Kommunale Einzelbetriebe dominieren die Wasserwirtschaft. Nur wenige private Holdings sind in mehreren Regionen aktiv. Bei Ausschreibungen wird auf russische Produkte Wert gelegt.
Russland benötigt tendenziell immer weniger Wasser. Zwischen 2010 und 2018 ist die Entnahme aus natürlichen Quellen um 14 Prozent auf 68 Milliarden Kubikmeter gesunken. Mehr als ein Drittel der entnommenen Menge stammt aus der Wolga und ihren Zuflüssen.
Den größten Wasserbedarf hat die Industrie. Auf sie entfielen 2018 rund 55 Prozent der Frischwassernutzung. Weitere 14 Prozent wurden als Trink- und Brauchwasser verwendet, 12 Prozent für Bewässerung.
Wasserverbrauch sinkt
Die schrumpfende Nachfrage hängt mit der schwachen Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre zusammen. Außerdem wird die Ressource effizienter genutzt, wodurch die Wasserintensität der Volkswirtschaft abnimmt. Noch 2010 benötigte Russland 1,7 Kubikmeter Wasser, um 1.000 Rubel Wertschöpfung zu erzielen, im Jahr 2018 nur noch 0,65 Kubikmeter (ohne Berücksichtigung der Preisentwicklung).
Beim Wassertransport gehen 10 Prozent des Rohstoffs verloren, laut Bericht zum Zustand der Umwelt in Russland. Besonders hoch sind die Verluste im Nordkaukasus (25 Prozent) und in Südrussland (18 Prozent). Die Modernisierung der Leitungssysteme hat daher hohe Priorität.
Sankt Petersburg und Moskau verursachen das meiste Abwasser
Im Jahr 2018 hat Russland rund 40 Milliarden Kubikmeter Abwasser in die Oberflächengewässer eingeleitet. Unter Russlands Städten verursacht die Newametropole Sankt Petersburg die größte Abwassermenge. Sie liegt sogar vor der Hauptstadt Moskau, die mehr als doppelt so viele Einwohner hat.
Russlands Städte mit der größten Abwassermenge *)
Großstadt | Einleitung von Abwasser in Oberflächengewässer im Jahr 2018 (in Mio. cbm) |
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Sankt Petersburg | 951 |
Moskau | 855 |
Magnitogorsk | 334 |
Nischni Nowgorod (2017) | 263 |
Wladiwostok | 218 |
Samara | 198 |
Bratsk | 185 |
Kasan | 174 |
Tscheljabinsk | 149 |
Jekaterinburg | 133 |
Quelle: Russisches Umweltministerium "Bericht zum Zustand der Umwelt in Russland", Dezember 2019
Ein Problem für die Wasserwerke sind die hohen Außenstände der Kunden, die ihre Gebühren für Trinkwasser und Kanalisation nicht zahlen. Dabei sind die Abgaben im Vergleich zu Westeuropa sehr gering: In Moskau müssen Haushalte ab 1. Juli 2020 für Trinkwasser 42,30 Rubel (rund 0,60 Euro) je Kubikmeter und für Abwasser 30,90 Rubel (rund 0,40 Euro) je Kubikmeter zahlen. In kleineren Orten mit weniger Kaufkraft sind die Tarife noch niedriger, sodass die Einnahmen der Wasserwerke kaum für den laufenden Betrieb reichen.
Private Betreibermodelle sind die Ausnahme
Anders als in der Abfallbranche hat Russland für die Wasserwirtschaft noch kein oberes Regulierungsorgan gegründet, das den Fortgang der Reform begleitet und beaufsichtigt. Auch für das Wassernetz gibt es keinen einheitlichen nationalen Verwalter, wie Rosseti bei der Stromübertragung.
In der Regel wird die Branche von staatlichen (GUP) und kommunalen (MUP) Einheitsunternehmen kontrolliert, die selten Gewinne erzielen. Die Übertragung der Wasserversorgung und Abwasserreinigung an private Konzessionäre ist politisch gewünscht, um so frische Finanzmittel und Know-how für die Sanierung der Infrastruktur zu bekommen. Die privaten Betreiber schließen mit den Kommunen in der Regel langfristige Pacht- und Konzessionsverträge. In der Vergangenheit endeten solche öffentlich-private Partnerschaften allerdings oft mit Skandalen, da Gelder aus den Wasserwerken zweckentfremdet wurden. Außerdem sind die Tarife zu niedrig, um Investitionen in einem überschaubaren Zeitraum rentabel zu tätigen.
Insgesamt gibt es derzeit rund 530 Wasserwirtschaftsbetriebe in Russland. Sie sind häufig nur in einer Gemeinde tätig, betreuen manchmal aber auch mehrere Verwaltungsgebiete. Große regionale Versorger sind Moswodokanal in Moskau, Wodokanal Sankt Petersburg, die Wasserwerke in Rostow-am-Don und im Gebiet Stawropol.
