Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

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Folge 28: Polen & Tschechien – Wachstumsmärkte vor unserer Haustür

- Mai 2025 -

In dieser Folge lernen wir viel Neues und auch Überraschendes über unsere direkten Nachbarn.

Der Großraum Prag gehört zu den reichsten Regionen Europas. Niemand sonst schickt so viele LKWs über europäische Autobahnen wie Polen. Tschechische Unternehmen sind die größten Spielzeugexporteure Europas, Weltmarktführer für Eishockeypucks und auch für Schallplatten. Und nach Einschätzung unseres GTAI-Korrespondenten in Warschau ist Polen ein einziger “Hidden Champion”.

Beide Länder haben in den vergangenen dreißig Jahren wirtschaftlich eine rasante Aufholjagd hingelegt. Deshalb spricht WELTMARKT mit den jeweiligen GTAI-Wirtschaftskorrespondenten vor Ort – mit Gerit Schulze in Prag und mit Christopher Fuß in Warschau. Sie berichten, was sich in Tschechien und Polen aktuell tut und welche Geschäftschancen es für deutsche Unternehmen gibt. Des weiteren sprechen wir mit der Geschäftsführerin von Kärcher Tschechien, Milada Skutilová. Sie erklärt, wie ihr Heimatland mit dem Fachkräftemangel und mit Währungsschwankungen umgeht und sie gibt auch interkulturelle Tipps für deutsche Geschäftsleute.

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Gäste in dieser Folge

Christopher Fuss Christopher Fuss | © bundesfoto / Uwe Voelkner

Christopher Fuß 
arbeitet seit 2021 als Polen-Korrespondent für GTAI. Zuvor war er dreieinhalb Jahre als Marktberater bei der AHK Polen in Warschau tätig und betreute polnische Unternehmen beim Markteintritt in Deutschland. Während seines politikwissenschaftlichen Studiums von 2012 bis 2017 in Halle (Saale) und Jena verbrachte Christopher Fuß insgesamt drei Auslandssemester an verschiedenen Universitäten in Krakau. 

 

Gerit Schulze Gerit Schulze | © bundesfoto / Uwe Voelkner

Gerit Schulze 
hat sich beruflich ganz dem Osten Europas verschrieben. Seit mehr als zwei Jahrzehnten berichtet er über die Wirtschaftsentwicklung in Russland, dem Südkaukasus, dem Baltikum, der Ukraine sowie in Tschechien und in der Slowakei. Aktuell leitet der Mecklenburger das GTAI-Büro in Prag, von wo er Geschäftschancen für deutsche Unternehmen in Tschechien und in der Slowakei recherchiert. Studiert hat er Politik, Journalistik und Wirtschaft in Leipzig und Köln.

 

Milada Skutilová Milada Skutilová


Milada Skutilová
wurde in Brno (Brün) geboren, der zweitgrößten Stadt Tschechiens, 100 Kilometer nördlich von Wien. Dort stieg Skutilová auch vor 23 Jahren ins Unternehmen Kärcher ein, anfangs als Regionalverkaufsleiterin für Mähren. Mittlerweile ist sie seit 17 Jahren als Managing Director von Kärcher spol. s r.o. tätig. Frau Skutilová ist verheiratet, hat zwei Kinder und studierte ursprünglich Pädagogik. Sie ist regelmäßig in den Rankings erfolgreicher Managerinnen der Zeitschriften Forbes oder Hospodářské noviny vertreten.



 

Weiterführende Informationen

Wirtschaftsinformationen Polen
www.gtai.de/polen


Wirtschaftsinformationen Tschechien

www.gtai.de/tschechien

Unternehmen Kärcher Tschechien
https://www.kaercher.com/de/

 

Überblick: 20 Jahre EU-Osterweiterung

https://www.gtai.de/de/trade/eu/specials/eu-osterweiterung-1080506
 

Transkript der Folge 

Das folgende Transkript wurde zum Zwecke der Barrierefreiheit mit einer Spracherkennungssoftware erstellt und danach auf offensichtliche Fehler hin korrigiert. Es entspricht nicht unseren Ansprüchen an ein vollständig redigiertes Interview. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

Polen und Tschechien sind unsere direkten Nachbarn. Sie sind nicht nur ganz nah an uns dran, sondern auch seit über zwanzig Jahren Mitglieder der Europäischen Union, Polen hat aktuell sogar den Ratsvorsitz der EU. 

 

Trotzdem kennen viele Deutsche noch immer vor allem Prag oder Krakau, als Städtetripziele. Darüber hinaus bleiben die Länder Unbekannte. Auch wirtschaftlich war der Blick nach Osten lange Zeit eingeschränkt. Meist interessierten eher die günstigen Arbeitskräfte.

 

Aber die beiden Länder sind längst mehr als nur verlängerte Werkbänke. Sie mischen mit im IT-Sektor, machen sich fit für die Halbleiterindustrie, investieren in Forschung und Technik. 


Kärcher ist eins der deutschen Unternehmen, die schon kurz nach der Wende den Schritt über die Grenze gemacht haben. Und zwar nicht, um dort zu produzieren, sondern wegen des Absatzmarktes. Heute hat Kärcher in Tschechien 130 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und macht 48 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Geschäftsführerin Milada Skutilová sieht weiter Wachstumsmöglichkeiten. Zum einen, weil die Kaufkraft in Tschechien weiter steigt, da gerade auch  in Tschechien Arbeitskräfte fehlen aber auch wegen eines besonderen Produkts, dem Schrubb-Roboter:

Milada Skutilová Uns fehlen Arbeitskräfte. Damit ist robotische Reinigung wirklich ein Thema, nicht nur in Zukunft, schon jetzt.


