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Oderbrücke Frankfurt-Slubice (Stadtbrücke) Oderbrücke Frankfurt-Slubice (Stadtbrücke) | © Comofoto - stock.adobe.com

Special | Europäische Union | 20 Jahre EU-Osterweiterung

Mittelosteuropa und Deutschland: Seit 20 Jahren eng verbunden

Ob für Exporte, Direktinvestitionen oder als leistungsstarker Beschaffungsmarkt: Mittelosteuropa bietet deutschen Unternehmen auch künftig ein breites Spektrum an Geschäftschancen.

Vor zwei Jahrzehnten erlebte die Europäische Union die größte Erweiterung ihrer Geschichte. Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Slowenien – sie alle gehören seit dem 1. Mai 2004 zur EU und ihrem Binnenmarkt.

Aus diesem Anlass blicken wir zurück und schauen nach vorn: Wie haben sich die Länder und ihre Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland entwickelt? Welche aktuellen Trends bieten deutschen Unternehmen auch weiterhin Geschäftsmöglichkeiten im Osten der EU? Und welche Perspektiven eröffnen sich, wenn die EU in Zukunft weiter wächst? 

Die Antworten und viele weitere nützliche Marktinformationen sowie spannende Interviews mit Unternehmen und Fachleuten aus Politik und Wirtschaft finden Sie in unseren Länderanalysen.

  • Mittelosteuropa: Sternstunde einer Wachstumsregion

    Großer Binnenmarkt, einheitliche Standards, offene Grenzen: Die EU-Mitgliedschaft Mittelosteuropas hat viele Vorteile gebracht. Und die Wachstumsregion hat weiter großes Potenzial.

    Es war ein historischer Meilenstein für Europa: Im Mai 2004 traten der EU gleich zehn Länder bei. In der bis dato größten Erweiterungsrunde wurden Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn sowie Slowenien EU-Mitglied, ebenso Malta und Zypern. Schrittweise Erweiterungen folgten mit Bulgarien und Rumänien im Jahr 2007 sowie zuletzt Kroatien 2013. Der freie Verkehr für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Personen erstreckte sich fortan auf die Neumitglieder, der Binnenmarkt wuchs allein 2004 um rund 75 Millionen Menschen.

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    Vor allem mit Deutschland sind die Länder mittlerweile wirtschaftlich eng verbunden. Tschechische Kfz-Teile sind in deutschen Autos verbaut, estnische Software vereinfacht das Leben europäischer Verbraucher, deutsche Maschinen stehen in Polens Fabriken.

    Warenhandel seit 2004 mehr als verdreifacht

    Der Warenhandel zwischen Deutschland und den acht EU-Ländern in Mittelosteuropa ist seit 2004 um 255 Prozent gewachsen. Ausfuhren und Einfuhren summierten sich 2023 auf fast 419 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Mit China handelte Deutschland 2023 Waren im Wert von rund 253 Milliarden Euro, mit den USA im Wert von rund 252 Milliarden Euro. Der Anteil der acht Länder am deutschen Außenhandel ist in den zwei Jahrzehnten um etwa die Hälfte gestiegen gestiegen – auf über 14 Prozent im Jahr 2023.

    Allein die Visegrád-Staaten Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn (V4) kauften zusammen 2023 deutsche Waren im Wert von fast 191 Milliarden Euro. Damit bilden sie den Grundpfeiler im deutschen Export nach Mittel- und Osteuropa. Der deutsche Markt wiederum ist für die V4-Länder von zentraler Bedeutung. Mit Anteilen zwischen 20 und 30 Prozent an ihren Gesamtausfuhren ist die Bundesrepublik Exportziel Nummer 1.

    Insbesondere die deutschen Investitionsgüterhersteller und die Automobilbranche haben von der Erschließung neuer Märkte im Osten der EU profitiert. Aber auch deutsche Einzelhandelsketten sind in der Region flächendeckend vertreten.

    Die EU-Erweiterung nach Osten hat deutschen Unternehmen geholfen, in einem zunehmend wettbewerbsintensiveren globalen Umfeld neue Absatzmärkte zu erschließen und günstigere Standorte in ihre Produktionsketten zu integrieren. Davon haben auch die Beschäftigten in den Stammwerken in Deutschland profitiert, weil die Unternehmen dadurch wettbewerbsfähiger wurden.

    Philipp Haußmann Stellvertretender Vorsitzender des Ost-Ausschusses und Vorstandssprecher der Ernst Klett AG

    EU-Mitgliedschaft ist Standortvorteil

    Einen nicht unerheblichen Anteil an den grenzüberschreitenden Warenströmen hat der unternehmensinterne Handel. Deutsche Betriebe haben in den östlichen EU-Ländern viele Niederlassungen aufgebaut, oft im produzierenden Gewerbe. Der kumulierte Bestand deutscher Direktinvestitionen in den acht 2004 beigetretenen mittelosteuropäischen Staaten belief sich 2021 laut Bundesbank auf gut 97 Milliarden Euro.

    Die Übernahme von EU-Recht hat die Rechtssicherheit für ausländische Firmen gestärkt. Laut Konjunkturumfrage der deutschen Auslandshandelskammern für Mittel- und Osteuropa von 2023 war für mehr als zwei Drittel der befragten Firmen die EU-Mitgliedschaft ein maßgeblicher Standortfaktor.

    Arbeitskräfte nutzen Freizügigkeit

    Mehr als 830.000 Menschen aus den im Jahr 2004 beigetretenen EU-Ländern arbeiteten Ende September 2023 laut Bundesagentur für Arbeit sozialversicherungspflichtig in Deutschland. Knapp zwei Drittel davon stammen aus Polen. Sie stellen inzwischen die zweitgrößte Gruppe aller ausländischen Beschäftigten in Deutschland dar. Unter Berücksichtigung von Bulgarien, Rumänien und Kroatien kommen sogar mehr als 1,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte aus den seit 2004 beigetretenen EU-Ländern. Das sind zusammen 5 Prozent aller bundesweit Beschäftigten. Der Anteil ausländischer Beschäftigter insgesamt lag bei 15,3 Prozent. Damit kommt jede dritte sozialversicherungspflichtige Arbeitskraft mit ausländischem Pass aus dem Osten der EU.

    Aufgrund der anfangs deutlich niedrigeren Löhne in den Beitrittsländern befürchteten Industrie, Handel und Handwerk in Deutschland zunächst eine Konkurrenz durch billige Arbeitskräfte. Heute fällt die Gesamtbilanz positiv aus. Laut Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), mussten die grenznahen Regionen durch die Osterweiterung zwar Anpassungsprozesse bestehen, profitieren aber heute von den Vorteilen des Binnenmarktes. "Großen Anteil daran haben die Einwanderung und der erleichterte Pendelverkehr von Fach- und Arbeitskräften aus den Nachbarländern", sagt Dittrich im Interview mit Germany Trade & Invest (GTAI).

    EU-Gelder unterstützen die Konvergenz

    Die damaligen EU-Neulinge haben sich seit 2004 dynamisch entwickelt: Ihr Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs seit dem Beitritt doppelt so schnell wie im EU-Durchschnitt. Länder wie Lettland oder Litauen haben sich in weniger als einer Generation von einem BIP pro Kopf von nur 30 bis 40 Prozent des Niveaus der alten Mitgliedstaaten auf heute 70 bis 85 Prozent hochgearbeitet. Tschechien und Slowenien sind wirtschaftlich inzwischen annähernd gleichauf mit manchen westeuropäischen Volkswirtschaften. "Dies ist eine bemerkenswerte Leistung und spricht Bände über den Nutzen der EU-Erweiterung für die Neumitglieder", berichtet Zuzana Zavarská vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) im Gespräch mit GTAI.

    Neben der Integration in den Binnenmarkt haben auch Fördermittel der EU zum Konvergenzprozess beigetragen. So flossen laut Daten der Europäischen Kommission im Zeitraum 2007 bis 2020 allein aus den Struktur- und Kohäsionsfonds rund 269 Milliarden Euro in die acht Länder, weitere Instrumente noch nicht einbezogen.

    Brüssel setzt Impulse zur Modernisierung

    Die EU-Mitgliedschaft bleibt ein wichtiger Motor für die wirtschaftliche Modernisierung Mittelosteuropas, sowohl in regulatorischer als auch in finanzieller Hinsicht. EU-Fördergelder unterstützen die Investitionsanstrengungen der Region, um grüner, digitaler und innovativer zu werden.

    Mit dem "Green Deal" stehen die EU-Länder vor einer anspruchsvollen Agenda zur Dekarbonisierung. Das Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken, wird den emissionsintensiven mittelosteuropäischen Ländern nur mit enormen Investitionen gelingen. Der Bedarf reicht von moderner Kraftwerkstechnik über intelligente Produktionsverfahren bis hin zu Lösungen für nachhaltige Mobilität. Schlüsselbranchen stehen vor einem Strukturwandel, der Automobilbau rüstet auf Elektromobilität um.

    Von 2021 bis 2027 erhalten die acht Länder zusammen mindestens 201 Milliarden Euro aus den Struktur- und Kohäsionsfonds sowie dem Wiederaufbaufonds. Obendrauf kommen Gelder aus weiteren Instrumenten wie dem Modernisierungsfonds. Die Mittel finanzieren den Ausbau regenerativer Energiequellen, unterstützen innovative Unternehmen und ein praxisorientiertes Bildungswesen, sie helfen beim Erneuern von Infrastruktur oder fördern Forschungskooperationen.

