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Wirtschaftsumfeld | Russland | EU-Sanktionen

EU will effektiver gegen Umgehung der Russlandsanktionen vorgehen

Die EU bestraft Sanktionsbrecher, weitet das Transitverbot aus und führt eine Meldepflicht ein. Als letztes Mittel können Exporte an Drittländer eingeschränkt werden.
 

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Russland gelingt es trotz des Handelsembargos der EU, seinen militärisch-industriellen Komplex über ein verzweigtes Netzwerk von Strohmännern, Tarnfirmen und Lieferungen über Drittstaaten mit sanktionierter westlicher Technologie zu versorgen. Damit soll nun Schluss sein. Mit dem 11. Sanktionspaket (Beschluss GASP 2023/2017) vom 23. Juni 2023 will die EU die bereits verhängten Sanktionen gegen Russland besser durchsetzen und der organisierten Umgehung der Strafmaßnahmen einen Riegel vorschieben. Dabei setzt der Staatenbund auf eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche.

EU weitet Transitverbot aus

Die EU schränkt den Transit von sanktionierten Gütern durch Russland weiter ein. Ein Großteil des Warenverkehrs zwischen der EU und den Staaten Zentralasiens erfolgt weiterhin über Straße und Schiene via Russland. Alternative Routen wie der mittlere Korridor oder der Seeweg sind wegen Kapazitätsbeschränkungen, längeren Lieferzeiten und höheren Kosten unattraktiv. In einigen Fällen sind Transitgüter aus Europa im Wert von 1 Milliarde US-Dollar auf ihrem Weg durch Russland „verloren gegangen“, fand die Financial Times heraus. Die Waren werden zwar für den Transit ausgewiesen, verbleiben dann aber faktisch in Russland.

Das 11. Paket erweitert die Liste der Güter, für die ein Transitverbot durch Russland besteht. Im Fokus sind Güter mit zivilem und militärischem Verwendungszweck (Dual-Use-Güter) sowie Technologien, die zur Stärkung und Weiterentwicklung der militärischen, technologischen und industriellen Kapazitäten Russlands, beispielsweise in der Luft- und Raumfahrtindustrie, beitragen können.

Strafen gegen Sanktionsbrecher

Die EU sanktioniert erstmals Unternehmen aus Drittsaaten, die Russland nachweislich bei der Umgehung der restriktiven Maßnahmen unterstützen. Im 11. Paket werden weitere 87 Unternehmen gelistet, darunter zehn Firmen aus Drittstaaten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten, Armenien, Usbekistan und Syrien sowie drei mutmaßlich russische Tarnfirmen mit Sitz in Hongkong.

Ebenfalls mit Sanktionen belegt wurden natürliche Personen, wie Artjom Uss, Sohn des Gouverneurs der Region Krasnojarsk. Über ein Netzwerk aus Tarnfirmen beschaffte er für die russischen Streitkräfte militärische und Dual-Use-Technologien, unter anderem über die Firma Nord-Deutsche Industrieanlagenbau, deren Miteigentümer er ist.

Informationspflicht auch für natürliche Personen

Der Staatenbund will dem Risiko der Sanktionsumgehung entgegenwirken. Hierzu will er den Informationsaustausch über die Durchsetzung der Ausfuhrbeschränkungen für Dual-Use-Güter verbessern. Aus diesem Grund verpflichtet das 11. Paket natürliche und juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, Informationen über Sanktionsverstöße an zuständige Behörden des Mitgliedsstaates innerhalb von zwei Wochen nach deren Erhalt zu melden, und zu deren Überprüfung zusammenzuarbeiten. Die Mitgliedsstaaten wiederum übermitteln - auch in anonymisierter Form - der EU-Kommission einschlägige Informationen innerhalb eines Monats nach deren Eingang. In der Folge können strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden.

EU nimmt Drittländer ins Visier

Das 11. Sanktionspaket ermächtigt die EU erstmals, den Verkauf, die Lieferung, die Verbringung oder die Ausfuhr sanktionierter Güter und Technologien an Drittländer zu beschränken, wenn diesen Ländern eine systematische Umgehung sanktionierter Güter nach Russland nachgewiesen werden kann. Darüber hinaus ist die Verbringung von technischer Hilfe, Vermittlungsdiensten, die Bereitstellung von Finanzmitteln sowie die Übertragung von Eigentums-, Nutzungs- und Patentrechten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in diese Drittstaaten verboten. Damit soll einem möglichen Nachbau westlicher Technologie im Ausland ein Riegel vorgeschoben werden.

Das Exportverbot in Drittstaaten muss auf der Grundlage einer gründlichen technischen Analyse der Umgehungsproblematik durch die Kommission erfolgen und auf Handelsdaten beruhen, die aufzeigen, dass die bisherigen Bemühungen erfolglos waren.

In Anhang XXXIII der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 und Anhang XIV des Beschlusses 2014/512/GASP werden künftig sensible Dual-Use-Güter und Technologien erfasst, die zur Stärkung der militärischen, technologischen oder industriellen Kapazitäten Russlands oder zur Entwicklung des russischen Verteidigungs- und Sicherheitssektors beitragen können. Sie dürfen nicht an natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen in gelisteten Drittländern verkauft, geliefert, verbracht oder ausgeführt werden.

Zudem werden in den beiden Anhängen künftig Drittstaaten aufgeführt, die nachweislich und systematisch versäumt haben, die Weiterverbringung sanktionierter Waren nach Russland zu verhindern. Im Fokus stehen unter anderem Kasachstan, Armenien, die Vereinigten Arabischen Emirate und China. Aktuell sind beide Anhänge noch unbefüllt und fungieren vorerst als Drohkulisse.

Sanktionsumgehung - wann besteht ein Verdacht?

Hinweise auf eine mögliche Sanktionsumgehung könnten folgende Kriterien geben:


  • die Haupttätigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers aus einem Drittland darin besteht, in der EU Beschränkungen unterliegende Waren zu erwerben, zum Zweck ihres Weiterverkaufs nach Russland,
  • die Beteiligung russischer Personen oder Organisationen, ganz gleich in welchem Stadium,
  • die kürzlich erfolgte Gründung eines Unternehmens, durch das Beschränkungen unterliegende Waren nach Russland gelangen,
  • der drastische Anstieg des Umsatzes eines an solchen Tätigkeiten beteiligten Wirtschaftsteilnehmers aus einem Drittland.

Zudem können Personen aus Drittländern, die die Umsetzung von EU-Sanktionen erheblich behindern, künftig strafrechtlich verfolgt werden.

Drittlandsanktionen nur als „Ultima Ratio“

Die Verhängung von Maßnahmen gegen juristische und natürliche Personen aus Drittstaaten soll dabei nur als letztes Mittel zum Einsatz kommen. Vorrangig setzt die EU auf einen konstruktiven Dialog, Diplomatie und die Bereitstellung technischer Hilfe an das betroffene Land, beispielsweise zur Überwachung der Handelsströme.

Die EU setzt dabei vor allem auf die abschreckende Wirkung und darauf, dass dieses neue Instrument gar nicht erst zum Einsatz kommen muss. Einige Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, äußern Bedenken, dass die Anwendung dieser Maßnahme sich zu extraterritorialen Sekundärsanktionen weiterentwickeln könnte und Unternehmen und Länder, vor allem in Zentralasien, in die Arme Russlands treiben könnte.

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