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Special | China | Klimaschutz im Dialog

"Wir benötigen einen Fahrplan"

Europäische Unternehmen in China könnten deutlich mehr zum Klimaschutz beitragen, wenn man sie ließe. Sie warten auf Details, wie China konkret die Klimapolitik umsetzen will.

Von Corinne Abele | Shanghai

Europäische Unternehmen können und wollen beim Klimaschutz in China Vorreiter und Industriepartner sein. Doch die Herausforderungen sind groß, betont Jörg Wuttke, Präsident der European Chamber of Commerce in China (EUCCC) im Gespräch mit Germany Trade & Invest (GTAI) über die Ende Mai 2022 erschienene EUCCC-Studie "Carbon Neutrality – the Role of European Business in China's Race to 2060".

Joerg Wuttke, Vice President, Chief Representative, China, BASF (China) Joerg Wuttke, Vice President, Chief Representative, China, BASF (China) | © Galina Wuttke​

Herr Wuttke, die EUCCC-Studie beschäftigt sich mit dem möglichen Beitrag europäischer Unternehmen zu Chinas Weg in die Klimaneutralität. Gerät dieser angesichts der Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang unter Druck? 

China steht für ein Viertel der globalen CO2-Emissionen und die Hälfte des weltweiten Kohleverbrauchs. Jetzt sich aus China oder Xinjiang zurückzuziehen, wäre die falsche Antwort. Vielmehr müssen wir als Katalysatoren für unsere Kunden hier wirken, damit weniger Kohle produziert und verfeuert werden muss. Nur mit China können wir den Klimawandel in den Griff bekommen.

Welche Bedingungen benötigen europäische Unternehmen, um wirtschaftlich erfolgreich zum Klimaschutz in China mit Produkten und Technologien beizutragen?

Das größte Thema ist für uns die fehlende Marktöffnung. In der Studie machen wir 52 Vorschläge, was konkret geändert werden sollte. Vor allem das regulative Umfeld muss verbessert werden, um den unterschiedlichen Situationen vor Ort gerecht zu werden. Um Energie und CO2-Emissionen einzusparen, mussten beispielsweise Mitgliedsfirmen 2021 ihre Produktion temporär um bis zu 30 Prozent drosseln, obwohl sie bereits Wind- und Solarenergie einsetzen. Es kann nicht alles über einen Kamm geschoren werden. Hier ist noch viel zu tun.

Welche Segmente des Klimaschutzes in China sind für europäische Firmen vielversprechend?

Die europäische Wirtschaft hat viel Erfahrung bei der Bewältigung der technologischen Herausforderungen, die die Umstellung von Kohle auf erneuerbare Energien für die Stromübertragungs- und -verteilungsnetze mit sich bringt. Die Schwankungen sind enorm und müssen durch Batteriespeicher abgefangen werden. Ein weiterer großer Bereich sind niedrigenergetische Antriebe. Auch müssen Autos leichter und die Batterieherstellung emissionsärmer und umweltfreundlicher werden; die Chemieindustrie ist in nahezu allen Bereichen gefragt. Und leistungsfähige, hocheffiziente Maschinen bilden das Kernstück energieeffizienter Produktion. Hier können europäische Firmen überall viel beitragen.

In Sachen Klimaschutz sind europäische Firmen in China häufig Vorreiter. Was treibt sie an?

Unsere Firmenzentralen sitzen uns mit globalen Klimaschutzvorgaben im Nacken. Auch in China müssen bei jeder Fabrik der CO2-Fußabdruck und eventuell zu erwerbende CO2-Emissionsausgleichszertifikate berücksichtigt werden, um international konkurrenzfähig zu bleiben. Und unsere chinesischen Kunden verlangen ebenso, dass wir neue Fabriken vor Ort bauen, neue Produktionstechniken und Produkte testen. Europäische Firmen implementieren daher in China beste Technologien und probieren sie aus.

Dabei stoßen sieben von zehn befragten EUCCC-Mitgliedsfirmen bei der Entkarbonisierung ihrer Geschäftstätigkeit in China auf Schwierigkeiten. Was sind die größten Herausforderungen?