    Deutschen Anbietern von Maschinen, Ausrüstungen, technologischen Lösungen oder Planungsleistungen eröffnet all das weiterhin ein breites Spektrum an Geschäfts- und Kooperationsmöglichkeiten. Der Osten der EU erlebt außerdem als bewährter und zuverlässiger Beschaffungsmarkt gerade eine Renaissance.

    Das nächste Kapitel der Erweiterung 

    Vor den Toren der EU stehen die Länder des Westbalkans und weitere Kandidaten bereit, um sich stärker in Europas Wertschöpfungsketten zu integrieren. Ob und wann sie den Schritt zum EU-Mitglied vollziehen können, bleibt abzuwarten. "Künftige Beitrittsländer müssen gut gewappnet sein, um dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU-Binnenmarktes standzuhalten und den rechtlichen Besitzstand der EU umzusetzen", sagt Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Interview mit GTAI.

    Die europäische Gemeinschaft steht angesichts der aggressiven Politik Russlands und der wachsenden Einflussnahme Chinas vor Herausforderungen. Sie muss den Kandidatenländern in ihrer östlichen Nachbarschaft dringend reale Perspektiven eröffnen und weitere Kapitel in den Beitrittsverhandlungen aufschlagen.

    Von Fabian Möpert | Berlin

  • Estland, Lettland und Litauen: Neue Wege im Nordosten der EU

    Die baltischen Staaten waren bisher nicht so stark auf dem Radar deutscher Firmen wie etwa Polen. Das ändert sich gerade. Immer mehr Unternehmen entdecken das Potenzial des Trios. 

    Estland, Lettland und Litauen haben seit ihrer Unabhängigkeit zu Beginn der 1990er Jahre eine beindruckende Transformation durchlaufen. Mit dem EU-Beitritt 2004 hat die Entwicklung nochmal deutlich an Fahrt aufgenommen. So lag die Wirtschaftsleistung in Estland und Lettland 2023 preisbereinigt 50 Prozent höher als 2004. Litauen kommt sogar auf 70 Prozent. Zum Vergleich: Im EU-Durchschnitt waren es 27,2 und in Deutschland 25,3 Prozent. 

    Einen besonders guten Ruf genießen die drei Staaten im Bereich Digitalisierung. Deutlich wird ihr digitales Know-how beim Blick auf den von der Europäischen Kommission veröffentlichten Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI). Die baltischen Staaten schneiden beim Indikator "Digitale öffentliche Dienste" überdurchschnittlich gut ab. 

    Estland, Lettland und Litauen haben mit Riesenschritten aufgeholt und sind Deutschland mittlerweile vor allem im IT- und Bildungsbereich weit voraus. Aktuell verstärkt sich sogar der Trend, dass baltische Unternehmen ihre Investitionstätigkeit nach Deutschland ausweiten. Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den drei baltischen Staaten entwickelt sich also hoch dynamisch. 20 Jahre EU-Mitgliedschaft und der gemeinsame EU-Binnenmarkt sind daher gerade in dieser Region eine beeindruckende Erfolgsgeschichte!

    Florian Schröder Geschäftsführender Vorstand AHK Baltikum

    Estland, das nördlichste und kleinste der drei Länder, gilt als Europas Vorreiter bei E-Government. Im DESI 2022 liegt es bei dem Indikator auf Platz 1. Mittlerweile lassen sich in Estland 99 Prozent der Behördengänge online erledigen. Möglich macht das die e-Residency, eine digitale Identität, die Estland 2014 als erstes Land der Welt einführte. 

    10 Unicorns

    kann Estland mittlerweile vorweisen.

    Estlands großes Know-how und die hohe Affinität für Digitalisierung und neue Technologien werden auch im heimischen Start-up-Sektor sichtbar. Gemessen an der Einwohnerzahl hat Estland weltweit die meisten Einhörner, das sind Start-ups mit einer Unternehmensbewertung von mindestens 1 Milliarde Euro, hervorgebracht. Zehn solcher Unternehmen gibt es im Land bereits, darunter bekannte Größen wie Skype, Bolt und (Transfer)Wise. Weit fortgeschritten ist auch die Forschung zum autonomen Fahren. Eine Reihe estnischer Unternehmen entwickelt Lösungen in diesem Bereich. 

    Estland sticht bei Innovationen hervor

    Die enorme innovative Entwicklung, die die estnische Wirtschaft seit dem EU-Beitritt durchlaufen hat, lässt sich am European Innovation Board ablesen. Laut Ausgabe 2023 des von der Europäischen Kommission veröffentlichten Index gilt Estland als "moderater Innovator". Das Land liegt jedoch nur noch knapp unter dem EU-Durchschnitt und ist damit auf dem Sprung zur nächsten Kategorie als "starker Innovator". Und: Von allen zehn Mitgliedstaaten, die 2004 der EU beitraten, schneidet Estland nach Zypern am besten ab. Die baltische Republik hat Länder wie Spanien, Portugal und Italien im Ranking überholt. 

    Das Innovation Board verdeutlich aber auch die unterschiedliche Entwicklung der drei baltischen Staaten. Zwar haben sich alle drei Volkswirtschaften gut entwickelt. Estland sticht mit Rang 12 aber merklich hervor, Litauen liegt auf Platz 19, Lettland auf Platz 25. Ein Bild, das sich bei vielen wirtschaftlichen Rankings bietet: Estland führt das baltische Trio an, Litauen ergattert Silber und Lettland Bronze. 

    Estland ist der Taktgeber des Baltikums.

    Theis Klauberg Rechtsanwalt

    Aber auch Lettland ist ein interessanter Wirtschaftsstandort für deutsche Unternehmen. Das unterstreicht auch Theis Klauberg, der seit 2000 als Wirtschaftsanwalt in den baltischen Staaten tätig ist. "Lettland bietet - genauso wie Estland und Litauen - eine Vielzahl von Möglichkeiten für deutsche Unternehmen. Beispielsweise im Infrastrukturbereich, aber auch bei den erneuerbaren Energien", sagt der Jurist im Interview mit Germany Trade & Invest

    Diese Chancen ergeben sich zum Teil auch dank europäischer Fördermittel. Bereits in den vergangenen 20 Jahren haben diese wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der drei Staaten beigetragen. In der EU-Förderperiode 2021 bis 2027 werden Estland, Lettland und Litauen zusammen mehr als 14 Milliarden Euro europäische Gelder erhalten. 

    Erneuerbare Energie im Aufschwung

    Ein Schwerpunkt beim Einsatz der EU-Fördermittel ist die grüne Wende: Die baltischen Länder wollen in den kommenden Jahren stark in erneuerbare Energien investieren. Damit einher geht der Ausbau der Stromnetze. Die drei Staaten sind derzeit noch Teil des russischen Stromverbunds BRELL. Im Jahr 2025 soll der Wechsel in den europäischen Verbund erfolgen. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. 

    Estland, Lettland und Litauen eint ein großes Potenzial für Offshore-Windenergie. Berechnungen der Europäischen Kommission von 2019 beziffern dieses auf insgesamt 26 Gigawatt. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 8 Gigawatt.

    14,5 Gigawatt

    beträgt das Potenzial für Offshore-Windkraft in Lettland laut Europäischer Kommission.

    Die drei Staaten dürften aufgrund des großen Potenzials für erneuerbare Energien in einigen Jahren mehr Strom produzieren als sie für den eigenen Markt benötigen. Das macht sie zu potenziellen Energieexporteuren. Sie könnten dann beispielsweise grünen Wasserstoff nach Deutschland exportieren.  

    Rail Baltica bringt die Integration ins mitteleuropäische Bahnnetz

    Auch der Infrastrukturausbau profitiert in den kommenden Jahren von europäischen Fördergeldern. Mit der Rail Baltica erhalten Estland, Lettland und Litauen via Polen Anschluss an das europäische Bahnnetz mit Normalspurweite. Das bestehende Schienennetz der drei Länder nutzt russische Breitspur. Deutsche Firmen wie DB Engineering & Consulting sind an dem Bahnprojekt beteiligt. Die für 2025 geplante Fertigstellung der zweigleisigen Hochgeschwindigkeitsstrecke verzögert sich bis mindestens 2030. Rail Baltica ist aber bei weitem nicht das einzige große Schienenprojekt im Baltikum. Beispielsweise werden immer mehr Strecken elektrifiziert. 

    Die Elektrifizierung der Rail Baltica ist das größte Projekt dieser Art in ganz Europa. Wir bauen eine komplett neue Infrastruktur auf. Hier wachsen Ost- und Mitteleuropa auf der Schiene zusammen, und wir können dazu beitragen.

    Niko Warbanoff Geschäftsführer DB Engineering & Consulting

    Deutsche Betriebe produzieren in Litauen

    Mittlerweile sind in allen drei baltischen Staaten Tochterunternehmen deutscher Firmen anzutreffen. Im verarbeitenden Gewerbe konnte vor allem Litauen große Investitionen aus Deutschland gewinnen. Die beiden Automobilzulieferer Continental und Hella betreiben Produktionsstätten in Kaunas.