Wie Kärcher durch den tschechischen Markt fegt, erklärt sie uns gleich genauer. Jetzt sprechen wir  erstmal mit zwei GTAI-Wirtschaftskorrespondenten: mit Gerit Schulze in Prag und mit Christopher Fuß in Warschau und lassen uns von ihnen die wirtschaftliche Situation erklären. 

 

Hallo Herr Fuß, hallo Herr Schulze. Schön, dass Sie bei uns sind! 

 

Christopher Fuß Dzień dobry Państwu, kłaniam się. 

 

Gerit Schulze Dobrý den, zdravím vás a těším se na zajímavý podcast. 

 

Okay, jetzt müssen Sie mal kurz auflösen: Wer hat was gesagt, was bedeutet es und wo arbeiten Sie?

 

Gerit Schulze Also, das hieß. Guten Tag, ich grüße Sie und freue mich auf einen interessanten Podcast. Ich bin Gerit Schulze. Ich bin seit Sommer 2023 für Germany Trade and Invest hier in Prag und berichte über die Wirtschaftsentwicklung in der Tschechischen Republik und in der Slowakei.

Und bei Ihnen, Herr Fuß?

Christopher Fuß Das bedeutete so viel wie: Guten Tag, liebe Damen und Herren, ich verneige mich. Das ist eine übliche Begrüßungsformel hier. Mein Name ist Christopher Fuß. Ich arbeite seit 2021 für GTAI als Korrespondent hier in Warschau in Polen. 

Gerit Schulze, Sie sind nicht zum ersten Mal in Tschechien, richtig?

Gerit Schulze Für mich ist es der zweite Einsatz hier in Prag. Ich bin schon vor über zwölf Jahren einmal hier gewesen. Für die GTAI auch. Damals ist mein ältester Sohn hier in Prag in die deutsche Schule eingeschult worden. Und ja, in diesem Sommer wird er hier sein Abitur machen. Also für uns als Familie schließt sich damit auch wieder ein Kreis und wir fühlen uns sehr wohl in diesem Land mit einer hohen Lebensqualität, das wunderschöne Städte und Landschaften hat.

Wir Deutschen wissen ziemlich wenig über unsere direkten Nachbarn im Osten. Das muss man leider so sagen. Können Sie uns da ein bisschen auf die Sprünge helfen? Was gibt es denn Überraschendes, gerade auch wirtschaftlich? 

Gerit Schulze Ja, also Tschechien liegt ja direkt vor unserer Haustür. Wir haben mit Tschechien nach Österreich die größte Landgrenze. Und ja, was viele Leute in Deutschland gar nicht wissen, ist, was Tschechien eigentlich für eine große Aufholjagd in den letzten drei Jahrzehnten hingelegt hat wirtschaftlich. Der Großraum Prag gehört inzwischen zu den reichsten Regionen in ganz Europa. Wenn man die Wirtschaftskraft pro Kopf rechnet, dann ist Prag, also der Großraum Prag, sogar vor London, vor Oberbayern mit München und auch vor dem Pariser Speckgürtel mit der Île de France. Und das ist schon eine große Erfolgsgeschichte und die liegt eben vor allem auch daran, dass Tschechien eine ähnliche Wirtschaftsstruktur hat wie Deutschland, also mit sehr vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die oft auch familiengeführt sind und die auch viele Hidden Champions hervorgebracht haben.

Ah! Okay. Zum Beispiel?

Es gibt da ein kleines Unternehmen, nicht weit von Prag entfernt, in Loděnice. Das presst jedes Jahr zwanzig Millionen Vinylplatten für Fans in aller Welt und ist damit der größte Hersteller weltweit für dieses Nischenprodukt. Ein zweites Beispiel wäre der Hersteller Gufex. Der ist der Weltmarktführer für Eishockey-Pucks. Also auch ein, ja, sehr kleines Produkt, aber das wird natürlich in großen Mengen auch gebraucht. Und dieser Hersteller hat es geschafft, eben durch eine bestimmte Mischung einen Puk herzustellen, der eine hohe Qualität aufweist und dadurch von der International Eishockey Federation zertifiziert wurde und nun auch zum Einsatz kommt bei Olympischen Spielen, bei Weltmeisterschaften. Ein weiteres Beispiel ist der Hersteller von Krankenhausbetten, Linet. Die haben ganz viele Patente angemeldet und Designpreise bekommen. Und diese Krankenhausbetten haben röntgenfähige Rückenlehnen oder integrierte Herzinfarkt Warnsysteme. Also es sind wirklich inzwischen Hightech-Produkte. 


Oh wow. Das erinnert wirklich an den Mittelstand in Deutschland, beziehungsweise an dessen Erfolgsgeheimnis: Herausragende Produkte, die weltweit gefragt und erfolgreich sind. Wie sieht es in Polen aus, gibt es da auch Hidden Champions?

Christopher Fuß [00:09:00] Polen ist, vielleicht kann man das so sagen, ein einziger Hidden Champion. Produkte aus Polen stecken in ganz vielen Produkten in Deutschland drin, ohne dass wir davon wissen oder ohne dass wir das so direkt merken. Also ein typisches Beispiel sind Haushaltsgeräte, weiße Ware. Ich kann unsere Zuhörerinnen und Zuhörern und dazu animieren, mal zu gucken, was auf der Waschmaschine, dem Trockner oder der Spülmaschine steht. Da steht ganz oft „Made in Poland“ drauf, weil Polen mittlerweile ein echtes Produktions-Hub für diese Art von Produkten geworden ist. Aber das trifft noch auf ganz viele andere Produkte zu. Und darüber hinaus, kleiner Funfact: Polen ist der größte Erbringer von Transportdienstleistungen im europäischen Straßengüterverkehr, eine technische Umschreibung dafür, dass niemand so viele Güter mit dem LKW befördert in Europa wie die Polinnen und Polen. Aber Polen kann natürlich mehr als Haushaltswaren oder Transport. Polen hat eine sehr breit gefächerte Industrielandschaft, ähnlich wie Tschechien, auch mit sehr regional diversifizierten Zentren, also beispielsweise Bydgoszcz oder zu deutsch Bromberg in Zentralpolen. Das ist ein wichtiges Zentrum für den Werkzeugbau. Dann haben wir die Automobilindustrie in Zentral- und Südpolen oder beispielsweise die Luftfahrtindustrie in Südostpolen. 

