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Rechtsbericht Schweden Coronavirus

Schweden: Coronavirus und Verträge

Infolge der Corona-Pandemie können viele Verträge nicht wie vereinbart durchgeführt werden. Dies betrifft auch die Vertragsbeziehungen zwischen Deutschland und Schweden.

Von Nadine Bauer | Bonn

Einleitung

Die COVID-19-Pandemie führt zu Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Eine Übersicht über die aktuell gültigen Regelungen sowie die ergriffenen Maßnahmen hält die Webseite Krisinformation auch auf Englisch bereit. Weitergehende Informationen stellt zudem die schwedische Polizei zur Verfügung (auf Englisch).

Die Pandemie und die mit ihr einhergehenden Beschränkungen belasten auch Unternehmen stark. Die schwedische Regierung hat daher bereits diverse Maßnahmen ergriffen, um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern. Doch welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf Vertragsbeziehungen?

Individualvertragliche Regelungen

In vielen internationalen Verträgen findet sich eine sogenannte Force Majeure- beziehungsweise Höhere Gewalt-Klausel. Ist dies der Fall, so geht diese Klausel den gesetzlichen Bestimmungen vor.

Was genau unter höherer Gewalt zu verstehen ist, ist häufig durch individualvertragliche Konkretisierung festgelegt. Maßgeblich zur rechtlichen Einschätzung ist daher ein direkter Blick in den Vertrag, denn oftmals sind dort explizit Anwendungsfälle (zum Beispiel Naturkatastrophen, Streiks) genannt. Gelegentlich enthalten Klauseln über höhere Gewalt sogar einen ausdrücklichen Hinweis auf Epidemien oder Pandemien. Ist einer dieser Anwendungsfälle einschlägig, so erleichtert dies die Berufung auf das Vorliegen höherer Gewalt. Zusätzlich ist aber auch erforderlich, dass das Ereignis höherer Gewalt in dem spezifischen vertraglichen Kontext die Erfüllung unmöglich macht oder die betroffene Partei in unangemessener Weise belastet.

Ob die durch die Coronakrise verursachte Situation ein Ereignis höherer Gewalt darstellt, lässt sich nicht allgemeinverbindlich beantworten. Denn dies hängt im Ergebnis von der jeweiligen Ausgestaltung einer entsprechenden Klausel und den individuellen Umständen ab. Es hat somit eine konkrete Betrachtung des Einzelfalles zu erfolgen.

Höhere Gewalt im schwedischen Recht

Für den Fall, dass der Vertrag keine Regelung zur höheren Gewalt enthält oder auch in Ergänzung zu einer vertraglichen Regelung, ist auf die gesetzlichen Bestimmungen zurückzugreifen. Im Allgemeinen wird höhere Gewalt als ein von außen einwirkendes und unerwartetes Ereignis definiert, das auch durch äußerste Sorgfalt nicht abgewendet werden kann und das eine Vertragspartei an der Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen hindert. Voraussetzung für die Annahme höherer Gewalt sind somit Unvorhersehbarkeit und Unabwendbarkeit des Ereignisses.

Ereignisse höherer Gewalt sind im schwedischen Recht nicht explizit geregelt. Das schwedische Kaufgesetz (köplag (1990:931)) eröffnet allerdings in § 27 die Möglichkeit, die Haftung des Verkäufers zu begrenzen: So können Lieferverzögerungen, die auf unvorhergesehene Ereignisse außerhalb der Kontrolle des Verkäufers zurückzuführen sind, grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch begründen. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich um ein Hindernis handelt, das nicht im Einflussbereich der Partei liegt. Zudem muss die sich darauf berufende Partei nachweisen, dass sie das Hindernis nicht vorhersehen konnte, und dass sie nicht in der Lage ist, dieses Hindernis zu überwinden oder die Auswirkungen des betreffenden Ereignisses auf andere Weise zu mildern.

Die Beantwortung der Frage, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von der konkreten Situation ab. Demnach kann nicht pauschal geklärt werden, ob der COVID-19-Ausbruch nach schwedischem Recht als ein Ereignis höherer Gewalt anzusehen ist.

Vertragsanpassung und Vertragsaufhebung

Das schwedische Vertragsgesetz (Lag (1915:218) om avtal och andra rättshandlingar på förmögenhetsrättens område) sieht in § 36 vor, dass eine Klausel in einem Vertrag geändert oder aufgehoben werden kann, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen ist. Der Vertrag insgesamt kann aufgehoben werden, wenn es unzumutbar ist, an der weiteren Durchsetzbarkeit des Vertrags ohne die unangemessene Klausel festzuhalten. Folglich haben die Parteien die Möglichkeit, eine Anpassung der Vertragsbestimmungen und eine Anpassung ihrer Leistungspflichten zu verlangen.

Jedoch wird dieses Rechtskonstrukt im schwedischen Recht nur sehr restriktiv angewandt. Und ob die Coronakrise einen zur Vertragsanpassung oder sogar zur Vertragsaufhebung berechtigenden Grund darstellt, muss für jede vertragliche Beziehung einzeln geprüft und beurteilt werden. Eine pauschale Aussage kann hierzu nicht getätigt werden.

Fazit

Zur Abschätzung der Auswirkungen des Coronavirus auf Vertragsbeziehungen ist es wichtig, den konkreten Vertrag genau zu prüfen. Enthält dieser eine Klausel zu höherer Gewalt, so ist zu beachten, dass viele Force Majeure-Klauseln die Parteien verpflichten, ein entsprechendes Ereignis unverzüglich zu melden. Des Weiteren können für die Dauer des Ereignisses weitere Informations- und insbesondere auch Kooperationspflichten bestehen. Die Partei, die sich auf höhere Gewalt beruft, muss diesen Verpflichtungen im Allgemeinen in vollem Umfang nachkommen.

Enthält der Vertrag keine Force Majeure-Klausel, so kennt aber auch das schwedische Recht Ereignisse höherer Gewalt. Ob die Corona-Pandemie als ein solches anzusehen ist, hängt von einer Einzelfallbetrachtung ab; hierbei müssen alle relevanten Umstände, insbesondere auch der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, Berücksichtigung finden.

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