    Der deutsche Hersteller von Holzfaserplatten Homann Holzwerkstoffe hat nahe Vilnius ein Werk errichtet, das voraussichtlich im September 2024 eröffnet wird. Ursprünglich war der Start für Ende 2023 angedacht. Probleme mit der Umweltgenehmigung verzögern die Eröffnung. Aus Sicht des Unternehmens ist die vorliegende Genehmigung nicht ausreichend belastbar für eine wirtschaftliche und wettbewerbsfähige Produktion.

    Automatisierungslösungen werden interessant

    In Estland, Lettland und Litauen fehlen Fachkräfte. Schwierigkeiten bei der Suche nach Personal sowie stark steigende Löhne werden die Nachfrage der Industrie nach Automatisierungslösungen stimulieren. Wie Zahlen der International Federation of Robotics (IFR) zeigen, haben die drei Staaten hier Nachholbedarf. In Litauen kamen 2022 auf 10.000 Beschäftigte im verarbeitenden Gewerbe 40 Industrieroboter. In Estland waren es 38, in Lettland 12. Zum Vergleich: Polen kommt auf 71.

    Auch als Beschaffungsmarkt gewinnen die baltischen Staaten an Bedeutung. Günstigere Arbeitskosten als in Westeuropa, kurze Lieferwege und hohe Qualität machen Estland, Lettland und Litauen attraktiv für deutsche Einkäufer. Das gilt nicht nur für die reine Auftragsfertigung, sondern auch für die Produktion komplexerer Komponenten. Immer mehr deutsche Firmen bestellen beispielsweise Metallprodukte im Baltikum. Auch der litauische Maschinenbau sowie die Chemieindustrie bedienen zunehmend Kunden aus Deutschland.

    Von Niklas Becker | Helsinki

  • Polen: Von der Werkbank zum Wachstumsmotor

    Beim EU-Beitritt galt Polen als günstiger Standort für einfache Güter. Heute produziert das Land Spitzentechnik. Mit den neuen EU-Geldern könnte die Erfolgsgeschichte weitergehen.

    Polens Mitgliedschaft in der EU ist eine besondere Erfolgsgeschichte. Seit dem Beitritt zur Staatengemeinschaft legte das Bruttoinlandsprodukt des Landes um das Dreieinhalbfache zu. Dieses Tempo kann sich auch im regionalen Vergleich sehen lassen. Polens Wirtschaftskraft wuchs in den vergangenen zehn Jahren nämlich nicht nur doppelt so schnell wie der EU-Durchschnitt, sondern auch schneller als die Volkswirtschaften aller anderen Beitrittsländer von 2004.

    Polnische Unternehmen profitieren dank der EU-Mitgliedschaft vom Zugang zu europäischen Absatzmärkten. Der Wegfall der Zollgrenzen schlägt sich in der Außenhandelsstatistik nieder. Der Wert der Exporte Polens in die Mitgliedsstaaten der EU stieg seit 2004 um fast das Sechsfache. Knapp drei Viertel aller polnischen Ausfuhren gehen heute an Partner in der Staatengemeinschaft.

    Auch dank der Auslandseinnahmen schließen polnische Unternehmen zur europäischen Spitzengruppe auf. Ein Beispiel ist der Energiekonzern Orlen. Er gehört mittlerweile laut Fortune500 zu den 100 umsatzstärksten Firmen Europas. Außerdem besetzen polnische Firmen wichtige Spezialmärkte. So kommt mit TFKable einer der größten Kabelhersteller Europas aus Polen.

    320 %

    Wachstum beim Export von Batterien zwischen 2019 und 2023.

    Die geografische Nähe zu westeuropäischen Absatzmärkten zieht Investoren an. Dazu gehören der schwedische Möbelriese Ikea oder der deutsche Autobauer Mercedes-Benz. Gleichzeitig schafft es Polen, internationale Hersteller von strategisch wichtigen Technologien anzulocken. Unmittelbar in der Nähe von Wrocław investiert der Chipproduzent Intel. Etwas weiter südlich, in Nysa, stampft ein Joint-Venture von Umicore und Volkswagen eine Fabrik für Batterieelemente aus dem Boden. Internationale Investoren haben das Land zu einem der größten Exporteure von Batterien für Elektrofahrzeuge in der EU gemacht.

    Polen ist seit vielen Jahren ein beliebter Produktionsstandort für Unternehmen aus Deutschland. Das Investitionsgeschehen hat sich seit der Coronapandemie sogar noch weiter beschleunigt. Es gibt einen anhaltenden Trend hin zu mehr Nearshoring und lokalen Lieferketten. Davon profitiert Polen. Der steigende Wohlstand des Landes schafft außerdem neue Absatzchancen für deutsche Exporteure.

    Lars Gutheil Geschäftsführer der AHK Polen

    Ein solides Fundament

    Polen ist das mit Abstand bevölkerungsreichste Land aus der Erweiterungsrunde von 2004. Die im Vergleich große Einwohnerzahl stärkt den Binnenmarkt. Einzelhandelsunternehmen aus Deutschland wissen diesen Umstand für sich zu nutzen. Lidl, MediaMarkt oder Rossmann betreiben ein landesweites Filialnetz.

    In der Coronapandemie hat sich außerdem die breit gefächerte Branchenstruktur der heimischen Industrie bewährt. Schwächelt die Automobilindustrie, können andere Wirtschaftszweige die Verluste abfedern.

    Das heißt nicht, dass Krisen und globale Strukturumbrüche an Polen spurlos vorbei gehen. Die Strompreise für Unternehmen haben sich zwischen 2021 und 2023 verdoppelt. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes wuchs 2023 erstmals langsamer als der EU-Durchschnitt. Internationale und heimische Firmen fordern Energie aus emissionsfreien Quellen. Die Wirtschaft ist heute der wichtigste Treiber der Energietransformation in Polen.

    Mehr Effizienz und weniger Emissionen

    Um Strom nachhaltiger und billiger zu produzieren, stellt das Land von Braun- und Steinkohle auf Fotovoltaik und Windkraft um. Außerdem sollen Erdgas und Atomkraft eine wichtige Rolle im Energiemix spielen. Bereits heute beteiligen sich Firmen aus Deutschland am Bau von Solaranlagen, Offshore-Windparks oder Gaskraftwerken. Parallel dazu investieren polnische Netzbetreiber wie PGE, Tauron oder Energa Milliardenbeträge in Stromleitungen und Energiespeicher. Nicht überall stößt der Umbau des Energiesektors auf Gegenliebe. Vertreter der immer noch einflussreichen Kohleindustrie wehren sich gegen den Wandel. Die großen politischen Parteien meiden den offenen Konflikt mit den Bergbaugewerkschaften.

    27,1 %

    beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien an Polens Stromproduktion 2023.

    Neben den Energieerzeugern soll auch der Verkehrssektor Emissionen abbauen. Bis 2030 werden laut der vorläufigen nationalen Energiestrategie knapp 1,5 Millionen Elektrofahrzeuge und Plug-In Hybride auf den Straßen unterwegs sein.

    Gleichzeitig investiert der staatliche Schienennetzbetreiber PKP PLK in seine Gleise. Deutsche Hersteller bringen ihr Know-how ein. Der Tunnel für eine Durchfahrtslinie unter der Stadt Łódź entsteht mit Hilfe von Maschinen der Firma Herrenknecht aus Schwanau. Die Eisenbahnunternehmen wiederum benötigen neue Lokomotiven und Züge. Deutsche Anbieter können sich hier durchzusetzen. Ein Rahmenvertrag zwischen dem Schienenfahrzeugverleiher Cargounit und Siemens Mobility vom Februar 2024 umfasst die Lieferung von 100 Lokomotiven.

    Auch die Produktionsunternehmen in Polen stehen vor einer Modernisierungswelle. Die Industrie im Land ist weniger automatisiert als beispielsweise in Tschechien oder in der Slowakei. Mitursächlich sind die niedrigen Arbeitskosten und die hohe Zahl verfügbarer Arbeitskräfte in Polen. Doch die Situation wandelt sich. Die Durchschnittsgehälter haben sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt. Vor allem in Westpolen ist der Arbeitsmarkt leergefegt. Außerdem wollen die Unternehmen in den internationalen Wertschöpfungsketten weiter aufsteigen und immer komplexere Produkte herstellen. All diese Faktoren tragen dazu bei, dass Polen heute einer der dynamischsten Märkte für Roboter in Europa ist. Den Trend bestätigt Rainer Pauly von der Personalberatung Deininger im Interview mit Germany Trade & Invest.

    Es fließen deutlich mehr Ressourcen in die Automatisierung. Vor allem die Coronapandemie hat dem Thema einen Schub gegeben. Maschinen werden nicht krank und müssen nicht geimpft werden. Ich rekrutiere für meine Kunden mittlerweile Spezialisten, die sich manuelle Prozesse anschauen und überlegen, wie man den Vorgang automatisieren kann.

    Rainer Pauly Geschäftsführer Deininger Consulting in Warschau

    Ohne EU-Förderung geht es nicht

    Für all die ambitionierten Pläne braucht Polen Geld. Ein Teil der Mittel wird aus EU-Töpfen kommen. Polen ist der größte Empfänger von Zuschüssen aus der europäischen Kohäsionspolitik. Der Wert aller seit 2004 nach Polen geflossenen Kohäsionsmittel entspricht knapp zwei Dritteln aller im gleichen Zeitraum geflossenen ausländischen Direktinvestitionen.

