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Rumänien erhöht Budget für Verteidigung
Am Schwarzen Meer entsteht ein neuer NATO-Stützpunkt. Rumänien rüstet auf und stützt die heimische Industrie. Kooperationsverpflichtungen werden aber gelockert.
23.07.2025
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Der russische Angriff auf die Ukraine berührt Rumäniens Sicherheitsinteressen unmittelbar. Das Land ist als direkter Nachbar der Ukraine betroffen: als Anrainer des Schwarzen Meers einem der Kriegsschauplätze im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Von Rumänien aus verteidigt die NATO den Luftraum und damit die Sicherheit von Europa.
Auch im Schwarzen Meer sind die NATO-Mitglieder aktiv und sichern Handelsschiffe. Die rumänische Marine kooperiert auf militärischer Ebene gemeinsam mit Bulgarien und der Türkei, um See- und Treibminen zu erkennen und zu beseitigen.
Angesichts der wachsenden Bedrohungen haben die NATO-Staaten im Juni beim Gipfeltreffen in Den Haag vereinbart, ihre Ausgaben für Verteidigung massiv zu erhöhen. Rumänien zeigt sich bereit, dieses Ziel einzuhalten und will bis 2035 jährlich bis zu 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Sicherheit und Verteidigung ausgeben. Dazu gehören mindestens 3,5 Prozent des BIP direkt für die Verteidigung und 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur. Darunter fallen Investitionen in Bahnstrecken, panzertaugliche Straßen, Brücken und Häfen.
Rumänien erweitert NATO-Stützpunkt zum größten Standort in Europa
Ein strategisch wichtiger Stützpunkt für die NATO ist der rumänische Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogălniceanu, rund 15 Kilometer entfernt vom Schwarzen Meer. Rumänien erweitert diesen Stützpunkt und investiert dafür rund 2,5 Milliarden Euro, unabhängig von den USA. Dieses Projekt wird Medienberichten zufolge ab 2040 fertig sein.
Das Areal am Standort Mihail Kogălniceanu wird derzeit um 2.300 Hektar auf 3.000 Hektar erweitert. Geplant ist der Bau von neuen Hangars, Landebahnen und Kasernen für 10.000 Einsatzkräfte und Wohnungen für rund 30.000 Angehörige. Dort entsteht eine neue Kleinstadt mit Schule, Supermärkten, Krankenhaus und Kindergarten. Damit liegt in Rumänien der flächenmäßig größten NATO-Standort in ganz Europa. Zum Vergleich: Ramstein, der größte US-Stützpunkt in Europa, erstreckt sich auf einer Fläche von 1.400 Hektar. Dort sind rund 9.000 Soldaten stationiert, dazu rund 12.000 Angehörige.
Für das Jahr 2025 plant das rumänische Verteidigungsministerium ein Haushaltsbudget in Höhe von 43 Milliarden Lei (umgerechnet 8,6 Milliarden Euro). Davon sind allein 14 Milliarden Lei oder 32,2 Prozent für militärische Ausrüstung vorgesehen. Das rumänische Parlament muss Beschaffungen im Wert von mehr als 100 Millionen Euro genehmigen. Diese Vorhaben bieten Unternehmen wie Rheinmetall, Hensoldt oder Diehl sowie für deren Zulieferer die Möglichkeit, in den rumänischen Markt einzusteigen.
Diese großen Beschaffungen plant Rumänien im Zeitraum 2025-2028
1. Landsysteme
- Ketten- und Radkampffahrzeuge: Gepanzerte Mannschaftstransporter (APCs), Schützenpanzer (IFVs) und Kampfpanzer (MBTs)
- Artilleriesysteme: Multiple Launch Rocket Systems (MLRS) mit mittlerer und großer Reichweite, 155 mm und 105 mm Panzerhaubitzen
- Munition
2. Luftfahrtsysteme
- Kampfflugzeuge und Transportflugzeuge: Beschaffung von Kampfflugzeugen der 5. Generation, Transport- und Kampfhubschrauber (mittelschwer und schwer), Drohnen der Klassen 2 und 3 mit verbesserten Fähigkeiten für Überwachung und Angriff
- Bodengestützte Luftverteidigungssysteme: SHORAD (Short-Range Air Defence), V-SHORAD (Very Short-Range Air Defence), und MANPADS (Man-Portable Air Defence Systems).
3. Marinesysteme
- Kampfschiffe: Modernisierung von Fregatten des Typs 22-R, Beschaffung von multifunktionalen Korvetten, Raketenboote und Minenabwehrschiffen
- Fähigkeiten zur U-Boot-Bekämpfung (zum Beispiel Torpedos).
- Unterstützungsschiffe: Hafen- und Seeschlepper, logistische Unterstützungsschiffe und Plattformen für Operationen von Spezialkräften
4. C4ISR-Systeme (vernetzte Gefechtsführung)
- Kommunikations- und Kontrollinfrastruktur: Führungs- und Leitsysteme
- Überwachung und Aufklärung: Optische und optoelektronische Systeme, Radare und ISTAR
- Plattformen (Intelligence, Surveillance, Target Acquisition, Reconnaissance).
- Cybersecurity und IT-Systeme: Netzwerksicherheitslösungen und Satellitenkommunikationssysteme (SATCOM)
5. Spezialisierte Ausrüstung
- Einzel- und Gruppenbewaffnung: NATO-kompatible Waffen, CBRN Detektions-/Schutzsysteme.
- Tragbare Panzerabwehrraketensysteme.
- Technische Ausrüstung und Ausrüstung zur Bekämpfung von IED: Werkzeuge zur Neutralisierung improvisierter Sprengsätze und zum Aufbau von Gefechtsfeldinfrastruktur.
Quelle: Pressemitteilung des rumänischen Verteidigungsministeriums vom 4. Februar 2025.
