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Special | Spanien | Dekarbonisierung der Industrie

Klimaschutz-Atlas

Spaniens Industrie sucht nach Alternativen

Spaniens Industrie soll bis 2050 deutlich weniger Emissionen produzieren als heute. Die Aussichten für den Ausbau erneuerbarer Energien und der Sektorkopplung sind günstig.

Von Oliver Idem | Madrid

Die spanische Langzeitstrategie für eine klimaneutrale Wirtschaft bis 2050 weist der Industrie eine Schlüsselrolle zu. Sie soll ihren Anteil an der Wirtschaftsleistung mindestens halten, dabei aber 90 Prozent weniger Emissionen erzeugen. In Zahlen bedeutet dies eine Reduktion von 72 Millionen Tonnen CO2 im Jahr 2020 auf nur noch 7 Millionen Tonnen 30 Jahre später.

Die Industrie steht jeweils für circa ein Fünftel der Wirtschaftsleistung, der Treibhausgasemissionen, des Endverbrauchs fossiler Brennstoffe und des Endenergieverbrauchs. Zur Transformation sollen alternative Rohstoffe und Kreislaufwirtschaftskonzepte beitragen. Die Abscheidung und Speicherung von CO2 bildet einen zentralen Schwerpunkt. Zudem will Spanien vermehrt erneuerbaren Wasserstoff als Energieträger nutzen.

Handlungsdruck ist da

Für Industrieunternehmen bedeutet dies umfangreiche Veränderungen und erhebliche Kosten. Der Handlungsdruck wächst jedoch. Bereits vor dem Angriffskrieg gegen die Ukraine nahmen die Energiekosten in Spanien zu. Die Risiken einer Abhängigkeit von importierten fossilen Energieträgern treten seit Kriegsbeginn noch deutlicher hervor.

Spaniens Industrielandschaft ist breit gefächert und besteht aus vielen Unternehmen mit hohem Energiebedarf. Zu den energieintensivsten Branchen zählen die chemische Industrie sowie die Kfz- und Nahrungsmittelindustrie. Im Fachverband AEGE haben sich energieintensive Unternehmen zusammengeschlossen. Die Schwerpunkte liegen auf Industriegasen, Metallen und chemischen Erzeugnissen. Die Mitgliederliste bietet Anhaltspunkte für industrielle Großverbraucher in Spanien.

Regierung fördert Dekarbonisierung aus EU-Mitteln 

Die spanische Regierung unterstützt mit einem neuen Strategieplan die Dekarbonisierung der Industrie. Dafür stehen 3,1 Milliarden Euro aus dem Aufbau- und Resilienzplan bereit. Die Regierung will so Investitionen von insgesamt 11,8 Milliarden Euro anregen. Die CO2-Emissionen dürften in der Folge um 13 Millionen Tonnen pro Jahr sinken. Der Plan läuft bis 2026, wobei genehmigte Vorhaben noch danach abgeschlossen werden können.

Den größten Block des Förderplans bilden die Elektrifizierung industrieller Prozesse und der Einsatz von grünem Wasserstoff. In diesem Kontext stehen auch ein integriertes Energiemanagement, ein reduzierter Ressourceneinsatz und die Speicherung von Kohlendioxid. Dafür stehen Kredite in Höhe von 1,5 Milliarden Euro und Subventionen von 800 Millionen Euro zur Verfügung.

Die restlichen Gelder sind für Unternehmen bestimmt, die am europäischen Gemeinschaftsprojekt für Wasserstoff teilnehmen. Hinzu kommen Hilfen für Klimaschutzverträge sowie hocheffiziente nachhaltige Produktionseinrichtungen.