    Lange Zeit blieb Polen der Zugriff auf neue EU-Gelder verwehrt, weil das Land nach Auffassung der Europäischen Kommission gegen Prinzipien der Rechtstaatlichkeit verstößt. Der Streit scheint nach dem Regierungswechsel vom Dezember 2023 vorerst beigelegt. Der neue Justizminister Adam Bodnar stellte in Brüssel eine geplante Justizreform vor. Die Europäische Kommission gab daraufhin ihre Blockade der EU-Mittel auf. Es geht um beträchtliche Summen. In der aktuellen Haushaltsperiode kann Polen über die Kohäsionspolitik und über den Wiederaufbaufonds mehr als 135 Milliarden Euro abrufen.

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Tschechien: Der Musterschüler zeigt plötzlich Schwächen

    Der EU-Beitritt Tschechiens war zwei Jahrzehnte lang ein Erfolgsmodell. Nun zeigen sich erste Bremsspuren, der Aufholprozess gerät ins Stocken. Neue Wachstumsideen sind gefragt.

    Tschechien galt lange als Musterschüler unter den EU-Neulingen: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte seit dem Beitritt zur Union im Jahr 2004 im Durchschnitt um 2,3 Prozent pro Jahr zu, die Staatsfinanzen waren im Lot, die Rechtssicherheit gewährleistet und die Infrastruktur auf gutem Niveau. So avancierte Tschechien zum Investorenparadies, besonders für deutsche Unternehmen. Der Bestand ausländischer Direktinvestitionen erreicht über 74 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit deutlich mehr als in Polen (42 Prozent im Jahr 2021, Quelle: Eurostat).

    Handelsvolumen größer als die Wirtschaftsleistung

    Auch im Außenhandel spiegelt sich die Leistungskraft der kleinen Republik wider. Der Warenaustausch wuchs seit 2004 doppelt so schnell wie die Wirtschaftsleistung. Das Handelsvolumen lag 2023 bei 364 Milliarden Euro und übertraf das BIP um ein Fünftel. Die Exporte kletterten 2023 trotz Rezession auf den Rekordwert von fast 185 Milliarden Euro.

    80 %

    der tschechischen Exporte gehen in die EU.

    Zur engen Verflechtung mit Europa haben auch die Fördermittel aus Brüssel beigetragen. Seit dem Beitrittsjahr bekam Tschechien netto über 40 Milliarden Euro mehr aus EU-Fonds, als es selbst in die Gemeinschaftskasse einzahlte. Mit dem Geld sanierte das Land Straßen und Schienenwege, glich regionale Ungleichgewichte aus, investierte in Bildung, Forschung und Umweltschutz. So rückte Tschechien in Sichtweite der westeuropäischen Wirtschaftskraft.

    Bis zum Ausbruch der Coronapandemie kletterte die Wirtschaftskraft auf 93 Prozent des EU-Durchschnitts (BIP pro Kopf in Kaufkraftparitäten). Tschechien schnitt damit besser ab als alle anderen jungen EU-Mitgliedsländer der Region.

    Pandemie ließ den Aufschwung stocken

    Doch seit Covid-19 die Welt aus den Angeln hob, die Lieferketten rissen und Russlands Angriff auf die Ukraine die Energiepreise explodieren ließ, gerät Tschechiens Aufholjagd ins Stocken. Aufgrund der hohen Inflation hat es als einzige Volkswirtschaft der EU bis dato nicht die reale Wirtschaftsleistung erreicht, die es vor Ausbruch der Coronapandemie hatte. Das Niveau sank 2022 wieder auf 90 Prozent des EU-Durchschnitts.

    Einstige Tugenden wie gesunde Staatsfinanzen sind mittlerweile passé. Im Jahr 2023 stieg die Verschuldung auf einen Rekordwert von fast 130 Milliarden Euro.

    Auch die Auslandsinvestoren stehen nicht mehr Schlange. Die staatliche Investitionsförderagentur CzechInvest konnte 2023 nur zehn große Projekte vermitteln, darunter lediglich drei Neuansiedlungen. Der Großteil waren Investitionen in bestehende Fabriken.

    Wird der einstige Musterschüler nun also zum Sorgenkind im europäischen Staatenbund? Sicherlich nicht. Denn Tschechien bleibt eine industrielle Großmacht. Seine Unternehmen bauen Flugzeuge, Eisenbahnen, Schwerlastwagen, Busse, Elektronenmikroskope und Kraftwerksturbinen, die in der ganzen Welt gefragt sind.

    Die Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland sind so gut wie nie zu vor. Hieran haben unsere intensiven Wirtschafts- und Handelsbeziehungen großen Anteil. Es war die Wirtschaft, die die Annäherung bereits in den 1990er Jahren vorantrieb. Heute sind wir füreinander zentrale Handelspartner, unsere Wertschöpfungsketten sind aufs Engste miteinander verbunden. Durch gegenseitige Investitionen und gemeinsame Projekte können wir nicht nur unsere gemeinsamen Wirtschaftsräume optimieren, sondern auch Impulse für weitere Innovationen und Wachstum setzen.

    Andreas Künne Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Tschechischen Republik

    Zur industriellen Vielfalt kommt die Stärke der Regionen. Zwar sticht die Metropole Prag als wichtigstes Wirtschaftszentrum hervor. Doch das verarbeitende Gewerbe brummt in Ostrava, Plzeň und Brno. Südmähren ist ein Zentrum der Elektronik- und Flugzeugindustrie. Und Mittelböhmen boomt dank des Logistiksektors und der Automobilproduktion.

    Ein massiver Strukturwandel steht dem Kohle- und Stahlrevier Mährisch-Schlesien sowie den Braunkohleregionen Ústí nad Labem und Karlovy Vary bevor. Vielleicht siedeln sich gerade dort die Technologien der Zukunft an. BMW betreibt seit Sommer 2023 bei Karlovy Vary seine modernste Teststrecke für autonomes Fahren. Und Mährisch-Schlesien ist für eine Gigafactory im Gespräch.

    Mikrochips aus Mähren für deutsche Autos

    Der Volkswagen-Konzern will künftig aus tschechischen Halbleiterwerken intelligente Energie- und Sensortechnologien für Elektroautos beziehen. Die Prager Regierung setzt auf die europäische Mikrochip-Förderung, um die Halbleiterbranche zu entwickeln. Es gibt bereits kleinere Chipfabriken und wichtige Zulieferer. Dazu gehört der Stuttgarter Anlagenbauer Exyte, der in Böhmen mehrere Fabriken für Reinraumumgebungen betreibt.

    Die Halbleiterindustrie könnte den starken Fokus auf klassische Industriezweige wie den Automobilbau verringern. Die Förderagentur CzechInvest sucht jetzt gezielter Projekte zur Transformation der Wirtschaft und konzentriert sich auf die Mikroelektronik, Elektromobilität, Kreislaufwirtschaft, künstliche Intelligenz und neue Materialien.

    Die großen Investitionen deutscher Unternehmen in den 1990er Jahren waren für Tschechien ein Modernisierungsschub mit hunderttausenden neuen Arbeitsplätzen. Der Beitritt zur EU und ihrem Binnenmarkt 2004 war ein Katalysator für diese dynamischen Beziehungen. Bis heute ist der Handel mit Deutschland das Zugpferd für den tschechischen Außenhandel, und immer mehr Unternehmen entdecken den deutschen Markt als Brücke in das globale Geschäft. Nutzen wir diese enge Verflechtung, um die riesigen Herausforderungen der Transformation gemeinsam zu meistern!

    Bernard Bauer Geschäftsführender Vorstand AHK Tschechien

    Rückstand bei Innovationen

    Deutsche Investoren würden eine breitere Aufstellung der tschechischen Industrie begrüßen, meint etwa Thomas Gaßmann, Geschäftsführer des Logistikunternehmens Geis CZ, im Interview mit Germany Trade & Invest. Doch der Weg dahin ist weit. Im Europäischen Innovationsanzeiger 2023 wird Tschechien nur als "moderater Innovator" geführt. Bei Patenten, wissensbasierten Exporten und Forschungsausgaben ist der Rückstand zu Westeuropa groß. Gut schneidet das Land hingegen bei der Anwendung von IT-Technologien und bei öffentlich-privaten Partnerschaften ab.

    3 Unicorns

    hat Tschechiens Start-up-Szene hervorgebracht.

    Als drittes Start-up erreichte die Prager Softwarefirma Mews im Frühjahr 2024 erstmals eine Bewertung von mehr als 1 Milliarde US-Dollar. Sie entwickelt Managementsysteme für Hotels. Zuvor hatten der Lieferdienst Rohlík und der Softwareentwickler Productboard diese Hürde genommen.

    Viel Potenzial bietet der Energiesektor. Der geplante Ausbau des Kernkraftwerks Dukovany wird das größte Investitionsprojekt seit dem EU-Beitritt. Bei erneuerbaren Energiequellen ist dank Förderung aus Brüssel Goldgräberstimmung ausgebrochen. Die Prager Firma Raylyst Solar führt 2024 sogar die Liste der am schnellsten wachsenden Unternehmen in Europa an.

    Gute Wachstumsaussichten hat die Biotechnologiebranche. Die Regierung sieht sie als wichtigen Innovationstreiber und will ausländische Arzneimittelhersteller dazu bewegen, Produktionskapazitäten in Tschechien anzusiedeln. Europa soll dadurch unabhängiger von Einfuhren aus Asien werden. Der Musterschüler Tschechien könnte seinem Ruf also bald wieder gerecht werden und diesmal bei Resilienz und Diversifizierung glänzen.