Herr Schulze: Wie sieht es denn mit solchen Branchenclustern bei Ihnen in Tschechien aus?

 

Gerit Schulze Es gibt natürlich den Großraum Prag, wo etwa ein Drittel der Wirtschaftsleistung erzielt wird, vor allem natürlich im Dienstleistungssektor. Die Region Pilsen zum Beispiel ist stark für den Maschinenbau. Dann haben wir die Region Ostrava, die bekannt ist für die Montanindustrie, also für Kohle und Stahl. Oder die Region Brno, wo vor allem die Elektronikindustrie angesiedelt ist. Und das ist ein großer Vorteil von Tschechien, dass eben nicht auf ein großes Wirtschaftszentrum konzentriert ist die Wirtschaftsleistung, sondern sich über das Land verteilt und damit auch der Wohlstand sich eigentlich relativ gleichmäßig über das Land verteilt. 

 Und welche Bedeutung haben die beiden Länder  für die deutsche Wirtschaft?

Gerit Schulze Na ja, wenn wir beide Länder zusammen betrachten, dann haben wir ein Handelsvolumen zwischen Deutschland, Polen und Tschechien im Wert von rund 300 Milliarden € jedes Jahr. Und das ist ein Volumen, das wir eigentlich mit keinem anderen Land der Welt haben, also auch nicht mit China und nicht mit den USA. Deutsche Unternehmen verkaufen hier in Tschechien jedes Jahr Waren für rund 50 Milliarden Euro. Und da Tschechiens Wirtschaftsstruktur sehr diversifiziert ist, sind das eben auch Produkte aus ganz verschiedenen Branchen. Das sind natürlich in erster Linie Autos und KFZ-Teile, aber auch Elektronik, Elektrotechnik, Maschinen, chemische Erzeugnisse, Metallwaren und auch Lebensmittel. Und das geht in beide Richtungen. Also sowohl die tschechischen Unternehmen liefern das nach Deutschland als auch deutsche Unternehmen nach Tschechien. Und das liegt auch daran, dass Tschechien und das ist die zweite Bedeutung dieses Marktes, ein ganz wichtiger Produktionsstandort ist für deutsche Unternehmen. Also das lag natürlich zunächst an der Nähe, dass also Tschechien direkt vor der Haustür lag, dass es viele Fachkräfte, auch sehr günstige Fachkräfte angeboten hatte, dass hier Flächen zur Verfügung standen, dass die Kosten natürlich günstiger waren als in Deutschland. Inzwischen haben deutsche Unternehmen hier über 30 Milliarden Euro investiert und sind eigentlich alle großen Zulieferer, zum Beispiel für die Automobilindustrie hier mit großen Fabriken in Tschechien, also Continental, Brose, Bosch, Hella oder Schaeffler. Und auch die Zulieferer für diese Zulieferer wiederum haben sich dann angesiedelt im Umfeld dieser Fabriken. Aber es sind eben nicht nur die KFZ-Zulieferer, sondern es sind auch andere Bereiche, wo deutsche Investoren hier in Tschechien sehr aktiv sind. Also Industriegase, Haushaltsgeräte, Möbelbeschläge. Und dann ist hier in Tschechien auch der deutsche Einzelhandel sehr dominant. Ich denke mal, dass ist ähnlich wie bei euch Christopher in Polen, auch da sind sicherlich alle deutschen Einzelhändler sehr aktiv. 

 

Christopher Fuß Ja, das ist tatsächlich so, lieber Gerit. Wenn ich aus meiner Wohnung rausgucke, dann sehe ich einen Aldi und wenn ich um die Ecke gucken könnte, dann würde ich einen Lidl sehen. Ja, also Polen ist insgesamt da ähnlich aufgestellt wie Tschechien. Auch Polen ist als Absatzmarkt für deutsche Unternehmen immer wichtiger, wird immer wichtiger. Mittlerweile exportiert Deutschland mehr nach Polen als nach China. Das war vor ein paar Jahren noch anders. Deutsche Exporteure profitieren vor allem davon, dass hier in Polen der Wohlstand rapide steigt. Ich bringe da mal ein Beispiel. Mercedes Benz hat im vergangenen Jahr ein Drittel mehr Fahrzeuge in Polen verkauft als im Vorjahr. Auch in anderen Bereichen sind deutsche Unternehmen hier sehr aktiv. Also Polen modernisiert seine Energieerzeugung, beispielsweise wird in Gaskraftwerke oder Windkraftwerke investiert und da sind deutsche Unternehmen wichtige Lieferanten. Hier in Warschau gibt es ein Viertel namens Wola, das ist das Wolkenkratzer-Geschäftsviertel und in fast jedem der Wolkenkratzer sind Baumaterialien aus Deutschland verbaut. Ähnlich wie Tschechien ist auch Polen ein wichtiger Produktionsstandort für deutsche Unternehmen. Viele deutsche Unternehmen haben hier Tochtergesellschaften gegründet, die dann Teile der Produktion übernehmen. Vielleicht mal, um ein ganz greifbares Beispiel zu nehmen: Volkswagen produziert den Caddy exklusiv hier in Polen, also alle moderne Caddys, die man so kaufen kann, weltweit. Die kommen aus Polen. Natürlich hat sich da in den letzten Jahren etwas getan, was das Profil der Unternehmen angeht. Polen ist kein Niedriglohnland mehr. Also während man früher hier viele einfache Teile produziert hat, geht es mittlerweile doch eher in die Richtung höherwertige Produktion und Forschung und Entwicklung. 