Die größten Herausforderungen stellen sich Unternehmen mit Produktion in Chinas kohlebasiertem Norden. Dort fehlen erneuerbare Energien wie etwa Solar oder Onshore-Wind im Nordwesten Chinas, Wasserkraft im Südwesten oder entstehende Offshore-Windparks entlang der Ostküste. Einige Firmen überlegen daher bereits, ihre Produktion in andere Landesteile oder nach Südostasien zu verlagern – nicht nur aufgrund wachsender geopolitischer Überlegungen, sondern weil sie dort günstig mit erneuerbaren Energien produzieren können. Aufgrund seiner Kohlelastigkeit fällt Indien hier im Vergleich zu Malaysia oder Vietnam zurück.

Dennoch sind drei Viertel der befragten 236 EUCCC-Mitgliedsfirmen in China zuversichtlich, dass China seine selbst gesetzten Klimaschutzziele - CO2-Emissionsspitze vor 2030 und bis 2060 Klimaneutralität – erreichen wird. Woher kommt die Zuversicht?

Die Zuversicht speist sich aus den Erfahrungen der Vergangenheit. Immer hat China seine selbstgesetzten Ziele in etwa erreicht. Darüber hinaus ist das Land bei der Herstellung von Windturbinen und Solarpanels sehr gut aufgestellt. Gleichzeitig verfügt es über ein starkes Digitalsystem mit 5G und smarter Steuerung, was in diesem Kontext ebenfalls wichtig ist. Der Optimismus der Firmen leitet sich auch aus dem Engagement der chinesischen Industrie ab. Immer mehr Kunden wollen durch Zertifikate bestätigt haben, dass entlang der Lieferketten grün produziert wird. Hier setzt der Aktivist Ma Jun mit seiner Green Choice Initiative erste Akzente.

Dabei tut sich gerade bei der Abkehr vom Kohlestrom in China kaum etwas. Ist das nicht ein Widerspruch?

Der erste Anlauf im letzten Jahr, Kohlestrom zu reduzieren, erfolgte mit einer schlechten Werkzeugkiste und hat regional zu Stromknappheit geführt. Nun scheint die Entkarbonisierung des Energiesektors erst einmal verschoben; vielmehr werden mehr Kohlekraftwerke gebaut. Dabei zeigen die Covid-Lockdowns deutlich, dass die Regierung durchaus die Wirtschaft hinten anstellen kann.

Dass Chinas Klimagesandter Xie Zhenhua Ende Mai 2022 trotz Covid-Lockdowns am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnahm, ist ein Zeichen. Was muss künftig konkret geschehen?

Xie Zhenhua ist ein ausgewiesener Kenner der Materie. Von seinem Auftritt in Davos haben wir uns mehr Details erhofft, wie die Klimapolitik in China künftig konkret umgesetzt werden soll. Wir benötigen einen Fahrplan, den es derzeit noch nicht gibt. Dabei sind auch Chinas Industrieverbände gefragt, die Entkarbonisierung ihres jeweiligen Sektors voranzutreiben. Inwieweit Nichtregierungsorganisationen Kritik und Vorschläge werden einbringen können, ist unklar.

Weitere Informationen:
  • Die Europäische Handelskammer in China (European Union Chamber of Commerce in China, EUCCC) ist Plattform für europäische Unternehmen in China und vertritt die Interessen ihrer derzeit 1.700 Mitglieder vor Ort.    
  • Die Studie "Carbon Neutrality: the Role of European Companies in China's Race to 2060" zeigt, dass europäische Unternehmen in China zwar zu Chinas Klimazielen beitragen können, doch Herausforderungen ihnen im Weg stehen wie etwa eine fehlende Energiemarktöffnung. Zwei Drittel der europäischen Firmen im Land verfolgen CO₂-Neutralität, 40 Prozent haben bereits eigene Dekarbonisierungsteams eingerichtet, viele von ihnen direkt unterhalb der Geschäftsleitung. 


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