    Von Gerit Schulze | Prag

  • Slowakei: Tatra-Tiger braucht neues Kraftfutter

    Die Slowakei galt als Spätzünder auf dem Weg in die EU – hat dann nach dem Beitritt aber besonders viel Tempo gemacht. Für weitere Erfolge muss Bratislava Reformen anpacken.

    Am Anfang sah alles nach einem Fehlstart aus: Noch in den 1990er Jahren hagelte es Kritik an der niedrigen Privatisierungsquote und den Demokratiedefiziten. Erst im Frühjahr 2000 begannen die EU-Beitrittsgespräche. Trotzdem schaffte es die Slowakei pünktlich in den Kreis der neuen Mitglieder. Und gleich zum Start 2004 sorgte die Regierung für einen Paukenschlag: Eine Flat Tax von 19 Prozent bei der Einkommen-, Körperschaft- und Mehrwertsteuer. Die Steuerreform war ein voller Erfolg und lockte Investoren an, die Wirtschaft nahm Fahrt auf, die Staatseinnahmen stiegen kräftig und schnell war vom "Tatra-Tiger" die Rede.

    Heute ist die Slowakei ein fester Bestandteil der Europäischen Union. Durch den Beitritt zur Eurozone zementierte sie 2009 ihr Bekenntnis zur EU. Die Wirtschaft wächst im langjährigen Durchschnitt 1 Prozentpunkt schneller als im Nachbarland Tschechien. Die Wolkenkratzer-Skyline in Bratislava zeugt vom wirtschaftlichen Aufschwung der Tatrarepublik.

    Weltmeistertitel dank der Autoindustrie

    Kernpfeiler des slowakischen Wirtschaftswunders ist die Automobilindustrie. Vier große Hersteller betreiben Fabriken im Land: Volkswagen, Kia, Stellantis und Jaguar Land Rover. Ein fünfter - Volvo Cars - zieht derzeit seine Produktion bei Košice hoch. Mit ihnen kamen die großen Zulieferer ins Land und schufen Arbeitsplätze.

    180 Pkw

    pro 1.000 Einwohner produziert die Slowakei jährlich.

    Heute hat die Slowakei weltweit die höchste Pro-Kopf-Produktion an Pkw. Die Branche trägt mehr als ein Zehntel zum Bruttoinlandsprodukt und über 40 Prozent zu den Exporterlösen bei. Genau das birgt jedoch Gefahren, denn die Transformation der Automobilbranche hin zu emissionsfreien Antriebssystemen steht noch aus. Und die Jahresproduktion stagniert seit neun Jahren bei rund 1 Million Fahrzeugen.

    Zwar siedelten sich Investoren auch in anderen Branchen an (siehe Interview mit dem deutschen Unternehmer Alois Hogh). Doch die Wertschöpfung in den Montagehallen ist meist gering. Sektoren wie Metallverarbeitung, Maschinenbau sowie Gummi- und Kunststoffherstellung produzieren häufig für die Fahrzeugindustrie und zementieren damit die Abhängigkeit von dieser Branche.

    Mit kaum einem anderen Land ist die deutsche Wirtschaft so eng verwoben wie mit der Slowakei - dies bindet uns aneinander für künftige Herausforderungen: Nachhaltigkeit, funktionierende Lieferketten ohne einseitige Abhängigkeiten, Zukunftsfähigkeit durch Forschung und Entwicklung und Fachkräftesicherung, um nur einige zu nennen. Die Europäische Union ist hierfür unser gemeinsamer Bezugsrahmen oder besser unsere gemeinsame Heimat.

    Barbara Wolf Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in der Slowakischen Republik

    Zu wenig Patente und Forschungsausgaben

    Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs ist es der Slowakei in 20 Jahren EU-Mitgliedschaft kaum gelungen, Innovationen und neue Technologien auf den Weg zu bringen. Weniger als 1 Prozent des BIP geben Staat und Unternehmen für Forschung und Entwicklung aus. Damit gehört das Land zu den Schlusslichtern in Europa. Nachbar Tschechien kommt auf einen doppelt so hohen Wert.

    Im European Innovation Scoreboard für 2023 wird die Slowakei in der untersten Kategorie als "Emerging Innovator" einsortiert. Der Rückstand zum EU-Durchschnitt wächst, weil die Slowaken zu wenig Patente anmelden. Negativ bewerten die Autoren der Europäischen Kommission die geringe Mobilität von Forschenden, die niedrigen Forschungsausgaben im Unternehmenssektor und die fehlende Unterstützung der Regierung.

    Auch Start-ups bekommen kaum Schützenhilfe. Da steuerliche Anreize fehlen, halten sich Risikokapitalgeber zurück. Der kleine Binnenmarkt ist als Absatzgebiet für innovative Neuentwicklungen zu klein. Technische Fachkräfte wandern oft ins Ausland ab und gründen dort. Im "Global Startup Ecosystem Index 2023" von StartupBlink findet sich die Slowakei weit hinten auf Platz 65. Seit fünf Jahren in Folge ist das Land in dem Ranking abgerutscht.

    Viele Hausaufgaben für die neue Regierung

    Nach zwei Jahrzehnten in der EU steht die Slowakei damit an einem Scheidepunkt. Damit der einstige Tigerstaat sein hohes Wirtschaftswachstum der Vergangenheit in Zukunft fortsetzen kann, müssen einige Weichen neu gestellt werden. Ob die neue Regierung unter dem alten Premierminister Robert Fico dazu bereit ist, bleibt unklar. In den ersten Monaten ihrer Amtszeit lenkte sie viel Energie auf eine Justizreform, die die Unabhängigkeit der Staatsanwälte beschneidet und die Bekämpfung der Korruption erschwert. 

    58,5 %

    könnte die Staatsverschuldung Ende 2024 betragen.

    Die Koalition kündigte an, wieder stärker in die Wirtschaft einzugreifen. Sie will Immobilienbesitz und Banken stärker besteuern. Obendrein muss der Haushalt konsolidiert werden, denn die Staatsverschuldung steuert auf 60 Prozent zu, was die Europäische Kommission bereits kritisierte.

    Trotzdem gibt es Wachstumspotenzial. Auch im Regierungsprogramm des Fico-Kabinetts hat der Ausbau der erneuerbaren Energiequellen einen festen Platz, wenngleich die Kernkraft der Eckpfeiler der Stromversorgung bleibt. Außerdem plant das Kabinett eine "Dekade der Digitalisierung". Ziel ist es, die Bevölkerung für digitale Technologien zu qualifizieren, eine sichere Infrastruktur aufzubauen und die Verwaltung zu digitalisieren.

    Geld für die Vorhaben gibt es unter anderem aus Brüssel. Bis 2030 kann die Slowakei über 25 Milliarden Euro aus europäischen Fördertöpfen ausgeben. Schwerpunkte sind Verkehr, Gesundheit und Klimaschutzprojekte. Premier Fico will die Planungsprozesse für staatliche Großinvestitionen beschleunigen. Konkret geht es um den Ausbau der Autobahnen, Schienenwege und um Wasserkraftwerke. Davon könnte vor allem der bislang vernachlässigte Osten des Landes profitieren.

    Die Slowakei ist zu einem engen Wirtschaftspartner Deutschlands geworden. Sie gehört zu den Top-10-Lieferländern der deutschen Automotive-Lieferkette. Die Bundesrepublik ist außerdem der größte Beschaffungsmarkt der Slowakei. Wachstumspotenzial sehen wir vor allem in den Bereichen Digitalisierung und Automatisierung sowie Energie- und Umwelttechnik. Problematisch ist dagegen die Situation am Arbeitsmarkt - Fachkräfte sind schwer zu finden, die Löhne steigen kräftig.

    Peter Lazar Präsident der AHK Slowakei

    Chancen bei Energiespeicherung und Wasserstoff

    Schon jetzt entwickelt sich die Ostslowakei zum Zentrum der Energiespeicherung. Dabei helfen Pumpspeicherkraftwerke und große Batterien. Ebenso sorgt das Land als Produktionsstandort für Batterien für Schlagzeilen.

    Auch beim Thema Wasserstoff will die Slowakei ihr Potenzial ausschöpfen. Zwei Vorhaben zum Transport und zur Speicherung des Energieträgers haben eine Förderzusage im Rahmen der europäischen IPCEI-Projekte (Important Project of Common European Interest) bekommen. Der Ausbau des Pipelinenetzes könnte Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe auslösen.

    Vielleicht wird die Slowakei also auch bei Zukunftstechnologien zum Spätzünder, der dann aber wieder umso schneller durchstartet. Für deutsche Unternehmen bleibt das Land auf jeden Fall ein interessanter Geschäftspartner.

    Von Gerit Schulze | Bratislava

  • Ungarn: Ein Erfolgsmodell stößt an Grenzen

    Lange konnte die ungarische Regierung internationale Industrieansiedlungen großzügig fördern. Mit dem Ausbleiben hoher Summen an EU-Zuwendungen könnte das bald schwieriger werden.