Die Themen Beschaffung bzw. Nearshoring haben in der jüngeren Vergangenheit für deutsche Unternehmen nochmal deutlich an Bedeutung gewonnen. Für welche Branchen sind Polen und Tschechien denn heute gute Beschaffungsmärkte? 

Christopher Fuß Es gibt nicht das eine Produkt, das deutsche Unternehmen hauptsächlich in Polen kaufen. Da ist der Außenhandel sehr breit aufgestellt. Das heißt, es gibt ganz viele unterschiedliche Teile, Komponenten und Produkte, die deutsche Unternehmen von polnischen Partnern beziehen. Es gibt so Klassiker, also Metallkomponenten, Kunststoffkomponenten, Gummidichtungen etc. Also all diese etwas abstrakten Produkte, die man so in der Industrie braucht. Ich will aber vielleicht mal auf einen anderen Bereich eingehen, der so in den letzten Jahren hier sehr an Bedeutung gewonnen hat. Und das ist der Bereich IT. Polen wird immer häufiger ein Zulieferer von IT-Dienstleistungen für deutsche Unternehmen. Und das ist ein Bereich, der jetzt in den letzten Jahren hier sehr rasant gewachsen, auch weil Polen sehr viel IT investiert. Also die Universitäten bieten sehr viele Kurse an. Entsprechend gibt es hier die Fachkräfte, die man dann vielleicht in anderen Ländern nicht mehr so einfach findet.


Und wie sieht es mit dem Thema Beschaffung in Tschechien aus,  abgesehen von den Schallplatten, Eishockey-Pucks und Krankenhausbetten? Ich habe gelesen, dass Tschechien der größte Spielzeugexporteur Europas ist. Warum das?


Gerit Schulze Das liegt unter anderem daran, dass eben große internationale Hersteller wie Lego oder Playmobil oder Ravensburger hier in Tschechien Spielsachen dekorieren lassen, verpacken lassen, kommissionieren, also wieder die arbeitsintensiven Vorgänge hier in Tschechien durchführen lässt, um dann dadurch im Endeffekt das Produkt wettbewerbsfähiger anbieten zu können. Solche Produktschritte werden gerne auch nach Tschechien ausgelagert. Problem bei der Beschaffung oder bei diesem Nearshoring ist, dass natürlich viele tschechische Unternehmen häufig relativ klein sind und gar nicht die großen Mengen produzieren können, die dann vielleicht die deutschen Industrieunternehmen benötigen. Auch nicht immer die Fristen einhalten können und also just in time oder gerade vielleicht sogar just in sequence liefern können. Das ist ein Problem und das muss man natürlich dann auch beachten, wenn man sich hier neue Lieferanten in Tschechien sucht. Und was wir in beiden Ländern ja haben, ist immer noch das Währungsrisiko. Also wir haben hier in Tschechien die tschechische Krone und in Polen den Zloty und eben nicht den Euro. Und das führt dazu, dass man immer noch die Währungsschwankungen hat, Umtauschrisiken und auch Transaktionskosten.

Ist das auch in Polen ein Thema?

 

Christopher Fuß Währung ist auf jeden Fall ein Thema. Wir haben in den vergangenen ein zwei Jahren deutliche Schwankungen beim Zloty gesehen von zehn, 15, vielleicht sogar 20 Prozent teilweise. Und das führt jetzt zum Beispiel im letzten Jahr dazu, dass einige Umsatzzahlen von Unternehmen, wenn wir sie in Euro umrechnen, eigentlich ganz gut aussahen. Also da ist dann Wachstum zu verzeichnen. Aber wenn wir uns dann die Zloty-Zahl angucken, dann gab es da ein Minus, eben weil der Zloty innerhalb von einem Jahr so krass geschwankt ist. Also ja, das muss man mit bedenken. Ich weiß nicht, wie es in Tschechien ist, vielleicht kann Gerit mehr zu sagen. In Polen ist es aber so, dass man trotz allem sehr an der eigenen Währung festhält. Also ein Wechsel auf den Euro ist kurz bis mittelfristig nicht zu erwarten. 

 

Gerit Schulze Das ist hier in Tschechien ganz genauso. Also die Einführung des Euro wäre für jede Partei hier in Tschechien politischer Selbstmord. 


Gut zu wissen. Wo sehen Sie trotzdem unausgeschöpfte Chancen für deutsche Unternehmen? 

