energiefragen hinaus. Im Aufbau- und Resilienzplan stehen die Zweige Textilien, Bekleidung und Schuhe im Blickpunkt. Hier sollen Biomaterialien eingesetzt und die Kreislaufwirtschaft angestrebt werden. Zudem sollen mehr natürliche Harze in Portugal erzeugt und mit ihren Nachhaltigkeitsvorteilen vermarktet werden.

Hoher Investitionsbedarf bei der Gebäudesanierung

Die Regierung errechnete Anfang 2021 einen Investitionsbedarf von 143,5 Milliarden Euro bis 2050 alleine bei bestehenden Gebäuden. Davon entfallen 110,1 Milliarden Euro auf Wohngebäude. Die Langzeitstrategie zur Gebäudesanierung sieht unter anderem den Austausch von Anlagen und eine stärkere Einbeziehung von erneuerbaren Energien vor.

Mit dem Aufbau- und Resilienzplan soll auch dieses Ziel vorangetrieben werden. Dieser enthält 300 Millionen Euro für Wohngebäude, 240 Millionen für Bauten der öffentlichen Verwaltung sowie 70 Millionen für Gebäude im Dienstleistungssektor.

Umfangreicheres und klimafreundlicheres Mobilitätsangebot

Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel soll durch den Ausbau von Metro- und Eisenbahnstrecken attraktiver gestaltet werden. Bis 2025 sollen außerdem 15.000 Ladestellen für Elektrofahrzeuge entstehen. Daraus errechnet sich ein jährlicher Zubau von 2.300 Ladestationen.

Zudem enthält der Aufbau- und Resilienzplan 48 Millionen Euro zur Unterstützung der Verkehrswende. Hier liegt der Fokus auf dem veralteten Fuhrpark des öffentlichen Nahverkehrs. Für Abhilfe sollen 145 neue klimafreundliche Busse und Lade- beziehungsweise Betankungsmöglichkeiten sorgen.

In Portugal existiert bereits eine lokale Bus-Produktion. Der Hersteller CaetanoBus baut unter anderem Busse mit Elektro- und Wasserstoffantrieb.

Es zeichnet sich die Tendenz ab, dass Elektrofahrzeuge für Aktivitäten mit eher begrenztem Radius genutzt werden. Wasserstoff könnte die Ergänzung zum Beispiel für Züge, Schwertransporte auf der Straße oder größere Distanzen sein.

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