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Branchen | Russland | Maschinen- und Anlagenbau

Deutsche Maschinenbauer spüren massive Folgen des Ukrainekriegs

Der Ukrainekrieg beeinträchtigt Exporte der Branche nach Russland. Westliche Maschinenbauer stellen ihr lokales Geschäft ein. Lieferengpässe bei Metall führen zum Bandstillstand.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Russland spielt als Absatzmarkt für deutsche Maschinenbauer nur eine untergeordnete Rolle. Hersteller aus Deutschland lieferten im Jahr 2021 Maschinen und Anlagen im Wert von rund 5,5 Milliarden Euro ins größte Flächenland der Welt, meldet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Das entspricht einem Zuwachs von 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, in dem wegen der Coronapandemie die Exporte massiv eingebrochen waren. Der ukrainische Maschinenmarkt spielt für deutsche Hersteller mit einem Exportvolumen von 1,1 Milliarden Euro eine noch geringere Rolle.

Bedeutung des russischen Marktes überschaubar

Für die meisten deutschen Exporteure und Produzenten von Maschinen und Anlagen liegt der Anteil des Russlandgeschäfts im einstelligen Prozentbereich. Der Ditzinger Maschinenbauer Trumpf verdient weniger als 1 Prozent seines Gesamtumsatzes in Russland. DMG Mori erwirtschaftet vor Ort weniger als 2 Prozent seines Konzernumsatzes. Dabei eröffnete der deutsch-japanische Konzern im September 2015 eine lokale Fertigung von Werkzeugmaschinen im Gebiet Uljanowsk. Auch beim Werkzeug- und Stahlhersteller Bessey lag der entsprechende Anteil 2021 unter 1 Prozent. Die Düsseldorfer SMS Group erzielte 2021 mit Ausrüstung zur Herstellung von Eisen und Stahl rund 6 Prozent des Konzernumsatzes in Russland. Einstellig ist der Anteil Russlands am Gesamtumsatz auch beim lokalisierten Landtechnikhersteller Claas.

Sanktionen schränken Maschinenexporte nach Russland massiv ein

Deutsche Maschinenbaubetriebe rechnen aufgrund des Ukrainekrieges mit wirtschaftlichen Einbußen. Rund 45 Prozent der Unternehmen erwarten direkte Folgen der westlichen Sanktionen gegen Russland auf ihr Geschäft, ergab eine Blitzumfrage des VDMA vom März 2022. Mit indirekten Auswirkungen wie höheren Energiekosten, der Verunsicherung ihrer Kunden sowie der Rubelabwertung rechnen vier von fünf teilnehmenden Firmenvertretern.

Die Europäische Union (EU) erweiterte mit ihrem fünften Sanktionspaket vom 8. April 2022 die Ausfuhrverbote nach Russland. Betroffen sind unter anderem folgende Waren und Technologien:

  • Ausrüstung für die additive Fertigung von Metallteilen,
  • digital kontrollierte Werkzeugmaschinen mit einer oder mehreren Linearachsen mit einem Verfahrweg größer als 8000 mm,
  • Messer und Schneidklingen für Maschinen und Geräte für die Holzbearbeitung (KN Code: 8208 20),
  • Messer und Schneidklingen für Maschinen und Geräte für die Nahrungsmittelindustrie (8208 30),
  • Messer und Schneidklingen für Maschinen und Geräte für die Landwirtschaft, den Gartenbau oder die Forstwirtschaft (8208 40),
  • Planiermaschinen (Bulldozer und Angledozer) (8429 19),
  • Schrämmaschinen und andere Abbaumaschinen sowie Tunnelbohrmaschinen und andere Streckenvortriebsmaschinen (8430 39),
  • Maschinen und Apparate zum Fertigstellen von Papier und Pappe (8439 30),
  • Hochdruckmaschinen, -apparate und -geräte, andere als Rolldruckmaschinen, ausgenommen Flexodruckmaschinen, -apparate und -geräte (8443 15),
  • Hobelmaschinen, Waagerecht- und Senkrechtstoßmaschinen, Räummaschinen, Verzahnmaschinen, Zahnfertigbearbeitungsmaschinen, Sägemaschinen, Trennmaschinen und andere Werkzeugmaschinen zur spanabhebenden Bearbeitung von Metallen oder Cermets (8461 90),
  • Bearbeitungszentren (8465 20),
  • Schleif- und Poliermaschinen (8465 93),
  • Maschinen, Apparate und Geräte für den Straßen-, Hoch- oder Tiefbau oder für ähnliche Arbeiten (8479 10),
  • Pressen zum Herstellen von Span- oder Faserplatten aus Holz oder anderen holzartigen Stoffen und andere Maschinen und Apparate zum Behandeln von Holz oder Kork (8479 30),
  • Industrieroboter (8479 50).

Westliche Maschinenbauer fahren Russlandgeschäft herunter

Ausländische Maschinenbaufirmen stellen seit Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine ihre Geschäfte in Russland weitgehend ein. Wegen der Sanktionen dürfen kaum noch Maschinen oder Ersatzteile dorthin geliefert werden. Der Zahlungsverkehr ist durch den Ausschluss von sieben russischen Banken vom SWIFT-System beeinträchtigt. Die Lkw-Fahrverbote im 5. Sanktionspaket der EU und spiegelbildliche Maßnahmen von Belarus führen zu Engpässen in der Transportlogistik. Die russische Regierung droht marktbestimmenden ausländischen Unternehmen, die sich aus Russland zurückziehen wollen, mit einer Fremdverwaltung ihrer lokalen Tochtergesellschaft.