 

Christopher Fuß Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Potenzialen für zukünftiges Wachstum und für zukünftige Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen. Polen ist ja ein Land mit Ambitionen, das weiter aufsteigen will, das weiter wachsen will. Und beispielsweise sieht man das im Bereich Infrastruktur ganz gut. Polen hat eine ganze Reihe von großen Infrastrukturprojekten angekündigt. Also sei es, dass das Autobahnnetz weiter wachsen soll, sei es, dass man Hochgeschwindigkeitsstrecken für Züge bauen will oder sei es, dass man in Zentralpolen einen neuen Großflughafen bauen will. Das sind natürlich gewaltige Chancen auch für deutsche Unternehmen. Was man natürlich schon sagen muss: Hier in Polen steigen die Löhne, das heißt, bestimmte Produktionsschritte lassen sich nicht mehr wie früher so darstellen, dass man da einfach ganz viele Leute hinstellt und beispielsweise einen Teil montieren lässt, sondern man denkt hier in Polen auch zunehmend über Automatisierung nach. Also wie kann ich beispielsweise mit Robotern, mit irgendwelchen, sagen wir mal Handling-Maschinen bestimmte Produktionsschritte automatisieren? Und das ist natürlich auch eine riesige Chance für deutsche Unternehmen, hier entsprechende Produkte anzubieten. In Polen wie auch in Deutschland steigen die Energiekosten. Das heißt, auch das Thema Energieeffizienz in der Produktion gewinnt an Bedeutung. Auch da haben deutsche Unternehmen Lösungen, 

 

 Und welche Chancen für deutsche Unternehmen bietet Tschechien, Gerit Schulze?


Gerit Schulze Ich möchte vielleicht mal zwei Bereiche rauspicken, wo ich besonders viele Potenziale sehe für die Zukunft. Das eine ist die Abfallentsorgung. Der Hausmüll in Tschechien geht zu über 50 Pozent immer noch auf die Müllhalde ohne dass es irgendwie getrennt wird, sortiert wird oder wiederverwendet wird. Da ist noch ein großes Potenzial, weil natürlich auch die EU Druck macht, dass diese Quote Richtung null Prozent geht. Und damit müssen hier neue Kapazitäten aufgebaut werden für Abfallsortierung, Abfallaufbereitung, für Recycling. Der zweite Bereich ist der Bereich Altlastensanierung. Auch da haben wir in Deutschland, vor allem in Ostdeutschland, ja sehr gute Erfahrungen gesammelt in den letzten zwei, drei Jahrzehnten. Und die Struktur hier in Tschechien ist ähnlich. Wir haben hier auch viele Braunkohlegebiete, wo also im Tagebau Braunkohle auch bis heute noch gefördert wird. Die Förderung läuft natürlich in den nächsten Jahren aus. Und dann müssen diese Braunkohle-Restlöcher, wie man ja so schön sagt,  irgendwie renaturisiert werden. Und zum anderen, das Land ist ja sehr industrialisiert auch seit über 150 Jahren. Deswegen gibt es hier natürlich sehr viele Altlasten im Boden, die entsorgt und beseitigt werden müssen. Das Ganze wird ja häufig finanziert, auch mit großzügigen Fördermitteln aus EU-Fonds. Da gibt es für die nächsten Jahrzehnte wahrscheinlich sogar große Geschäftsmöglichkeiten. 

 

Christopher Fuß Das ist ganz wichtig, was Gerit gerade angesprochen hat. Das Thema EU Fördergelder, also auch für Polen sind EU Fördergelder von ganz entscheidender Bedeutung, gerade wenn es um öffentliche Investitionen geht. 

Lassen Sie uns ruhig noch ein bisschen weiter in die Zukunft schauen: Wie dürften sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Tschechien beziehungsweise Polen  entwickeln?

 

Gerit Schulze Also es wird auf jeden Fall nicht so weitergehen, dass Tschechien sozusagen eine verlängerte Werkbank für deutsche oder andere ausländische Unternehmen bleibt. Denn nur als verlängerte Werkbank kann Tschechien den Rückstand vor allem beim Pro-Kopf-Einkommen und auch bei den Löhnen zu Westeuropa eben nicht aufholen. Und das ist auch das große Ziel Tschechiens. Also die tschechische Regierung in ihren Strategien für die Zukunft, wird immer wieder Wert darauf gelegt, dass Tschechien eben vor allem in Technologien investieren will, in Forschung und Entwicklung investieren will. Das heißt, die Branchen, die davon profitieren könnten, sind vor allem die Halbleiterindustrie und die Chipproduktion. Vor allem auch durch die Nähe zum Silicon Saxony, also zu Europas größtem Halbleitercluster, da hofft Tschechien dann eben auch als Zulieferer sich empfehlen zu können. Und Tschechien hat eben auch eine eigene große Halbleiterindustrie, schon jetzt. Es gibt hier ein großes Unternehmen, amerikanisches, Onsemi, das hier Wafer und und auch Chips produziert und jetzt eine große neue Investition über zwei Milliarden US-Dollar angekündigt hat. Andere Bereiche, wo Tschechien hofft, mehr Wertschöpfung zu erzielen, sind der Bereich Automotive und saubere Mobilität, auch dort vor allem durch Forschung und Entwicklung. Batterietechnologien zum Beispiel, auch im Energiebereich, Energieeffizienz, Energiespeicherung, Wasserstoff. Und da sehe ich dann auch für deutsche Unternehmen wieder gute Möglichkeiten zu kooperieren. 

 

 Und Ihre Prognose für die polnische Wirtschaft, Christopher Fuß?

 

Christopher Fuß Was man, denke ich, schon sagen kann, ist, dass wir hier in Polen weiter die Entwicklung in Richtung höherwertige Produktion sehen werden, also lohnkostenintensive Produktion mit niedriger Wertschöpfung, die wird zunehmend unattraktiver hier in Polen und zieht auch nach und nach weg. Gleichzeitig kommen neue Produktionsschritte hinzu. Also es wird mehr Forschung und Entwicklung in Polen geben. Es wird auch mehr Spezialbau oder Spezialproduktion in kleinen bis mittelgroßen Serien hier geben. Das sehen wir bereits auch jetzt. Und wir sehen auch und werden es auch in Zukunft weiter sehen, dass sich die Produkte ändern. Also Beispiel: Mit der Mobilitätswende gehen Produzenten von Teilen für den Verbrennungsmotor aus Polen weg. Gleichzeitig kommen große Investoren aus dem Bereich Batterieproduktion hier hinzu. Diese Verschiebung in der Produktion, die werden wir weiter sehen. 