    Ökonomisch gesehen ist die EU-Mitgliedschaft für Ungarn zweifellos ein Gewinn. Seit seinem Beitritt ist das Land einer der größten Nettoempfänger europäischer Fördergelder. Die Milliarden aus Brüssel haben zwei Jahrzehnte lang dabei geholfen, die ungarische Wirtschaft zu modernisieren und die Infrastruktur auf europäischen Standard zu bringen. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hat sich in dem Zeitraum nahezu verdreifacht und betrug im Jahr 2023 laut Eurostat 20.490 Euro. 

    Seine wirtschaftliche Entwicklung verdankt das Land vor allem aber auch ausländischen Großinvestitionen, die nicht zuletzt mit EU-Mitteln großzügig gefördert wurden. Für 2022 registrierte Ungarn laut UNCTAD einen Rekordbestand ausländischer Direktinvestitionen von umgerechnet knapp 100 Milliarden Euro. Deutschland ist der mit Abstand größte Investor im gewerblichen Bereich. Nach wie vor habe Ungarn deutschen Firmen ein gutes Gesamtpaket an Standortvorteilen zu bieten, sagt etwa Dale A. Martin, der frühere Chef der ungarischen Siemens-Tochter, im Interview mit Germany Trade & Invest.

    Ungarn schlug mit der Öffnung der Grenze nach Österreich  am 11. September 1989 den ersten Stein aus der Mauer. Zwanzig gemeinsame Jahre im Binnenmarkt haben die deutsche und die ungarische Wirtschaft eng miteinander verflochten. Wir sind zusammen gewachsen, viel stärker, als das ohne gemeinsame europäische Werte und Institutionen möglich gewesen wäre!

    Julia Gross Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Ungarn

    Politisch trübt der wachsende Dissens zwischen Ungarns Regierung und der Europäischen Kommission die Bilanz. Unter Ministerpräsident Viktor Orbán hat das Land einen zunehmend EU-skeptischen Kurs eingeschlagen. Stein des Anstoßes zwischen Brüssel und Budapest sind fortwährende Verletzungen europäischer Grundrechte und Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien durch Ungarn. Der konziliante Umgang der ungarischen Regierung mit Russland und die politische Nähe zu China sorgen für zusätzliche Irritationen.

    Wegen Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit blockierte die Europäische Kommission Ende 2022 Ungarns Auszahlungen aus dem laufenden EU-Haushalt und dem Wiederaufbaufonds. Zwar wurde Ende 2023 eine erste Tranche von 10 Milliarden Euro freigegeben, doch weitere 20 Milliarden an Fördergeldern sind noch eingefroren. Bleiben diese Mittel aus, schränkt das den Spielraum der Regierung für die Investitionsförderung spürbar ein.

    Mehr Batterieproduktion, höhere Umweltbelastung

    Ansiedlungen im Automobilbau standen lange im Fokus der ungarischen Industriepolitik. Heute ist Ungarn für die Kfz-Branche einer der wichtigsten Produktionsstandorte in Mittelosteuropa. Mehrere deutsche Marken und ihre Zulieferer fertigen im Land.

    Ungarns Regierung setzte früh auf Elektromobilität. Angeworben wurden vor allem Batterieproduzenten aus Asien, die in Ungarn ein positives Investitionsklima vorgefunden haben und vom Staat großzügig finanziell gefördert wurden. Der rasante Ausbau der Batteriefertigung stößt allerdings an Grenzen: In der Produktion werden die Arbeitskräfte knapp. Hinzu kommt die Umweltbelastung: Die Batterieherstellung verbraucht enorme Mengen an Energie und Wasser und kann zu erheblicher Wasserverschmutzung führen.

    Platz 4

    belegt Ungarn 2024 unter den weltweit größten Batterieherstellern.

    Während die Regierung die Wasserversorgung der Batteriewerke mit hohen Summen ausbaut, leiden Privathaushalte unter schlechter Wasserqualität und maroden Leitungen. Fachleute warnen, dass Ungarns Versorgungsnetz an Kapazitätsgrenzen stößt und Investitionen im Umfang mehrerer Milliarden Euro nötig seien. Für die Verarbeitung anfallender Batterieabfälle und das Batterierecycling werden ebenfalls Lösungen gesucht. Seit 2023 schreibt die EU eine Rücknahmepflicht und Mindestrecyclinganforderungen für Batteriehersteller auf dem europäischen Markt vor. Erste Batterierecyclingwerke sind bereits in Planung.

    Verteidigungsindustrie fährt die lokale Produktion hoch 

    Auch an anderer Stelle treibt Ungarn die Entwicklung strategischer Branchen voran. Mit der Rüstungsindustrie will die Regierung an die Erfolge im Automobilsektor anknüpfen. Erste Ansiedlungsprojekte etwa durch den Rüstungskonzern Rheinmetall sind bereits verwirklicht. Experten schätzen, dass der Anteil der Rüstungsproduktion am ungarischen Bruttoinlandsprodukt bald auf 1 Prozent anwachsen könnte.

    Seit dem Beitritt Ungarns zur EU ist der bilaterale Warenaustausch auf das Zweieinhalbfache angewachsen und deutsche Unternehmen haben über 40 Milliarden Euro in ihre ungarischen Standorte investiert. Zugleich hat sich aber auch die Qualität der Wirtschaftsbeziehungen enorm gewandelt: Im Warenverkehr dominieren heute Hightech-Güter der Industrie und deutsche Investoren schaffen immer mehr Arbeitsplätze in Forschung und Entwicklung sowie anderen Bereichen mit besonders hoher Wertschöpfung.

    Barbara Zollmann Geschäftsführender Vorstand, AHK Ungarn

     

    Fördergelder für Elektroautos und das Eisenbahnnetz

    Aus dem EU-Wiederaufbaufonds könnte Ungarn rund 10 Milliarden Euro erhalten. Knapp 70 Prozent davon will die ungarische Regierung für die grüne Transformation bereitstellen. Mit Blick auf die Elektrifizierung des Straßenverkehrs ist Ungarn eher Nachzügler. Der Anteil reiner Elektrofahrzeuge an den Neuzulassungen lag 2023 deutlich unter EU-Durchschnitt. Aktuell wird der Kauf gewerblich genutzter Elektroautos staatlich bezuschusst, was die Neuanmeldungen in den ersten Monaten 2024 etwas angekurbelt hat.

    Zu den verkehrspolitischen Prioritäten der Regierung zählt der Ausbau des Schienenverkehrs. Nachdem 2023 aufgrund fehlender EU-Mittel Baumaßnahmen größtenteils gestoppt wurden, hat der Staat im Januar 2024 eine ganze Reihe von Investitionsprojekten angekündigt. So sollen landesweit nicht nur Bahnstrecken im Güter- und Personenfernverkehr modernisiert werden, sondern auch das S-Bahnnetz von Budapest großflächig ausgebaut werden. Für die ersten Vorhaben wurden rund 250 Millionen Euro veranschlagt. Langfristig sind Investitionen von bis zu 10 Milliarden Euro geplant.

    Marodes Stromnetz als Hemmschuh

    Beim Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen setzt Ungarn auf Fotovoltaik. Doch der Ausbau der Solaranlagen wird durch das veraltete Stromnetz gebremst. Ende Februar 2024 hatten sämtliche in Ungarn installierten Solarmodule eine Gesamtleistung von 6.000 Megawatt. Diese können aktuell nur zu maximal 20 Prozent ausgelastet werden. Der Netzausbau ist zwingend notwendig, kommt aber nicht schnell genug voran. Deswegen will die Regierung die Energiespeicherkapazität bis 2030 von derzeit 30 Megawatt auf 800 bis 1.000 Megawatt erweitern.

    Ungarn braucht die EU

    3,7 %

    des ungarischen Bruttonationaleinkommens machten die jährlichen EU-Nettotransfers 2014 bis 2022 durchschnittlich aus.

    Ob Ungarn seine Industriepolitik fortführen kann, der Umbau der Energiewirtschaft und die Modernisierung des Verkehrssystems gelingen, steht und fällt mit der Freigabe der EU-Fördermittel. Bleiben die europäischen Gelder aus, leidet das wirtschaftliche Entwicklungspotenzial des Landes. Das weiß auch die Regierung Viktor Orbáns. Erste Signale aus Budapest lassen für 2024 hoffen: Mitte Februar veröffentlichte die Regierung einen Gesetzesentwurf zur Neuregelung des öffentlichen Beschaffungswesens, was eine zentrale Forderung Brüssels ist. Auch die ungarische EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2024 könnte eine Chance zur erneuten Annäherung bieten.

    Von Kirsten Grieß | Budapest

  • Slowenien: Innovatives Drehkreuz im Herzen Europas

    Slowenien hat sich rasch in die EU integriert. Die zentrale Lage macht das Land zu einem wichtigen Bindeglied in der Region. Davon profitiert die innovationsfreudige Wirtschaft.

    Nach dem EU-Beitritt beeindruckte Slowenien mit einer zügigen wirtschaftlichen Aufholjagd. Unter den Neumitgliedern im östlichen Europa erfüllte Slowenien als erstes Land die Maastricht-Kriterien und führte 2007 den Euro ein. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Kaufkraftparitäten lag 2022 bei rund 90 Prozent des EU-Durchschnitts. Slowenien profitiert von einer soliden industriellen Basis. Es gehört heute zu den am stärksten industrialisierten Ländern der EU.