EU-Programme stimulieren Verteidigungsindustrie zusätzlich
Zusätzlich plant das rumänische Wirtschaftsministerium für 2025 rund 222 Millionen Euro in die lokale Rüstungsindustrie zu investieren. Ziel ist, erstens die rumänische Verteidigungsindustrie wiederzubeleben, zweitens deren technologische Basis zu stärken. Konkret will Rumänien bei Aufträgen von internationalen Unternehmen einen gewissen Grad der Wertschöpfung im Land behalten. Der Wert der geforderten Wertschöpfung wird dabei individuell festgelegt. Die rumänische Regierung hat zudem angekündigt, Kredite des Programms Readiness 2030 (ReArm) prioritär für anstehende Beschaffungen nutzen zu wollen.
Deutschland und Rumänien bündeln Kräfte
Rumänien und Deutschland schlossen am 18. Juli 2025 einen gemeinsamen Aktionsplan, unter anderem für engere Zusammenarbeit in der Rüstungspolitik. "Wir bauen Rüstungskooperationen auf, um innerhalb der NATO Kapazitäten zu schaffen", sagte Bundeskanzler Friedrich Merz bei der Pressekonferenz dazu in Berlin. Dabei unterstütze die Bundesrepublik Investitionsvorhaben deutscher Unternehmen in die rumänische Rüstungsindustrie, so der Bundeskanzler. Rheinmetall plant beispielsweise den Bau einer Fabrik für Schießpulver in Rumänien.
Es gibt unterschiedliche Beschaffungsvorgänge
Um die Entwicklung der Rüstungsindustrie voranzubringen, hat die rumänische Regierung das Gesetz über Kooperationsverpflichtungen bei Rüstungsbeschaffungen reformiert: Während bisher eine pauschale Verpflichtung zur lokalen industriellen Kooperation in Höhe von 80 Prozent des Vertragswertes bestand, kann der Wert nun individuell durch Wirtschafts- und Verteidigungsministerium (umgesetzt durch die Agentur ARCTIS) festgelegt werden.
Grundsätzlich gilt eine Verpflichtung zur Kooperation, wenn der Vertragswert 10 Millionen Euro übersteigt. Dabei erlaubt Rumänien ausländischen Investoren, die Gründung von Joint-Ventures mit einem der 15 staatlichen Rüstungsbetrieben, wie beispielsweise IAR Brasov, Carfil S.A., Fagaras Poweder Plant, Uzina Automecanica Moreni. Diese firmieren als Tochterunternehmen in der staatlichen Holding ROMARM. Erfolgreiche Beispiele für Joint-Ventures sind Airbus mit IAR Brasov, Rheinmetall mit Fagaras Poweder Plant, Elbit Systems mit Automecanica Moreni und Lockheed Martin mit dem Unternehmen für Forschung und Entwicklung von ROMARM.
Dennoch weicht die öffentliche Vergabe im Sicherheits- und Rüstungsbereich von den üblichen Vergabeverfahren ab. Es gibt zum Beispiel Direktvergaben zwischen Regierungen, beispielsweise über das Programm Foreign Military Sales der USA.
Das Verteidigungsministerium kann über Gemeinschaftsprogramme, wie beispielsweise der NATO Support and Procurement Agency (NSPA) oder der European Sky Shield Initiative (ESSI) Rüstungsgüter auch ohne Ausschreibung beschaffen. Möglich sind auch Direktvergaben, zum Beispiel wenn es nur einen Anbieter für ein Rüstungsgut mit einem speziellen Material gibt oder ein dringender Bedarf besteht. Auch im Rahmen der Nutzung der neuen EU-Kreditlinien ReArm ergeben sich Möglichkeit der Direktvergabe dank Gemeinschaftsbeschaffung.
Eine Gelegenheit zur Vernetzung mit rumänischen Entscheidungsträgern und potenziellen Partnern bietet die in Bukarest alle zwei Jahre stattfindende Rüstungsmesse Black Sea Defence, Aerospace and Security International Exhibition (BSDA).
So finden Sie aktuelle Ausschreibungen:
Zuständig für den Beschaffungsvorgang ist die rumänische Generaldirektion für Rüstung. Hier finden sich auch einzelne Informationen über laufende Beschaffungsvorgänge und Kontaktinformationen. Ausschreibungen sind auf der Vergabeplattform SEAP zu finden.
Für alle Beschaffungen mit internationaler Bedeutung übernimmt das staatliche Unternehmen C.N.Romtehnica die konkrete Abwicklung der Beschaffungen im Auftrag des Verteidigungsministeriums. Damit dient es als Vermittler zwischen der Privatwirtschaft und dem Ministerium. Vor der Lancierung von Beschaffungsvorgängen erstellt C.N.Romtehnica Marktstudien und kontaktiert hierzu Hersteller mit Auskunftsersuchen (Request for Information RFI). Hersteller können sich etwa an C.N. Romtehnica wenden, um Produkte auch für die rumänischen Streitkräfte zu präsentieren. Ansprechpartner ist Razvan Mincu, der Generaldirektor.
Institution | Anmerkung |
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Botschaft Bukarest | Deutsche Vertretung in Rumänien und Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
AHK Rumänien | Anlaufstelle für deutsche Unternehmen |
Verteidigungsministerium | Ansprechpartner für internationale militärische Beziehungen |
Generaldirektion für Rüstung | Informationen zu laufenden Beschaffungsvorgängen und Zertifizierungen |
C.N. Romtehnica | Staatliches Unternehmen und Bindeglied zwischen der rumänischen Verteidigungswirtschaft und den staatlichen Organisationen |
Beschaffungsportal SEAP | Publikation von Ausschreibungen und Beschaffungsprogrammen der staatlichen Organisationen |