 

 Was sind denn die aktuell größten Herausforderungen, vor denen Ihre Länder stehen? 

Gerit Schulze Ein Problem für die tschechische Wirtschaft ähnlich wie in Deutschland sind die hohen Energiepreise. Das hat natürlich enorme Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Die zweite große Herausforderung, die wahrscheinlich perspektivisch sogar noch wichtiger ist, ist der Fachkräftemangel. Das wird dadurch natürlich noch verstärkt, dass Tschechien kaum Arbeitsimigration ins Land zulässt. Und dann gibt es hier in Tschechien auch keine duale Ausbildung, sodass also die Ausbildung auch nicht immer praxisorientiert und bedarfsorientiert an den Bedürfnissen der Unternehmen geschieht.Tschechien hat zusammen mit Polen übrigens die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa. Im Januar waren es jetzt nur 2,6 Prozent. Das war nur halb so hoch wie im Durchschnitt der EU. Das heißt, der Arbeitsmarkt ist relativ leergefegt, auch wenn es jetzt im Moment wieder erste größere Entlassungen gibt durch die Wirtschaftskrise. Aber insgesamt kann man schon sagen, dass es hier kaum noch Personal gibt.

Wie sieht es bei Ihnen aus, Herr Fuß?

Christopher Fuß Die Energiepreise sind auch in Polen eine große Herausforderung. Vielleicht ist Energie hier in Teilen etwas billiger als in anderen Ländern, aber auch hier sind die Kosten deutlich gestiegen. Was in Polen auch eine große Herausforderung ist, sind die Lohnkosten. Die Lohnkosten sind im europäischen Vergleich immer noch recht niedrig, aber sie sind in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich schnell gestiegen. Und wenn man natürlich dann vor ein paar Jahren mal hier ein Werk aufgebaut hat mit dem Ziel, bestimmte Produktionsschritte im Niedriglohnsegment dort zu bewerkstelligen, dann gerät man jetzt als Unternehmen da an gewisse Grenzen. Wir sehen das auch bereits bei den Investitionsströmen, dass Unternehmen, die wirklich nur auf die Lohnkosten gucken, aber in Europa produzieren wollen, dass die nicht mehr nach Polen gehen. Die gehen dann nach Bulgarien oder Rumänien, und da muss sich Polen bisschen auch neu erfinden. Für die Unternehmen hier waren die Lohnkosten lange Zeit DAS Argument, mit dem man gegenüber dem Kunden punkten wollte, gerade im Auslandsgeschäft. Und das muss jetzt zunehmend durch Innovation ersetzt werden. Die größte Herausforderung für Polen ist aber der Ukrainekrieg. Der findet hier in der Nachbarschaft statt. Die Ukraine ist ein Nachbarland von Polen. Die russischen Raketen, die schlagen wenige Dutzend Kilometer von der polnischen Grenze ein. Das sorgt hier natürlich für einiges an Unsicherheit, auch weil ja mittlerweile sehr unklar ist, wie es in diesem Konflikt weitergeht, wie das Ganze ausgehen könnte. Und das hat natürlich Auswirkungen auch hier auf die Stimmung in der Wirtschaft. 


Polen hat ja aktuell den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. Will man da auch politische Ziele setzen?

 

Christopher Fuß Diese Ratspräsidentschaft läuft unter der großen Überschrift Sicherheit. Sicherheit wird von Polen breit verstanden. Da zählen dann Themen wie Energiesicherheit, Industriesicherheit, Versorgungssicherheit, Sicherheit bei der Medikamentenversorgung. Das spielt da alles eine Rolle, natürlich. Aber auch Sicherheit im klassischen Sinne, also Verteidigung. Und da versucht Polen, in den einzelnen Segmenten eigene Akzente zu setzen, Themen zu setzen. Ganz wichtig dafür Polen ist beispielsweise die Zukunft der CO2-Zertifikate. Da will man eher, sagen wir mal, längere Übergangsfristen haben, vielleicht auch mehr Spielraum haben.


Stichwort Interkulturelles: Tickt man in Ihren Gastländern anders als in Deutschland? Wir würden gern ein bisschen von Ihren Erfahrungen profitieren ...

Christopher Fuß Der größte kulturelle Unterschied zwischen Deutschland und Polen ist der, dass die Polen eine Macher-Mentalität haben. Also in Polen legt man erst mal einfach los, wenn man etwas unternehmen will. Man beschäftigt sich nicht lange mit Gedanken darüber, wie man eventuell am besten und effizientesten zum Ziel kommt, sondern man geht erst mal einfach los und auf dem Weg macht man sich dann Gedanken darüber, wie man, sagen wir mal, den Prozess optimieren kann oder ob man jetzt nicht vielleicht noch mal einen anderen Weg wählen sollte. In Deutschland macht man sich ja, bevor es losgeht, viele Gedanken darüber, wie man zum Ziel kommen will. Ich will nicht sagen, dass der eine Ansatz besser ist als der andere. Das hat alles seine Vor- und Nachteile. Und aus meiner Erfahrung ist es so: Wenn man beide Ansätze kombiniert, dann kommt eigentlich erst ein richtig tolles Projekt bei rum. 

 

Und in Tschechien? 