    Internationale Investoren schätzen den Standort. Die günstige geografische Lage und der Hafen in Koper machen Slowenien als Tor gen Osten - auch in den fernen Osten - interessant. Die überwiegend kleinen und mittleren Betriebe im Land arbeiten vorrangig als Zulieferer. Ihre hohe Technologieaffinität macht sie agil.

    Slowenien ist seit 20 Jahren EU-Mitglied - das mag noch jung klingen, aber Slowenien war schon immer im Herzen Europas und zeigt das in der EU seit zwei Jahrzehnten mit großer Überzeugung. Es gestaltet aktiv mit, um unser gemeinsames Europa zu stärken und zu vergrößern. Es übernimmt Verantwortung für Europa - auch über europäische Grenzen hinaus, besonders sichtbar gerade in den Vereinten Nationen, wo es für zwei Jahre Mitglied des UN-Sicherheitsrats istSlowenien beweist: Es braucht keine geografische oder demografische Größe, um ein großer Europäer zu sein!  

    Natalie Kauther Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Slowenien

    EU-Gelder fließen in den Umbau der Wirtschaft

    Slowenien erhält bis 2026 rund 2,7 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds der EU. Im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik fließen bis 2027 weitere 3,2 Milliarden Euro. Über die Hälfte der Mittel ist für Investitionen in den grünen Wandel, die Digitalisierung der Wirtschaft und nachhaltiges Wachstum vorgesehen. Viele Unternehmen profitieren direkt von EU-Geldern, die über Förderprogramme und Investitionszuschüsse vergeben werden.

    Ein einschneidendes Ereignis war die Flutkatastrophe im August 2023. Die entstandenen Schäden wurden von der Regierung auf 10 Milliarden Euro beziffert. Zwar ist der Wiederaufbau zügig angelaufen, er wird das Land aber noch Jahre beschäftigen.

    Industrie setzt auf Nachhaltigkeit

    Knapp 50 Prozent der Industrieproduktion Sloweniens gehen auf die energie- und emissionsintensive Herstellung von Werkstoffen zurück. Die Dekarbonisierung der Wirtschaft gehört zu den prioritären Klimazielen der Regierung. Seit Freigabe des EU-Aufbau- und Resilienzplans Mitte 2021 zahlte die Regierung mehr als 300 Millionen Euro an Fördermitteln an rund 800 produzierende Unternehmen, um sie bei der ökologischen Modernisierung zu unterstützen. 

    Anfang 2024 kündigte die Regierung eine weitere Ausschreibung in Höhe von 42 Millionen Euro an. Das Geld soll Firmen dabei helfen, die Energieeffizienz zu verbessern, auf erneuerbare Energiequellen umzustellen und Produktionsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten.

    50 %

    der industriellen Produktionsleistung erwirtschaftet die Materialherstellung.

    Vorreiter beim Senken der Emissionen ist Sloweniens größter Stahlhersteller, die SIJ Gruppe. Der Konzern hat eine extrem leichte Stahlart entwickelt, womit der CO2-Ausstoß bei Transport und Nutzung reduziert wird. Den Stahl stellt SIJ zu 100 Prozent aus recyceltem Stahlschrott her. Auf Recycling setzt auch der Aluminiumhersteller Talum. Das Unternehmen will den Recyclinganteil seiner Produkte bis 2030 auf 55 Prozent steigern. Die Primäraluminiumproduktion wurde bereits eingestellt. Ähnliche Entwicklungen sind bei anderen Herstellern zu beobachten. Die Investitionen in effizientere Produkte, Produktionsprozesse und grüne Energieerzeugung eröffnen auch Chancen für deutsche Technologieanbieter.

    Logistiker schalten auf Industrie 4.0 um

    Als Knotenpunkt dreier europäischer Transportkorridore profitiert Slowenien von einem Europa ohne Grenzen. Mit dem Beitritt zu EU und Schengenraum sowie strategischen Investitionen in den Ausbau der Hafen- und Verkehrsinfrastruktur hat sich die Logistikbranche seit 2004 zu einem wichtigen Pfeiler der slowenischen Wirtschaft entwickelt. Im Jahr 2022 erwirtschaftete die Branche 5,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Zwar leiden Sloweniens Logistiker derzeit unter steigenden Energiekosten, dem wachsenden Fachkräftemangel und höheren Anforderungen an Nachhaltigkeit. Mit diesen Problemen sind sie in Europa aber nicht allein, wie Mladen Ljubas, Managing Director bei der slowenischen Niederlassung von DB Schenker im Interview mit Germany Trade & Invest erläutert.

    1 Million

    Standardcontainer schlägt der Hafen Koper pro Jahr um.

    Logistikfirmen begegnen den Herausforderungen, indem sie in Digitalisierung und neue Technologien investieren. Den Hafen Koper will die staatliche Betreibergesellschaft Luka Koper bis 2028 für insgesamt 785 Millionen Euro technisch umfassend aufrüsten. Geplant sind der Bau einer automatisierten Lagerhalle, die Ausweitung des Containerterminals, die Elektrifizierung von Piers zur Stromversorgung der Schiffe, elektrifizierte Aufzüge sowie die Installation von Fotovoltaikanlagen auf Lagerdächern. 

    Auch andere Branchengrößen vermelden Projekte zur digitalen Prozessautomatisierung. Laut slowenischer Wirtschaftskammer kommt das Transportgewerbe beim Umbau zur Logistik 4.0 erfolgreich voran. Gefragt sind Lösungen für intelligente Container, digitale Lagerverwaltung, fahrerlosen Transport oder agile Routenplanung. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Lagerbetreiber vermehrt auf energetische Eigenversorgung setzen und Solarmodule auf Lagerdächern installieren.

    Deutschland hat einen beachtlichen Handelsaustausch mit Slowenien von zuletzt über 14 Milliarden Euro - und das bei gerade einmal 2 Millionen Einwohnern. In der Region ist kaum ein Standort vergleichbar mit Slowenien. Deutsche Delegationen sind regelmäßig beeindruckt ob der Innovationskraft, klugen und ambitionierten Menschen, Fortschrittlichkeit, Regelkonformität und Ordnung.

    Dagmar von Bohnstein Geschäftsführende Vorsitzende des Vorstands, AHK Slowenien

    Hohe Dichte an Hidden Champions

    Das kleine Land Slowenien verfügt über zahlreiche hochspezialisierte Nischenanbieter, etwa in den Bereichen Medizintechnik, Luft- und Raumfahrtindustrie, Robotik sowie Elektronik und Elektrotechnik. Das 2007 gegründete Unternehmen C-Astral Aerospace beispielsweise entwickelt kleine unbemannte Flugkörper und gehört mit seinen Drohnen zu den Weltmarktführern. Ein weiteres Beispiel ist MESI Medical. Kernprodukt des 2010 gegründeten Start-ups ist ein Tablet, das gestützt auf künstliche Intelligenz eine neue Diagnoseform der prädiktiven medizinischen Bewertung ermöglicht. Mitte 2023 investierte der deutsche Gesundheitsfonds SHS Capital 18 Millionen Euro in MESI und übernahm damit die Mehrheit am Unternehmen.

    Die slowenische Regierung fördert die hohe Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen ganz gezielt. Zwischen 2016 und 2022 fanden dazu rund 150 Ausschreibungen statt. Der Gesamtwert der förderfähigen Projekte erreichte 1,7 Milliarden Euro. Etwa zwei Drittel der Gelder stammten aus den EU-Strukturfonds. Im aktuellen EU-Haushalt bis 2027 kann Slowenien bis zu 1,8 Milliarden Euro für weitere innovative Projekte einsetzen.

    Von Kirsten Grieß | Ljubljana

  • Perspektive EU-Beitritt: Kandidatenländer hoffen auf Wachstum

    Die Aussicht auf einen EU-Beitritt weckt in Kandidatenländern Hoffnung auf mehr Wirtschaftswachstum. Schon jetzt ist die Union für die Beitrittskandidaten ein wichtiger Partner.

    In der Nachbarschaft der EU streben weitere Länder eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft an. So sind die Westbalkanstaaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien sowie die Republik Moldau, die Ukraine und die Türkei Beitrittskandidaten. Kosovo und Georgien haben im Jahr 2022 einen Antrag auf Beitritt zur EU gestellt und sind potenzielle Kandidaten. Alle genannten Länder befinden sich jeweils in unterschiedlichen Stadien auf ihrem Weg zu einer EU-Mitgliedschaft. Bosnien und Herzegowina ist dabei der jüngste Beitrittskandidat.

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    EU weckt Hoffnung auf mehr Handel

    Die EU ist schon heute der wichtigste Handelspartner für die Länder des westlichen Balkans, also Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Diese wickeln zwischen 65 und 70 Prozent ihres Außenhandels mit der Union ab. Besonders Deutschland spielt dabei eine herausragende Rolle und ist Handelspartner Nummer 1.

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    Von einer Mitgliedschaft in der Union versprechen sich die Länder eine stärkere Einbindung in die Lieferketten von EU-Betrieben. Immerhin ist der Westbalkan ein attraktiver Beschaffungsmarkt, der sich durch eine günstige geografische Lage, eine solide industrielle Basis und wettbewerbsfähige Kostenstrukturen auszeichnet. Dank Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, die die Länder mit der EU geschlossen haben, ist der Handel für die meisten Waren schon jetzt zollfrei. Eine EU-Mitgliedschaft würde für weiteren Schwung sorgen: Durch eine Angleichung von Normen und weniger administrative Hindernisse wäre der Westbalkan als Handelspartner noch attraktiver.

