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Wirtschaftsumfeld | Spanien | Krieg in der Ukraine

Folgen des Ukrainekrieges treffen auch Spanien

Lebensmittelherstellern brechen die Importe aus der Ukraine weg. Hohe Energie- und Rohstoffpreise haben weitreichende Folgen. Betroffene Unternehmen suchen Alternativen.

Von Oliver Idem | Madrid

Der Krieg in der Ukraine trifft Spanien in der Aufholphase nach der Coronakrise. Die Ukraine steht rechnerisch für nur 0,4 Prozent der spanischen Warenimporte und 0,2 Prozent der Exporte. Dennoch stellt der Wegfall wichtiger Einfuhren ein großes Problem dar. Hinzu kommen die steigenden Rohstoff- und Energiepreise, die für zusätzliche Verwerfungen sorgen.

Vor diesem Hintergrund senkte die spanische Zentralbank im April ihre Prognose für das Wirtschaftswachstum 2022 auf 4,5 Prozent. Zudem verdoppelte sie ihre Inflationserwartung auf 7,5 Prozent.

Der Schwung der spanischen Exporte könnte zusätzlich gebremst werden, wenn sich die Konjunktur in wichtigen Absatzmärkten eintrübt. Im März 2022 verzeichneten die Exportunternehmen bereits den stärksten Auftragsrückgang seit Mai 2020.

Spannungen in den Lieferketten sind bereits spürbar

Schon kurz nach dem Beginn des Ukrainekriegs spürten Bauwirtschaft, Automobilindustrie, Textilhersteller und Nahrungsmittelproduzenten konkrete Spannungen in ihren Lieferketten und befürchteten Unterbrechungen.

Die Preise für Aluminium, Kupfer und Stahl befinden sich auf dem höchsten Niveau seit 15 Jahren und belasten viele Unternehmen. In einer Umfrage des Automobilclusters Katalonien gaben 90 Prozent von 137 Befragten Beeinträchtigungen durch den Ukrainekrieg an. Dabei stand die Versorgung mit Rohstoffen wie Palladium und Neon sowie mit Kabelbäumen und Halbleitern im Fokus. Einige Unternehmen sorgen sich auch um die Zukunft ihrer Standorte in der Ukraine.

Die Energiepreise stellen unter anderem Hersteller von Eisen, Stahl und Zement vor große Schwierigkeiten. Unternehmen wie Acerinox, ArcelorMittal, Celsa, Ercros und Megasa mussten bereits in der ersten Märzhälfte Produktionsanlagen in Spanien abschalten.

Unter den Gaspreisen leidet das spanische Keramikcluster in Castellón massiv. Dieses zählt mit einem Jahresumsatz von etwa 3,5 Milliarden Euro zu den wichtigsten Produktionsstätten in Europa und der Welt. Für eine zusätzliche Verschärfung der Lage sorgt, dass die Hersteller bislang auch Ton aus der Ukraine bezogen.

Fehlende agrarische Rohstoffe treffen die Nahrungsmittelbranche

Spaniens Tierfutterproduktion stützt sich zu etwa 30 Prozent auf ukrainischen Mais, wie die Tageszeitung El Mundo berichtet. Zudem deckt Spanien ein Sechstel seiner Weizenimporte durch ukrainische Lieferungen. Ähnlich hoch ist der Anteil bei Körnerleguminosen.

Sonnenblumenöl stammt zu etwa 60 Prozent und Ölkuchen zu 31 Prozent aus der Ukraine. Dort arbeiten laut der Wirtschaftszeitung Expansión die Raffinerien nicht mehr und der Export per Schiff wäre auch nicht möglich. Zudem dürfte die bewirtschaftete Anbaufläche bald zusammenschrumpfen.

In Spanien verwenden Fischkonservenhersteller mehrheitlich Sonnenblumenöl. Auch in süßen und salzigen Backwaren wurde bislang häufig Sonnenblumenöl aus der Ukraine verarbeitet. Darum haben einige Unternehmen Krisenpläne in Kraft gesetzt. Sie bevorraten regulär nur so viel Öl, um einige Wochen überbrücken zu können.

Lieferländer wie Frankreich, Bulgarien und die Republik Moldau können nicht annähernd die Produktionsmenge der Ukraine ausgleichen. Der Fachverband FIAB drängt darauf, dass die spanischen und europäischen Einfuhrregeln für Pflanzenöl aus Argentinien und anderen Ländern gelockert werden.

Einige Nahrungsmittelhersteller setzen auf Sojaöl, das in seinen Eigenschaften Sonnenblumenöl ähnelt. Außerdem eignen sich Palm- und Rapsöl als Alternativen. Gleiches gilt für Kokosöl. Europäische Regeln verpflichten die Unternehmen allerdings zu genauen Angaben über den Inhalt von Nahrungsmitteln. Ständig improvisierte Veränderungen von Rezepturen würden zu Problemen führen. Etiketten beziehungsweise Verpackungen könnten nicht einfach laufend angepasst werden.

Spanien ist der größte Olivenölproduzent der Welt. Für exportorientierte Nahrungsmittelunternehmen ist das jedoch nur eine bedingte Alternative. Olivenöl besitzt andere Eigenschaften und trifft nicht den Geschmack der Kundschaft auf allen Exportmärkten. 

Die ausnahmsweise gestattete Bewirtschaftung agrarischer Brachflächen könnte die Lage etwas entspannen. In Spanien betrifft das bis zu 600.000 Hektar zusätzliche Felder. Auch mehr lokaler Anbau könnte die Probleme reduzieren.

Diversifizierte Gasversorgung, aber ein verstimmter Hauptlieferant

Spanien verfügt über eine diversifizierte Gasversorgung mit einem russischen Anteil an den Erdgasimporten von etwa 10 Prozent. Dennoch treffen Preissteigerungen das Land und werden durch einen Sondereffekt noch verstärkt. Der Hauptlieferant Algerien stört sich an der politischen Annäherung Spaniens an Marokko. In der Folge plant Algerien Preiserhöhungen exklusiv für Spanien.

Spanien kann Gas über Pipelines empfangen und besitzt sieben Verflüssigungsanlagen mit einer Kapazität von 60 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Die Durchleitungsmöglichkeiten nach Frankreich liegen jedoch bei nur 7 Milliarden Kubikmetern. Durch die Wiederbelebung des Pipelineprojekts Midcat könnte diese Menge etwa verdoppelt werden. Es ist jedoch im Land sehr umstritten, ob sich ein so aufwendiges Projekt zugunsten eines fossilen Energieträgers lohnen würde. Zudem ist völlig unklar, wie lange der Ukrainekrieg und seine Folgen sich auswirken werden.

Erneuerbare Energien und lokale Rohstoffe als Zukunftschancen

Durch die Debatte um die Rohstoffversorgung rückt auch die ehemalige Mine Penouta in Galizien ins Blickfeld. Dort sind etwa 150.000 Tonnen Nioboxid sowie Tantalatvorkommen vorhanden. Ein Forschungsteam unter Führung der Universidad Complutense in Madrid hält eine wirtschaftliche Gewinnung der Rohstoffe für möglich.

Zudem könnten Sonnen- und Windenergie noch intensiver genutzt werden. Der Ukrainekrieg sorgt für eine steigende Nachfrage nach Lösungen für den Eigenverbrauch. Mit erneuerbaren Energien kann Spanien seine Dekarbonisierung durch grünen Wasserstoff vorantreiben. Hier winken auch Exportchancen. Potenziell könnte das Land auch als sicherer Hafen für den Tourismus und Investitionen in Immobilien punkten.

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