 

Gerit Schulze Ich glaube, da sind sich Polen und Tschechien auf jeden Fall ähnlicher als als Deutsche und Tschechen und Deutsche und Polen, weil auch die Tschechen mögen eigentlich lieber diese Trial-and-Error-Mentalität, Das heißt, sie legen jetzt nicht große Detailpläne vor und machen Konzepte, sondern sie versuchen es erst mal und wenn‘s klappt, dann ist gut. Und wenn nicht, dann wird eben nachgebessert. Das geht manchmal schief, wie man im letzten Jahr gesehen hat bei der Einführung der digitalen Baugenehmigungen hier in Tschechien. Das System ist dann kollabiert, die Server sind zusammengebrochen und es hat alles nicht funktioniert. Aber es wurde halt erst mal versucht. So ist zumindest der Ansatz der Tschechen. Und viele Sachen werden auf diese Weise natürlich auch schneller vorangebracht, indem man einfach mal loslegt und den ersten Schritt macht. Für deutsche Manager hier vor Ort ist das nicht immer einfach. Die kommen mit ihren fixen Zeitplänen und ihren Konzepten und stoßen dann in der Realität auf ein ganz anderes Verständnis davon, wie man Projekte dann umsetzt. Hier in Tschechien wird auch häufig davon geredet, dass dieses deutsche, ja konzeptionelle Herangehen und das tschechische eher so ein bisschen provisorische Herangehen, eine ganz gute Kombination ist, um um größere Projekte umzusetzen. 

 

Verstehe. Aber gibt es auch so richtige interkulturelle Fettnäpfchen, die man meiden sollte?

Gerit Schulze Also Fettnäpfchen gibt es sicherlich eine ganze Menge in diesen Ländern. Also gerade auch vor dem Hintergrund der nicht immer positiven Geschichte, die Deutschland mit diesen Ländern hat. Für mich war es in der Anfangszeit, als ich hier vor 13, 14 Jahren das erste Mal auch dann zu tun hatte eine interessante Erkenntnis, dass Tschechien sich nicht als Osteuropa empfindet. Das war eigentlich so mein größtes Fettnäpfchen, in das ich damals getreten bin, dass ich eben in Gesprächen auch mit Tschechinnen und Tschechen unterstellte, dass dies hier Osteuropa sei. Aber das mögen halt die Tschechen überhaupt nicht, sondern sie verweisen dann auch gerne mal auf Wien, das ja auf dem Längengrad sogar noch zwei Grad östlicher liegt als Prag. 

 

Christopher Fuß Das ist in Polen ganz ähnlich. Auch hier sagt man: Wir sind nicht Osteuropa. Man ist vielleicht Mittelosteuropa oder Ostmitteleuropa, aber man ist in keinem Fall Osteuropa.

Haben Sie weitere Tippsjenseits der gefühlten Geografie?

 

Christopher Fuß Je nach Generation des Ansprechpartners sind Titel hier in Polen sehr wichtig. Auch gerade in der Politik. Also, Herr Minister, Herr Vizeminister, Herr Staatssekretär usw. das ist sehr wichtig, dass man diese Anredeformen dann mitberücksichtigt. Und ich würde es eigentlich immer mit Österreich vergleichen, da ist das ja ähnlich.

 

Gerit Schulze Das ist hier in Tschechien ganz genauso. Also hier schreibe ich meine E-Mail auch an Frau Magister oder an Frau Ingenieurin oder an Herr Mag. Also diese Titel spielen ja auch immer noch eine wichtige Rolle. Und das ist natürlich auch noch aus der Tradition der K & K Monarchie. Was ich aber vielleicht noch nennen möchte, ist, dass man hier in Tschechien mit direkter Kritik etwas zurückhaltend sein sollte. Also das wird nicht gerne gesehen, oder bzw. es wird auch häufig sehr negativ empfunden, wenn man direkt kritisiert, man sollte das ein bisschen verklausulieren und durch die Blume seine Kritik äußern.

 

Christopher Fuß Das ist in Polen ganz ähnlich. Das hat auch was damit zu tun, dass Berufliches und Privates hier nicht so klar getrennt wird, wie wir das aus Deutschland kennen. Von daher ist Kritik an der eigenen Arbeit dann auch schnell mal eine persönliche Kritik. 

 

Also den Herrn Magister nicht vergessen, mit direkter Kritik vorsichtig sein und nie, nie, nie Polen und Tschechien zu Osteuropa zählen Das ist bei uns von WELTMARKT auf jeden Fall schon hängengeblieben. Und vermutlich auch bei den Zuhörerinnen und Zuhörern. Vielen Dank nach Prag und nach Warschau!

 

 Jetzt sprechen wir mit der Geschäftsführerin der tschechischen Dependence von Kärcher , dem Hersteller von Reinigungsgeräten, die so bekannt sind, dass es das Verb „kärchern“ sogar in den Duden geschafft hat. 


Milada Skutilová, danke, dass Sie sich Zeit genommen haben, mit uns zu sprechen. Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen?

Milada Skutilová Ja, dankeschön. Also ich arbeite bei Kärcher als Geschäftsführerin, ich bin bei Kärcher schon 23 Jahre, ich komme ursprünglich aus Brünn und ich habe hier bei der Firma Kärcher damals als Regionalverkaufsleiterin für östlichen Teil Tschechiens angefangen. 

Wie kam das Unternehmen denn überhaupt nach Tschechien?

Milada Skutilová Kärcher ist nach Tschechien kurz nach der Wende gekommen. Erst war das nur eine Repräsentanz und sehr früh, im Jahr 1993, wurde hier eine Tochtergesellschaft gegründet. Aktuell haben wir 130 Mitarbeiter. Und unserem Umsatz hier in Tschechien letztes Jahr war fast 48 Millionen Euro. 

Und wie arbeitet Kärcher bei Ihnen im Land?