Der nach eigenen Angaben größte private Betreiber ist Rossiskie kommunalnye sistemy (RKS), der die Wasserwirtschaft in acht Regionen organisiert: Perm, Amur, Kirow, Samara, Tambow, Pensa, Uljanowsk und Karelien. RKS betreut 5 Millionen Privatkunden und 40.000 Unternehmen. Ähnlich groß ist Roswodokanal, das mehr als 5 Millionen Verbraucher in sieben Regionen versorgt: Archangelsk, Barnaul, Omsk, Woronesch, Tjumen, Krasnodar, Orenburg.
Internationale Konzerne wie Veolia oder Suez hatten in der Vergangenheit vergeblich versucht, bei russischen Wasserwerken einzusteigen und Betreibermodelle zu entwickeln. Unklare Eigentumsverhältnisse und intransparente Betriebsergebnisse haben solche Vorhaben bislang verhindert.
Ausgewählte Investitionsprojekte in der russischen Wasserwirtschaft
Projekt / Ort | Investition Mio. Euro | Zeitplan | Investor |
Bau einer neuen Wasserentnahmestelle und neuer Kläranlagen / Kaluga | 225 | Fertigstellung: 2024 | Wodokanal Kaluga |
Modernisierung des Wasserleitungsnetzes / Gebiet Rostow-am-Don | 128 | Fertigstellung: 2024 | Regionalministerium für Wohnungs- und Kommunalwirtschaft |
Bau von Wasserreinigungsanlagen / Baikalsee, Gebiet Irkutsk | 110 | Fertigstellung: 2024 | Russisches Bauministerium, Forstbehörde Rosleschoz, Regionalverwaltungen Irkutsk, Zabajkalski krai und Republik Burjatien |
Modernisierung der Wasserversorgung, Einführung einer biologischen Abwasserreinigung, Bau von Kollektoren / Jakutsk | 77 | Plan für die nächsten Jahre, Finanzierung noch unklar | Wodokanal Jakutsk |
Modernisierung der Klärschlammverbrennung, Bau neuer Kapazitäten / Sankt Petersburg | 70 | Bauarbeiten sollen 2021 beginnen | Wodokanal Sankt Peterburga
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Ausbau und Modernisierung der Wasserversorgung und Kanalisation / Region Krasnodar | 50 | Fertigstellung: 2023 | Roswodokanal |
Sanierung des Kanalisationsnetzes und der Abwasserreinigung / Stadt Belorezk, Baschkortostan | 21 | Ende 2019 Finanzierungszusage vom Staatsfonds zur Sanierung der Wohnungswirtschaft | MUP Wodokanal |
Modernisierung der Wasserversorgungsanlagen / Region Stawropol | 20 | Fertigstellung: 2024 | Ministerium für Wohnungs- und Kommunalwirtschaft der Region Stawropol |
Quelle: Unternehmensangaben, Presseberichte, Recherchen von Germany Trade and Invest
Ausländische Technik hat Chancen bei Nischenprodukten
Da es sich bei den meisten Investitionsprojekten um Vorhaben mit öffentlichen Mitteln handelt, achten die Geldgeber darauf, dass überwiegend einheimische Technik zum Einsatz kommt. Das Bauministerium erarbeitet einen Katalog mit russischen Lieferanten von Material und Ausrüstungen. Die Importsubstitution gelingt besonders gut bei Rohrsystemen und zunehmend bei Rohrarmaturen, Zählern, Druckmessgeräten und Pumpen. Der Dortmunder Pumpenhersteller Wilo hatte schon 2017 einen Sonderinvestitionsvertrag mit der russischen Regierung abgeschlossen. Dank der lokalen Fertigung in Noginsk bei Moskau gelten Wilo-Pumpen als „Made in Russia“ und haben so Vorteile bei öffentlichen Ausschreibungen.
Ausländische Anbieter von Technologien und Know-how sind aber auch in Zeiten von Sanktionen und Importsubstitution gefragt. Das gilt vor allem für Spezialprodukte wie Chemikalien für die Abwasserreinigung. Auch am Erfahrungsaustausch sind die russischen Wasserwirtschaftsbetriebe interessiert: Das Uralstädtchen Werchnie Sergi beispielsweise kooperiert mit den Wasserwerken Budapest bei der Modernisierung seiner Kläranlagen.
Gebraucht werden zudem Technologien zur Klärschlammbeseitigung. Jährlich fallen bei den Wasserwerken Tausende Tonnen an, die meist auf offenen Deponien gelagert werden. Die Verarbeitung der Rückstände ist zu teuer und mit den bestehenden Wassertarifen nicht zu finanzieren. Nur in den in den großen Millionenstädten gibt es erste Anlagen zur Klärschlammverbrennung. Einer der Vorreiter ist Sankt Petersburg, das nun Technologien zur Nutzung der Aschereste sucht. Sie könnten beispielsweise als Dünger zum Einsatz kommen oder in der Betonproduktion.
Von Gerit Schulze
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