Deutsche Maschinenbauer legen ihr Russlandgeschäft auf Eis. Claas setzt die Herstellung von Landmaschinen im Gebiet Krasnodar aus. Der Dortmunder Pumpenhersteller Wilo stoppte alle Warenlieferungen nach Russland. Jungheinrich stellte Anfang März 2022 die Lieferungen von Flurförderfahrzeugen nach Russland ein. Der Lagerlogistikhersteller Kion Group prüft den Verkauf seines Russlandgeschäfts.

Welche westlichen Maschinenbauer schränken ihr Russlandgeschäft ein? (Auswahl)

Unternehmen

Präsenz auf dem russischen Markt

Maßnahme

Alstom

Lieferung von Ausrüstung zur Produktion Schienenfahrzeugen

Einstellung der Lieferungen und der Investitionen

Atlas Copco

Lieferung von Kompressoren

Einstellung der Lieferungen

Andritz

Lieferung von Ausrüstung für die Zellstoff- und die Stahlindustrie

Einstellung des Neugeschäfts

Bosch

Drei Produktionswerke für Haus- und Thermotechnik sowie Kfz-Teile in Sankt Petersburg, Engels und Samara im Gebiet Samara

Einstellung eines Teils der lokalen Produktion und der Lieferungen

Caterpillar

Produktionswerk für Bau- und Bergbaumaschinen im Gebiet Leningrad, Distributionszentrum in Moskau

Einstellung der lokalen Produktion

Claas

Produktionswerk für Landmaschinen in der Region Krasnodar

Einstellung der lokalen Produktion

DMG Mori

Produktionswerk für Werkzeugmaschinen im Gebiet Uljanowsk

Einstellung der Geschäftstätigkeit

Grundfos

Produktionswerk für Pumpen im Gebiet Moskau

Einstellung der Geschäftstätigkeit

John Deere

Produktionswerk für Land- und Baumaschinen im Gebiet Orenburg

Einstellung der Lieferungen

Jungheinrich

Lieferung von Flurförderfahrzeugen

Einstellung der Lieferungen

Komatsu

Produktionswerk für Bergbautechnik und Forstmaschinen im Gebiet Jaroslawl

Einstellung der Lieferungen

Kone

Lieferung von Fahrstühlen und Rolltreppen

Einstellung der Lieferungen nach Russland; kein vollständiger Rückzug geplant

Miele

Lieferung von Haushaltstechnik

Einstellung der Tätigkeit, Ausnahme: Gesundheitswirtschaft

Otis

Produktionswerk für Fahrstühle und Rolltreppen in Sankt Petersburg

Einstellung der Investitionen und Auftragsannahme

Sandvik

Lieferung von Bergbauausrüstung

Einstellung der Geschäftstätigkeit

Siemens

Joint-Venture mit Sinara "Uralskyje Lokomotivy" zur Produktion von Lokomotiven

Einstellung der Lieferung und des Neugeschäfts; Wartungsarbeiten werden fortgesetzt

SKF

Produktionswerk für Wälzlager im Gebiet Twer

Einstellung der Produktion und Lieferung

Wilo

Produktionswerk für Pumpen im Gebiet Moskau

Einstellung der Lieferungen

Quelle: Yale School of Management, Tageszeitung Kommersant, Recherchen von Germany Trade & Invest

Ukrainekrieg verschärft Lieferengpässe

Deutsche Maschinenbauer beziehen bestimmte Bauteile und Vorprodukte aus der Ukraine und Russland. Der Anteil russischer Wertschöpfung an einer deutschen Maschine im Wert von 100.000 Euro liegt bei 940 Euro, berechnete das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Davon entfallen 270 Euro auf Energie sowie 670 Euro auf andere Rohstoffe wie Metalle oder elektrotechnische Erzeugnisse.

Drei Viertel der Maschinenbauer beklagen merkliche oder gravierende Beeinträchtigungen durch gerissene Lieferketten, ergab die VDMA-Umfrage. Die Kriegshandlungen verzögern Lieferungen von Vorprodukten aus Russland und der Ukraine. Die EU erweiterte in ihrem 5. Sanktionspaket das Importverbot für bestimmte Eisen- und Stahlerzeugnisse aus Russland. Betroffen sind unter anderem kalt- und warmgewalzte Bleche aus nicht legiertem oder anderem legiertem Stahl, Bleche mit metallischem Überzug oder Stäbe und Leichtprofile aus nicht rostendem Stahl.

Der Ukrainekrieg verstärkt die seit der Coronapandemie auftretenden Lieferengpässe. Auf die Sperrung des EU-Luftraums für russische Flugzeuge reagierte Russland mit einem Flugverbot für Maschinen aus der EU. Durch Ausweichrouten über den Nahen Osten verzögern und verteuern sich Lieferungen von Mikrochips und Halbleitern aus Asien.

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