Mehr zu:
Russland / KanadaKonnektivität / Schiffsverkehr, Häfen / Transport und Logistik, übergreifend / Bergbau und Rohstoffe, übergreifend / Öl, Gas / Seidenstraße
Wirtschaftsumfeld
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Special | Arktis | Konnektivität
Der Seehandel durch die Arktis bleibt trotz Klimawandel gering und riskant. Deutsche Schwergutreedereien berichten: Trotzdem kann die Strecke sehr einträglich sein.
15.04.2021
Von Lukas Latz | Berlin
Durch die Arktis führen zwei Seewege: die Nordwestpassage entlang der kanadischen Nordküste und die Nordostpassage entlang der russischen Küste.
Auf der Nordwestpassage ist der Wasserstand auf einigen Teilstrecken sehr flach. Mit dem Hafen von Churchill gibt es nur einen Tiefseehafen auf der Strecke. Zum Abtransport von Rohstoffen wie Nickel und Uran, die in Kanadas hohem Norden gefördert werden, dienen Frachtflugzeuge.
Bild vergrößernDas Nadelöhr in der Tschuktschensee zwischen Russland und Alaska ist nur einige Wochen im August und September eisfrei. In der Barents- und Karasee ist eine Durchfahrt ohne Eisbrecherbegleitung von Juni bis Oktober möglich.
Einer Studie des Fridtjof-Nansen-Instituts zufolge fanden zwischen 2010 und 2019 über Russlands nördlichen Seeweg 89 internationale Transitfahrten ohne Zwischenhalt statt. Durch den Suezkanal gehen innerhalb von zwei Tagen im Schnitt 94 Fahrten.
Die Arktispassage kommt in erster Linie für Schwergutfrachter infrage. Diese haben zumeist eine höhere Eisfestigkeit als Containerschiffe. Jens Rosanowski, Fleet Manager der Reederei Winter erklärt:
"Wenn es sich ergibt, gehört eine Fahrt durch die Arktis zu den einträglichsten Fahrten, die es gibt."
Dies gelte zumindest für die Monate August und September, in denen Schiffe nicht auf Eisbrecherbegleitung angewiesen sind. "Die Reisekosten sind deutlich geringer als im Suezkanal", sagt Rosanowski.
Dagegen berechnen Versicherer für Arktisfahrten erhöhte Policen. Das Seerecht stellt erhöhte Sicherheitsanforderungen an die Schiffe. Für die Crew sind Zertifikate erforderlich, die dem Team Erfahrung in der Arktis bestätigen. Crewmanagementdienstleister aus Russland, der Ukraine oder Zypern können das notwendige Personal vermitteln.
Auch wenn das zurückgehende Polareis mehr Transitfahrten ermöglicht, ist die Erderhitzung nicht nur als Chance für die arktische Seefahrt zu verstehen. Extreme Wetterphänomene bergen unabsehbare Risiken. „Rettungsstationen stehen in der Arktis in sehr großem Abstand zueinander. Es wäre fast unmöglich, größere Umweltschäden wie etwa einen Ölteppich zu beseitigen. Eine solche Katastrophe hätte ein internationales Nachspiel und würde zu anhaltenden Reputationsschäden der beteiligen Unternehmen führen“, sagt Arild Moe vom Fridtjof-Nansen-Institut.
„Wir setzen uns dafür ein, dass die arktische Schiffsflotte komplett auf den Gebrauch von Schweröl verzichtet, um das Risiko von Ölaustritten zu senken. Das ist ein realistisches Ziel. Immer mehr Schiffe der Arktisflotte der russischen Reederei Sovcomflot steigen bereits auf Erdgasantrieb um“, sagt Alexej Knischnikow, Leiter des Corporate-Responsibility-Programms der Umweltorganisation WWF Russland. Zudem weist Knischnikow auf die Risiken des arktischen Schiffsverkehrs für Wale hin:
„Wir beobachten zurzeit einen starken Anstieg an Schiffsverkehr in den Wintermonaten. Die kompletten Auswirkungen auf die Ökosysteme sind noch unklar."
Knischnikow fügt hinzu: "Wenn es im Winter nur wenige eisfreie Flächen gibt, ist die Gefahr groß, dass Schiffe dort die großen Meeressäugetiere anfahren oder durch den Lärm verstören. Der Transitverkehr in den Sommermonaten ist ökologisch verantwortlicher."
Der chinesische Staatskonzern COSCO Shipping ist der führende Anbieter von Cargoverschiffungen. COSCO betreibt drei arktistaugliche Massengutfrachter mit einem Transportvolumen von jeweils 36.000 Tonnen. Seit 2016 bietet die größte chinesische Reederei damit jährlich sieben bis zehn Frachtfahrten über die Nordostpassage an.
Auch deutsche Reedereien befahren die Route.
Bild vergrößern„Für den Transit nutzen wir die Arktispassage wenig. Aber wir erhalten immer wieder Aufträge zur Lieferung von schweren Anlagen und Maschinen in die arktischen Häfen“, erklärt die Reederei BBC Chartering aus Leer in Niedersachsen.
Eine wachsende Bedeutung erfahren die Verbindungen zwischen Russlands arktischen sowie den atlantischen oder pazifischen Häfen.
Bild vergrößern2019 überstieg das Frachtvolumen des Ziel- und Quellverkehrs die Marke von 30 Millionen Tonnen. Mehr als die Hälfte davon entfällt auf das Flüssigerdgasterminal im Hafen von Sabetta, das 16,5 Millionen Tonnen Flüssigerdgas pro Jahr abfertigen kann.
„Es ist schwer zu sagen, in welchem Land die Flüssigerdgaslieferungen am Ende genau ankommen. Im Hafen von Murmansk wird das Flüssiggas von den spezialisierten Arktisfrachtern auf gewöhnliche Frachter umgeladen. Bevor das Flüssigerdgas an seinen Zielhafen geliefert wird, kann es mehrmals ge- und verkauft werden“, sagt Arild Moe vom Fridtjof-Nansen-Institut. Auch in Petropawlowski-Kamtschatski, am östlichen Nadelöhr von Russlands nördlichem Seeweg, entsteht ein Umladehafen mit einem speziellen Flüssigerdgasterminal. Das von Novatek finanzierte Terminal soll ab 2022 oder 2023 nutzbar sein.
Bild vergrößernRussland erwartet, dass das Volumen des Ziel- und Quellverkehrs in der Arktis bis 2024 auf über 80 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigt. Seit 2019 müssen Schiffe, die über den nördlichen Seeweg Gas, Öl und Kohle abtransportieren wollen, in Russland gebaut sein, um für die Strecke zugelassen zu werden.
Die aktuell zugelassenen Tanker erhielten eine Ausnahmegenehmigung bis 2043. Russlands Werften dürften jedoch kaum genügend Kapazitäten haben, die Nachfrage nach Tankern alleine zu bedienen. Daher wird mit weiteren Aufweichungen der Regel gerechnet.
Bild vergrößernFür den Transport durch das arktische Meer sorgen derzeit 15 spezialisierte Flüssigerdgasfrachter der Eisbrecherkategorie Arc7, die Eisdicken von bis zu zwei Metern durchbrechen können. Betrieben werden die Frachter von den Reedereien Dynagas (Griechenland), Teekay (Kanada), Mitsui O.S.K. Lines (Japan) und Sovcomflot (Russland).
Bild vergrößern