Verteilung der Fördermittel des Strategieplans zur industriellen Dekarbonisierung (in Millionen Euro)

Maßnahme

öffentliche Subventionen

öffentliche Kredite

erwarteter privater Anteil

Zeitraum

Projekte zur industriellen Dekarbonisierung

800

1.500

6.300

2023-26

Hilfen für teilnehmende Unternehmen am IPCEI-Wasserstoffprojekt der EU

450

0

1.350

2023

Hilfen zur Entwicklung hocheffizienter Produktionsstätten

150

100

750

2023-26

Entwicklung eines Fonds für CO2-Differenzkontrakte und ein erstes Pilotprojekt

0

100

300

2024

Summe

1.400

1.700

8.700

Quelle: Resumen executivo PERTE Descarbonización industrial, spanische Regierung 2022

Zu den Zielbranchen gehören energieintensive Zweige wie die Keramik-, Zement- und Glasherstellung. Namentlich genannt sind auch die chemische Industrie und Raffinerien. Hinzu kommen die Metallindustrie und Hersteller von Papier und Zellstoff. Große Betriebe der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie können ebenfalls von Fördermitteln profitieren.

Sehr wahrscheinlich ist, dass über den staatlichen Strategieplan hinaus viele größere und kleinere Dekarbonisierungsprojekte umgesetzt werden. Multinationale Unternehmen werden ihre spanischen Standorte in ihre Klimastrategien einbinden. Zudem dürften die Vorreiter andere motivieren, ebenfalls Projekte umzusetzen.

Grüner Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle

Einige Unternehmen sind bereits Vorreiter in der Transformation der Industrie. Der Düngemittelhersteller Fertiberia nutzt an seinem Standort Puertollano grünen Wasserstoff, den das Unternehmen mit Solarenergie selbst erzeugt. Zum Zeitpunkt der Eröffnung 2022 handelte es sich um die größte industrielle Anlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff in Europa.

Die Europäische Kommission gab im Februar 2023 Subventionen für die Dekarbonisierung des Stahlkonzerns ArcelorMittal frei. Die Prozesse des Unternehmens sollen mit einem EU-Beitrag von 460 Millionen Euro umgestaltet werden. In der nordspanischen Küstenstadt Gijón betreibt das Unternehmen zwei Hochöfen. Bis 2025 sollen Produktionsprozesse schrittweise von Gas auf erneuerbaren Wasserstoff umgestellt werden. Zudem wird ein neuer elektrischer Lichtbogenofen installiert.

Energie- und Petrochemiekonzerne nehmen eine Doppelrolle bei der Dekarbonisierung ein. Sie stellen ihre eigenen Aktivitäten um und unterstützen andere Unternehmen bei deren Transformation. Beispielsweise investieren die Energiekonzerne Enagas, Endesa und Naturgy in großem Stil in Anlagen für die Wasserstoffproduktion. Die Petrochemieriesen Repsol und Cepsa kooperieren mit Fluggesellschaften und stellen aus pflanzlichen und industriellen Reststoffen Biokerosin her.

Dekarbonisierung bietet Absatzchancen

Durch die zahlreichen Ansatzpunkte zur Reduzierung von Emissionen entstehen vielfältige Absatzchancen. Grob betrachtet spielt die stärkere Einbindung erneuerbarer Energien eine wichtige Rolle, ebenso die bessere Nutzung von Wärme und mehr Energieeffizienz.

Die AHK Spanien erwartet steigende Investitionen in den Eigenverbrauch von erneuerbaren Energien und Speicherlösungen. Spanische Unternehmen setzen in sensiblen Bereichen wie dem Stromsektor oft auf deutsche Technik. Gute Aussichten haben sowohl Fotovoltaik- als auch kleinere Windenergieanlagen und Speicherlösungen.

Ein Ausbau der Sektorkopplung von Strom, Wärme und Mobilität erfordert ebenfalls technische Ausrüstung. Mess- und Steuerungstechnik sowie diverse Lösungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie dürften künftig auch gefragt sein.

Kraft-Wärme-Kopplung schafft mehr Effizienz

In der spanischen Industrie ist die Kraft-Wärme-Kopplung bislang weniger verbreitet als in Deutschland oder Italien. Insbesondere für wärmeintensive Branchen kann diese Technologie ein Baustein für mehr Effizienz und weniger Emissionen sein. Innerhalb der Industrie kommen vor allem die Zweige Nahrungsmittel, Chemie, Automobile, Raffinerien, Textilien, Papier und Keramik in Betracht.

(Stand 05.04.2023)

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