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Wirtschaftsumfeld
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Die Industrie in Spanien erholt sich schneller als große Teile des Dienstleistungssektors. Tourismus und Handel bleiben Schwerpunkte von Kurzarbeit. (Stand: 17. Februar 2021)
Von Oliver Idem | Madrid
Eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft KPMG im Juli 2020 ergab, dass von den befragten Unternehmen nur 10 Prozent ihren Umsatz nicht durch die Pandemie betroffen sahen. Für die kommenden zwölf Monate bis Mitte 2021 gingen 28 Prozent davon aus, das Vorkrisenniveau wieder erreichen zu können. Für 42 Prozent der Befragten ist dies erst 2022 in Sicht; 20 Prozent erwarten, dass ihr Unternehmen erst nach 2022 wieder an die Vorkrisen-Umsätze anknüpfen kann.
Die meisten Wirtschaftsindikatoren weisen von Monat zu Monat starke Schwankungen auf. Eine einheitliche Erholung ist noch nicht zu erkennen. Die Industrie konnte nach einem steilen Absturz im Frühjahr 2020 schnell wieder bessere Zahlen vorweisen. Im Dezember lag der kalenderbereinigte Index der Industrieproduktion um lediglich 0,2 Prozent unter dem Wert des Vorjahresmonats.
Ende Januar 2021 waren 3,83 Millionen Spanier arbeitslos. Circa 730.000 waren im Januar 2021 von der wieder zunehmenden Kurzarbeit betroffen. Annähernd 350.000 Selbstständige erhielten darüber hinaus eine staatliche Sonderunterstützung, weil sie ihre wirtschaftlichen Aktivitäten einstellen mussten.
Mittlerweile zeigt sich, dass in der Hotellerie und Gastronomie sowie dem Handel die verfestigten Schwerpunkte der Kurzarbeit liegen. Ein neues Hilfspaket im Gesamtwert von 4,22 Milliarden Euro konzentriert sich auf Kredite, reduzierte Geschäftsmieten und Aufschübe bei Steuerzahlungen. Von Branchenvertretern erhoffte Direktzuschüsse beschloss die Regierung im Dezember 2020 nicht. Die Aussichten bleiben ungünstig. Vor diesem Hintergrund wurden die Kurzarbeitsregelungen bis Ende Mai 2021 verlängert.
Die Kfz- und Kfz-Teileindustrie in Spanien kommt langsam aus der Krise. Nach einem Zwischenhoch im Sommer blieben die Verkäufe im Inland zwar unter dem Niveau der Vorjahresmonate zurück. Die Wirtschaftszeitung Expansión berichtete im Dezember 2020 jedoch von einer inoffiziellen Schätzung, nach der die Neuzulassungen 2021 um 20 Prozent steigen werden. Da wichtige Zielmärkte für spanische Kfz Anfang 2021 unter massiven Einschränkungen aufgrund der Pandemie litten, ist die weitere Entwicklung der Exporte hingegen ungewiss. Im Vorjahr hatten die Ausfuhren verhindert, dass die Produktion noch stärker zurückging.
Der Tourismussektor im weiteren Sinne gehört zu den am härtesten betroffenen Dienstleistungsbereichen. Im Herbst entfernte sich die Auslastung noch weiter vom Vorjahresniveau. Im Dezember 2020 brach die Zahl der Hotelübernachtungen gegenüber dem Vorjahresmonat um 81,2 Prozent ein.
Viele Hotels versuchen, durch neue Angebote ihre Auslastung kurzfristig zu steigern. Der angeschlagene Hotelsektor weckt vermehrt das Interesse von Investoren. Während viele Tourismusunternehmen Liquidität benötigen, hoffen Fonds und andere Investoren auf günstige Geschäftsmöglichkeiten.
Ein von der Regierung verkündetes Hilfsprogramm für die Tourismusbranche (mit 2,5 Milliarden Euro garantierten Krediten und 859 Millionen Euro zur Innovationsförderung in der Branche) wirkt angesichts der Milliardenverluste im Sektor eher bescheiden dimensioniert. Auch ein zweites Maßnahmenpaket vom Dezember 2020 mit Mietreduzierungen, Steuerstundungen und neuen Krediten wurde von Branchenvertretern verhalten aufgenommen.
Der Fachverband Exceltur bezifferte den Rückgang der kumulierten Inlands- und Auslandstourismuseinnahmen auf 106,4 Milliarden Euro für 2020. Damit fiel der Sektor auf das Niveau der 1970er Jahre zurück. Auch 2021 sollen die Einnahmen um 58 Milliarden Euro unter dem Vorkrisenniveau bleiben, wie die Wirtschaftszeitung Expansión berichtete.
Mit einer Erholung des Sektors ist laut Medienberichten am schnellsten beim Strandurlaub auf dem Festland und den Inseln zu rechnen. Anfang 2021 gab es aber noch keine Anzeichen, dass sich die Lage vor dem 2. Quartal bereits bessern könnte.
Die Bauwirtschaft hat noch keine einheitliche Richtung eingeschlagen. Die Bauinvestitionen lagen im 4. Quartal 2020 um 17,5 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Der vom Industrieministerium ermittelte Zementverbrauch zog kalenderbereinigt im Dezember 2020 steil um 8,2 Prozent gegenüber dem Wert von Dezember 2019 an.
Auf mittlere Sicht versprechen Infrastrukturprojekte und der Bedarf an mehr Wohnungen sowie Logistikgebäuden positive Zahlen. Ungeachtet der Krise nahmen 2020 die Investitionen in Einzelhandelsimmobilien stark zu. Die Investitionen in Büroflächen halbierten sich hingegen. Dennoch entstand ein Überangebot an Büroraum, das viele Eigentümer zu Preisabschlägen zwang. Für das Hotelsegment zeichnet sich eine längere Erholungsphase als in anderen Bereichen ab.
Spaniens großen Bau- und Infrastrukturkonzernen gelingt es, zahlreiche Aufträge und Konzessionen im Ausland an Land zu ziehen. Damit können sie sich unabhängiger von der Entwicklung in Spanien machen.
Die Verkäufe im Einzelhandel lagen im Dezember 2020 nur noch geringfügig unter dem Vorjahresniveau. Der arbeitstäglich bereinigte Index des Statistikamtes verzeichnete lediglich ein Minus von 0,4 Prozent.
In einem unsicheren wirtschaftlichen und Arbeitsmarktumfeld leidet dennoch das Verbrauchervertrauen. Laut der Europäischen Kommission lag dieses im Januar 2021 um 23,7 Punkte unterhalb des Niveaus von Dezember 2019.
Viele spanische Verbraucher sparen aufgrund unsicherer Aussichten mehr und kürzen ihre Ausgaben. So werden weniger Speisen und Getränke auswärts konsumiert als vor der Krise üblich. Die Wirtschaftszeitung Cinco Días wies zu Weihnachten 2020 darauf hin, dass die Sparquote wesentlich höher als die weniger gearbeiteten Stunden und die Einkommensverluste sei. In einem stabileren wirtschaftlichen Umfeld und ohne die Restriktionen zur Pandemiebekämpfung besteht die Chance, dass manche aufgeschobenen Ausgaben nachgeholt werden.