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Special | Schweiz | Klimawandel lokal

Die Schweiz ringt mit dem Klimaschutz

Emissionsziele wurden nicht erreicht, wichtige Gesetzesvorhaben gestoppt. Wie steht es um die Klimapolitik der Schweiz?

Von Kirsten Grieß | Berlin

Für das Alpenland birgt der Klimawandel große Risiken: Bergstürze und Murgänge bedrohen die Infrastruktur, Extremwetter und weniger schneesichere Skigebiete gefährden den Tourismus. Doch die Bilanz der klimapolitischen Bemühungen der Schweiz ist durchwachsen. Die Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen wurden nicht erreicht, Gesetzesvorhaben wie das neue CO2-Gesetz oder Klimainitiativen in der Agrarpolitik gestoppt. Mehrheitsfähige Entscheidungen brauchen im schweizerischen Konsensmodell breite Unterstützung im außerparlamentarischen Raum. Eine strengere Klimapolitik hat diese Unterstützung bislang nicht.

Revidiertes CO2-Gesetz gescheitert

Die Schweiz hat das Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 unterzeichnet, ehrgeizige Reduktionsziele sollen den Ausstoß von Treibhausgasen spürbar senken. Mit dem „Netto-Null-Ziel“ beschloss der Schweizer Bundesrat 2019, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Die Leitlinien sind in der 2021 verabschiedeten langfristigen Klimastrategie festgelegt. 

Wichtigstes Instrument der Klimapolitik ist das CO2-Gesetz. Es trat im Jahr 2000 in Kraft. Festgeschrieben sind darin konkrete Reduktionsziele und Maßnahmen wie eine CO2-Abgabe. Seit 2008 wird die Abgabe auf fossile Brennstoffe für die Wärmegewinnung oder Stromerzeugung erhoben. Eine zentrale Zielmarke für den Treibhausgasausstoß wurde vom Gesetzgeber für 2020 definiert. Die Treibhausgasemissionen sollten bis dahin um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden.

Im Zuge der Umsetzung des Abkommens von Paris erfolgte 2020 eine komplette Revision des CO2-Gesetzes. Die Neufassung wurde im Sommer 2021 allerdings per Volksentscheid abgelehnt. Kritik entzündete sich an der Mehrbelastung. Das Gesetz sah deutlich höhere Abgaben für Privathaushalte vor. Da wichtige Instrumente Ende 2021 auszulaufen drohten, beschloss das Parlament für den Übergang eine Verlängerung des geltenden Gesetzes bis 2024. Seit Dezember 2021 liegt ein überarbeiteter Gesetzesvorschlag vor. Er enthält keine zusätzlichen Abgaben, dafür gezielte Fördermaßnahmen und Investitionen. Das revidierte CO2-Gesetz soll spätestens am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

CO2-Abgabe bleibt umstritten

Gleichwohl steigt die CO2-Abgabe seit 2008 kontinuierlich. Eine Erhöhung erfolgt stets dann, wenn die gesetzten Zwischenziele zur Eindämmung der CO2-Emmissionen nicht erreicht werden. Das war bis 2022 fünfmal der Fall. Die Abgabe hat sich von umgerechnet rund 11 Euro pro Tonne ausgestoßenem CO2 auf aktuell 111 Euro erhöht. Während Privathaushalte ohne Ausnahme abgabepflichtig sind, können sich Unternehmen aus bestimmten Wirtschaftszweigen von der Abgabe befreien lassen. Dabei handelt es sich um besonders energieintensive Bereiche, weshalb die Regelung umstritten ist.    

Die CO2-Abgabe ist eine Lenkungsabgabe. Sie zielt auf eine Verhaltensänderung beim Verbrauch fossiler Brennstoffe ab. Das eingenommene Geld fließt zu zwei Dritteln direkt an die Bevölkerung und Unternehmen zurück. Die restlichen Mittel werden in Klimaschutzmaßnahmen investiert. Dieser Schlüssel steht in der Kritik. Er soll in dem revidierten Gesetz zugunsten von Förderprogrammen verändert werden. 

Gebäudesektor muss liefern

Gebäude sind für rund ein Drittel der schweizerischen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Im CO2-Gesetz muss der Gebäudesektor auch den größten Beitrag mit Blick auf die Reduktionsziele leisten. Ein Investitionsprogramm unterstützt den Umstieg auf klimafreundlichere Heizungsanlagen und die Dämmung von Gebäuden. Im Jahr 2000 wurde die Förderung auf Kantonsebene gestartet und 2010 in das nationale Gebäudeprogramm umgewandelt. Die Investitionen werden durch die CO2-Abgabe mit jährlich maximal 417 Millionen Euro gegenfinanziert.

Gefördert werden bauliche Maßnahmen. Für 2020 wurden rund 277 Millionen Euro an Fördergeldern ausgezahlt. Ein Großteil der Mittel floss mit 110 Millionen Euro in die Wärmedämmung. Zahlungen für Haustechnikprojekte wuchsen mit plus 65 Prozent am stärksten auf jetzt 57 Millionen Euro. Die Kantone legen förderfähige Maßnahmen und Bedingungen individuell fest. Unter www.dasgebaeudeprogramm.ch sind die geförderten Maßnahmen für jeden Kanton aufgeführt.

Schweiz beschließt Atomausstieg

Fokushima führte auch in der Schweiz zu einem energiepolitischen Umdenken. Bereits 2011 entwarf die Regierung eine neue Energiestrategie 2050 und unterlegte diese mit Maßnahmenpaketen. Kernstück ist das neue Energiegesetz. Nach einer Volksabstimmung 2017 trat es am 1. Januar 2018 in Kraft. Es schreibt den Ausstieg aus der Atomenergie fest. Die Energieversorgung soll durch den Ausbau erneuerbarer Energien und die Steigerung der Energieeffizienz abgesichert werden.

Dafür gibt es feste Richtwerte: Der durchschnittliche Energieverbrauch pro Person soll bis 2035 gegenüber dem Jahr 2000 um 43 Prozent reduziert werden, der Stromverbrauch um 13 Prozent. Gleichzeitig soll sich die Produktion erneuerbarer Energien von 2020 bis 2035 mehr als verdoppeln und 11.400 Gigawattstunden (GWh) erreichen. Davon ausgenommen ist die Wasserkraft. Deren Leistung soll auf 37.400 GWh steigen.

Rekordzuwachs bei Fotovoltaik

Während die Schweiz ihre Emissionsziele knapp verfehlte, sieht es im Energiebereich deutlich besser aus. Der Monitoringbericht der Regierung zeigt, dass für 2020 alle Richtwerte erfüllt wurden. Bei den erneuerbaren Energien lag die Fotovoltaik absolut gesehen an erster Stelle. Für die Branche war 2020 ein Rekordjahr. Fotovoltaikanlagen mit einer Gesamtleistung von 475 Megawatt (MW) wurden installiert. Das ist ein Plus von über 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Verband Swissolar berichtet, dass die Wertschöpfung der Branche 2021 bei über 700 Millionen Euro lag. Für 2022 stehen für die Fotovoltaik Fördergelder von 417 Millionen Euro zur Verfügung.


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