In Tschechien sind wir eine reine Sales und Service-Organisation, wir haben hier keine eigene Produktion. So das heißt,unsere Aufgabe ist, Kärcher gut zu vertreten und einen guten und verlässlichen Service für tschechische Kunden zu leisten. 

Sie haben im Vorgespräch von sogenannten  Kärcher-Zentren berichtet. Könnten Sie dazu noch ein bisschen was erzählen? 

 

Milada Skutilová Das sind sehr sichtbare Marken-Verkaufsstellen. Wir haben mehr als 20 hier in Tschechien. In allen Städten, die mehr als 100.000 Einwohner haben. Für uns ist das nicht nur ein Platz, wo sie Kärcher-Geräte bekommen können. Wir haben da auch kleine Servicestellen oder die Kunden können unsere Geräte leihen oder vielleicht auch technische Beratung bekommen.

 

Klingt so, als ginge es Kärcher gut in Tschechien, stimmt das?

 

Milada Skutilová Ja, Kärcher geht‘s gut in Tschechien. Wir wachsen seit zehn Jahren ziemlich stark. 


Trifft das auch auf andere deutsche Unternehmen dort zu? Oder ist Kärcher da eine Ausnahme?

 

Milada Skutilová Ich denke, wir sind keine Ausnahme. Das ist ein Markt, der wächst. Das beste Beispiel wie geht es deutschen Unternehmen in Tschechien ist Skoda. Volkswagen Skoda. Ich denke, das ist eine von in letzter Zeit von den erfolgreichsten Marke von dem Konzern. 

Sehen Sie denn für Kärcher in Tschechien weiter Wachstumspotenziale?

 

Milada Skutilová Ja sicher, sehe ich. Ich denke, da sind mehrere Aspekte. Eine Sache, die klar ist, ist, dass in Tschechien immer wächst die Kaufkraft. Damit sehe ich Wachstumpotenzial in diesem sogenannten organischen Wachstum natürlich, flächendeckend über dem Sortiment. Aber die zweite Sache ist auch für uns sehr interessant und da sehe ich großen Potenzial  in Wachstum von Robotik, so wir haben in unserem Sortiment diese Schrubber als Roboter. Wir haben die auf den tschechischen Markt vor einem Jahr gebracht und präsentiert und seit dem Anfang sind wir erfolgreich im Verkauf von diesen Geräten und auch im Verkauf von Diensten, die damit verbunden sind. Uns fehlen Arbeitskräfte. Damit ist robotische Reinigung wirklich ein Thema, nicht nur in der Zukunft, aber schon jetzt. 


Tschechien hat ja keinen Euro. Ist das für Kärcher gut oder schlecht?

Milada Skutilová Gut nicht. Problem auch nicht. Das ist etwas, womit wir einfach arbeiten müssen. Die Währungsschwankungen sind nicht so groß, die Krone ist mehr oder weniger stabil, weil sie ist sehr nah gebunden an Euro. Aber es kostet uns ein bisschen mehr, damit zu rechnen. Weil Sie müssen manchmal einfach den Kurs sichern bei Bank und das bringt zusätzliche Kosten. 

Sie haben sich also dran gewöhnt, weil das schon immer so ist ...

Milada Skutilová Aber nicht nur ich. Bei uns ist es ganz normal, weil Tschechien ist ein Exportland, ein Industrie-Exportland und alle Exporteure müssen damit arbeiten, so die haben alle einen versicherten Kurs mit Banken geregelt, und auch sehr viele Geschäfte entspielen sich in Euro direkt. Ich muss sagen, dass zum Beispiel ungefähr 30 Prozent von unserem Umsatz entspielt sich in Euro. 

Haben Sie als Tschechin vielleicht Tipps, was deutsche Unternehmen bei Ihnen im Land beachten sollten? Wo liegen denn so die kulturellen Unterschiede?

Milada Skutilová Für mich ist das lustig, weil ich bin so lange bei deutschen Unternehmen, dass ich weiß nicht, ob ich sehe die interkulturellen Unterschiede, aber ich muss sagen, wir haben ein bisschen Unterschiede in sense of humor. Wir Tschechen lieben ironischen Humor und manchmal muss ich mich ein bisschen halten, was ich sage, damit man das wirklich richtig versteht. Aber das sind so Kleinigkeiten würde ich sagen. Und die Sache, was die Arbeit betrifft, da gibt es die deutsche Pünktlichkeit oder Ordentlichkeit. Man braucht für alles eine Bestätigung. Verstehen Sie mich nicht schlecht. So ich bin kein Anarchist oder so. Natürlich verstehe ich, dass die Prozesse, Regeln müssen sein. Aber manchmal ist es so, dass man fühlt, dass jemandem sind die Prozesse oder Regeln mehr wichtig als der Ergebnis. Aber nur in den Ausnahmen, aber manchmal habe ich das Gefühl. 

Zu viele Regeln, zu wenig Humor – das hören wir nicht zum ersten Mal. Da freuen wir uns, wenn im deutsch-tschechischen Miteinander die Lockerheit ein wenig abfärbt. Danke an Milada Skutilová!

WELTMARKT hofft, dass Sie der Ausflug zu unseren Nachbarn neugierig gemacht hat. 

Wie immer finden Sie weitere Informationen zum Besprochenen verlinkt in den Shownotes. In unserer nächsten Folge beschäftigen wir uns mit Exportchancen für die deutsche Gesundheitswirtschaft und sprechen unter anderem mit einer Vertreterin von SPECTARIS, dem  Deutschen Industrieverband für Optik, Photonik, Analysen- und Medizintechnik. Bis dahin, lassen Sie es sich gut gehen.

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