    Deutschland und Bosnien und Herzegowina sind schon jetzt wirtschaftlich und historisch eng verbunden. Bosnien und Herzegowina verfügt über eine solide industrielle Basis in Sektoren, in denen deutsche Unternehmen traditionell stark vertreten sind. Viele Menschen sprechen Deutsch und haben familiäre Bande nach Deutschland. Ich freue mich, dass der Europäische Rat entschieden hat, Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen wird neue Dynamiken freisetzen, um die wirtschaftlichen Verbindungen weiter zu vertiefen.

    Dr. Thomas Fitschen Deutscher Botschafter in Bosnien und Herzegowina

    Die Republik Moldau liegt geografisch zwischen der Ukraine und Rumänien und ist somit stark betroffen vom russischen Angriffskrieg auf das Nachbarland Ukraine. Die Perspektive, eines Tages EU-Mitglied zu werden, nährt auch hier die Hoffnung auf ein beständiges Wirtschaftswachstum. Denn verbunden mit dem Versprechen der EU beizutreten, erhält auch Moldau als Heranführungshilfe Fördergelder von der EU. Sie helfen dabei, die Infrastruktur auszubauen oder das Gesundheitswesen zu stärken.

    Für deutsche Unternehmen, die bereits in Rumänien oder Bulgarien eine Produktionsstätte haben, ist Moldau ein interessanter Beschaffungsmarkt, insbesondere für elektronische Komponenten wie Leiterplatten oder für Kabelbäume zum Einsatz in der Automobilindustrie, ebenso wie für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Die fortschreitende Annäherung Moldaus an die EU bietet eine Chance, die Lieferketten und Geschäftsbeziehungen zwischen Rumänien und der Republik Moldau enger miteinander zu verknüpfen.

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    Beitrittsperspektive stärkt den Investitionsstandort

    Deutsche Unternehmen gehören zu den wichtigsten Investoren in den Westbalkanstaaten. Sie haben nach Angaben der Deutschen Bundesbank bis einschließlich 2021 rund 3,6 Milliarden Euro investiert. Continental, Bosch, Siemens, Stada oder Lidl etwa sind vor Ort. Gerade Serbien und Nordmazedonien bieten Investoren interessante Anreize. Vor allem in der Absicht, Produktionskapazitäten in Europa zu erweitern, entscheiden sich deutsche Betriebe für die Region. Die Perspektive auf einen EU-Beitritt bietet dabei eine gewisse Sicherheit für die Unternehmen. 

    Serbien steht heute mit einer modernen, zunehmend international vernetzen Wirtschaft da. Dies bringt das Land in eine hervorragende Ausgangsposition für einen EU-Beitritt. Der Beitrittsprozess hat in den letzten Jahren jedoch spürbar an Dynamik verloren. Vor allem im Bereich der sogenannten "Fundamentals", zum Beispiel Rechtstaatlichkeit oder funktionierende Institutionen, sieht die EU noch großen Handlungsbedarf. Deutschland wird Serbien auch künftig engagiert auf dem Weg in die EU unterstützen, damit wir Serbien bald in der EU willkommen heißen können.

    Anke Konrad Deutsche Botschafterin in Serbien

    In der Republik Moldau halten sich deutsche Unternehmen mit Investitionen hingegen noch zurück. Im Jahr 2021 belief sich der Bestand deutscher Investitionen laut Bundesbank auf 179 Millionen Euro, aktuellere Zahlen lagen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags nicht vor. Den meisten Firmen ist aufgrund der Nähe zum Krieg in der Ukraine das Risiko zu hoch. Eine Möglichkeit für Unternehmen, sich gegen politische Risiken wie Kriegshandlungen abzusichern, bieten Investitionsgarantien des Bundes.

    Lediglich in der IT-Industrie vermag Moldau aktuell ausländische Investoren zu gewinnen. Die Regierung bietet ausländischen Unternehmen der digitalen Wirtschaft einen pauschalen Steuersatz von 7 Prozent, wenn sie sich im Moldova IT-Park in Chişinău niederlassen.

    Viele Fachkräfte leben bereits im EU-Ausland

    Die jährlichen Konjunkturumfragen der deutschen Auslandshandelskammern zeigen, dass gerade die Beschäftigten ein großer Pluspunkt auf dem Westbalkan sind. Vor allem mit der Leistungsbereitschaft der Arbeitskräfte sind die Unternehmen zufrieden. Auch wenn das Ausbildungssystem Defizite aufweist, versuchen immer mehr Länder Strukturen nach deutschem Vorbild einzuführen. Serbien hat sogar per Gesetz das duale Ausbildungssystem eingeführt. Und dennoch wird für Unternehmen vor Ort die Suche nach Fachkräften immer schwieriger. Die Zunahme an Direktinvestitionen und das wachsende Jobangebot, aber auch Abwanderung reduzieren den Pool verfügbarer Fachkräfte.

    Wie im Nachbarland Rumänien sprechen die Menschen in Moldau Rumänisch. Dies ist ein Vorteil für deutsche Arbeitgeber, die in beiden Märkten aktiv sind. Allerdings ist der Zugriff auf qualifizierte Fachkräfte bereits begrenzt. Denn rund 25 Prozent der moldauischen Bevölkerung lebt und arbeitet im Ausland, vor allem in Italien, Deutschland und Frankreich. Rücküberweisungen aus dem Ausland sind für die moldauische Wirtschaft eine wichtige Stütze.

    Politische Krisen gefährden den Weg in die EU

    Zwar verfolgen alle sechs Länder des westlichen Balkans eine Mitgliedschaft in der EU, doch die Bemühungen sind unterschiedlich ausgeprägt. So strebt Serbien als größte Volkswirtschaft auf dem Westbalkan zwar in die EU, pflegt aber auch intensive Beziehungen zu China und Russland. Die Mehrheit der Bevölkerung in Serbien ist nicht für einen EU-Beitritt: Bei einer repräsentativen Meinungsumfrage im Sommer 2023 unterstützten laut Deutscher Welle nur 44 Prozent der Befragten einen EU-Beitritt, 47 Prozent waren dagegen. Die Sanktionen der EU gegen Russland trägt Serbien nicht mit. Zudem ist das Verhältnis zu Kosovo, dessen Unabhängigkeit Belgrad nicht anerkennt, nach wie vor sehr angespannt.

    In der Republik Moldau führe Russland einen hybriden Krieg, erklärte die moldauische Präsidentin Maja Sandu im März 2023. Dies verstärkt die vorhandene Spaltung des Landes zwischen Ost und West. Die autonome Region Gagausien und die abtrünnige Region östlich des Flusses Dnistr, Transnistrien, orientieren sich nach Russland. Es besteht das Risiko, dass prorussische Politiker wieder eine Regierung bilden.

    Länder wie Serbien oder Moldau illustrieren den Zwiespalt, den das Pendeln zwischen EU-Beitrittsambition oder Hinwendung zu anderen Partnern aufwirft. Die europäische Gemeinschaft steht ihrerseits vor einer Herausforderung. Im Lichte der aggressiven Politik Russlands und der wachsenden Einflussnahme Chinas brauchen die Kandidatenländer in ihrer östlichen Nachbarschaft reale Beitrittsperspektiven. 

    Für Politikwissenschaftler wie Kai-Olaf Lang von der Stiftung Wissenschaft und Politik ist aber auch klar: Eine neue Erweiterungsrunde muss solide vorbereitet werden. "Großbaustellen wie der Abbau von Korruption und das Etablieren einer guten Regierungsführung sind konsequent anzugehen", sagt der Experte im Interview mit Germany Trade & Invest mit Blick auf den Zustand von Politik, Verwaltung und Justiz in einigen Beitrittskandidaten.

    Deutschland hilft, Moldau "fit für die EU" zu werden

    Was der EU-Beitritt für die Republik Moldau bedeutet und welche Rolle Deutschland dabei spielt, beschreibt Margret Maria Uebber, Deutsche Botschafterin in der Republik Moldau, im Interview mit Germany Trade & Invest.

    Moldau ist Beitrittskandidat der EU. Was bedeutet das für das Land?

    Die Republik Moldau hat auf dem Weg Richtung EU bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Die Verleihung des Kandidatenstatus 2022 und der Beschluss zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen Ende 2023 waren Meilensteine und Impetus für eine Verstärkung der Reformbemühungen.

    Vor welchen Herausforderungen steht die Republik Moldau derzeit?

    Moldau bleibt vielfältigen Versuchen Russlands ausgesetzt, das Land zu destabilisieren, seine pro-westliche Regierung zu schwächen und seinen Weg in die EU zu verhindern. Zudem erholt sich die moldauische Wirtschaft von den Folgen des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine nur langsam. Im Jahr 2023 betrug das Wirtschaftswachstum 0,7 Prozent. Unter anderem bleiben ausländische Direktinvestitionen ein Schlüssel für eine Erholung. Chancen hierfür bietet neben der Landwirtschaft vor allem der IT-Sektor.

    Wie hilft Deutschland der Republik Moldau?

    Deutschland gehört zu den wichtigsten Handelspartnern Moldaus und fördert die Wirtschaft im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit. Damit leistet Deutschland einen Beitrag, Moldau "fit für die EU" zu machen.

    Von Dominik Vorhölter, Martin Gaber | Chisinau, Belgrad

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