Special | Österreich | Klimawandel lokal
Konjunkturprogramm für mehr Klimaschutz
Österreich investiert mehr als die Hälfte seiner EU-Fördermittel in den Klimaschutz. Bedarf an innovativen Lösungen besteht vor allem in der Energie- und Mobilitätsbranche.
12.04.2022
Von Benedict Hartmann | Bonn
Österreich möchte beim Klimaschutz Vorreiter innerhalb der EU werden. Während das europaweite Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gilt, will das Land bereits 2040 komplett auf CO2-Emissionen verzichten. Ein erstes Etappenziel ist es, ab 2030 ausschließlich erneuerbare Energien zur Stromerzeugung zu nutzen.
Dafür investiert die Regierung insgesamt 2 Milliarden Euro aus dem Aufbau- und Resilienzplan. Österreich setzt 59 Prozent seiner EU-Fördermittel für den Klimaschutz ein. Die Vorgabe der EU, für diesen Bereich mindestens 37 Prozent der Mittel zu verwenden, wurde damit deutlich übertroffen.
Neben der öffentlichen Investitionen in klimaschützende Projekte und Initiativen bekennt sich Österreich klar zur CO2-Steuer. Ab Juli 2022 wird eine Tonne CO2 dann mit 30 Euro besteuert. Wie auch in Deutschland wird die Steuer pro Tonne bis 2025 jährlich schrittweise auf 55 Euro erhöht. Trotz der steigenden Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine hält die Regierung an der CO2-Besteuerung fest. So soll die Energiewende in Österreich möglichst rasch herbeigeführt werden.
Weitere Aktivitäten betreffen die Anpassung an den Klimawandel. Bereits 2014 wurde vom Austrian Panel on Climate Change (APCC) der österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel erstellt. Das daraus resultierende Förderprogramm KLAR! zielt darauf ab, Regionen und Gemeinden auf klimabedingte Gefahren und Naturkatastrophen vorzubereiten.
Deutsche Unternehmen können von den umfangreichen Förderprogrammen profitieren. Zur Umsetzung der ambitionierten Ziele ist Österreich auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. So bieten die Bereiche erneuerbare Energien und Mobilität ebenso Geschäfts- und Kooperationschancen wie die Umsetzung der nationalen Strategie für Wasserstoff- und Kreislaufwirtschaft.
Im Fokus steht der Ausbau der erneuerbaren Energien
Im Sommer 2021 hat die Regierung in Wien das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG) verabschiedet. Als erste Zielmarke auf dem Weg zur Klimaneutralität 2040 sieht es vor, den gesamten Stromverbrauch ab 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu decken. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix lag bereits 2020 bei 81 Prozent. Gegenwärtig dominiert die Wasserkraft mit rund 60 Prozent die Stromerzeugung in Österreich.
Die Solarenergie steht im Mittelpunkt der öffentlichen Förderung. Photovoltaik spielt bei der Umsetzung der Klima- und Energiestrategie #mission2030 eine entscheidende Rolle. Im EAG heißt es dazu: „Der Beitrag der Photovoltaik soll insbesondere durch das Ziel, eine Million Dächer mit Photovoltaik auszustatten, erreicht werden.“
Wärme hingegen wird in Österreich nur zu einem Drittel aus erneuerbaren Energien gewonnen. Viele Gebäude heizen immer noch mit Gas oder Öl. Innovative Speichertechnologien sowie der Bezug aus Fernwärme könnten zu einer Wärmewende beitragen. Den Ausbau einer funktionierenden Ladeinfrastruktur für E-Autos soll unterdessen die Umstellung von fossil betriebenen Transportmitteln hin zu Elektrofahrzeugen unterstützen.
Wasserstoffstrategie soll Ressourcen bündeln
Ein nachhaltiger Strommix bildet die Grundlage zur Gewinnung grünen Wasserstoffs, der im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie priorisiert wird. Die Beauftragung der Strategie erfolgte im November 2018 und ist gegenwärtig in der finalen Abstimmung. Erste Maßnahmen wurden bereits vorzeitig umgesetzt. So stellt die Regierung jährlich 50 Millionen Euro für Elektrolyseure bereit. Außerdem sind 100 Millionen Euro vom Österreichischen Aufbau- und Resilienzplan für die Förderung von Wasserstoff vorgesehen. Schwerpunkte bilden die Systemintegration und Sektorenkopplung in den Bereichen Energieumwandlung, -verteilung und -speicherung, Gebäude und urbane Systeme sowie nachhaltige Mobilitätsysteme.
Für deutsche Unternehmen könnten auch die Bestrebungen hinsichtlich der „Important Projects of Common European Interest (IPCEI)“ von Interesse sein. Dabei handelt es sich um transnationale Vorhaben, die einen wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie und Wirtschaft leisten. Im Rahmen des IPCEI Projektes Microelectronics etwa arbeiten Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und Österreich bereits zusammen. Gleiche Partnerschaften sind auch für das IPCEI Projekt Wasserstoff geplant.
Ressourcenschutz durch Kreislaufwirtschaft
Maßnahmen für mehr Klimaschutz werden gegenwärtig in der Strategie zur Kreislaufwirtschaft diskutiert. Darin geht es vor allem um die Transformation des weitgehend linearen Wirtschaftssystem hin zu einem zirkulären - also der Wiederverwendung von Ressourcen in einem geschlossenen Kreislauf. Dafür sind neue technologische Ansätze, innovative Geschäftsmodelle, eine enge Vernetzung der Akteure und ein verbessertes Informationsmanagement notwendig.
Konkret investiert das Land in neue Leergutrücknahmesysteme, mehr Recycling von Getränkeverpackungen, Maßnahmen zur Steigerung der Mehrwegquoten für Getränkegebinde sowie die Errichtung und Nachrüstung von Sortieranlagen.
Tourismussektor geht als grünes Vorbild voran
Die direkten und indirekten Effekte der Tourismuswirtschaft auf die Wertschöpfung Österreichs sind enorm. Allein im Wintersport belief sich der Umsatz 2019 auf 14,9 Milliarden Euro. Gleichzeitig ist der Betrieb der Wintersportanlagen sehr energieintensiv. Die 2.000 Pistenraupen in Österreich verbrauchen rund 30 Millionen Liter Diesel im Jahr. Dieser Entwicklung möchte die Regierung in Wien entgegenwirken. So finanziert sie Forschungsprojekte für den Einsatzes von Pistenraupen, die mit Wasserstoff betrieben werden können.
Vorbildlich ist bereits der Betrieb der Seilbahnanlagen. Dieser wird in Österreich überwiegend mit Strom aus erneuerbaren Energien durchgeführt. Speichersysteme könnten künftig Stromüberschüsse aus dem Sommer speichern und zu einem ausgeglichenen Stromangebot führen.