Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Interview| Syrien | Wirtschaftsumfeld

"Die Kaufkraft ist gering, aber es gibt Kapital von außen"

Die Krise ist längst nicht ausgestanden, der Wiederaufbau Syriens bedeutet aber auch einen neuen Markt. Eine Bonner Unternehmensberatung zeigt Wege dorthin auf.

Von Ulrich Binkert | Bonn

 

Henry Malik El-Tamer, Geschäftsführer, El-Tamer Gesellschaft für GCC , Geschäfte mit Syrien Henry Malik El-Tamer, Geschäftsführer, El-Tamer Gesellschaft für GCC , Geschäfte mit Syrien | © El-Tamer Gesellschaft für GCC Strategieberatung mbH

Eigentlich hat sich Henry Malik El-Tamer mit seiner jungen Bonner Firma El-Tamer Gesellschaft für GCC Strategieberatung auf die reichen Ölstaaten am Golf fokussiert. Nun begleitet der ehemalige Basketballprofi deutsche Firmen auch bei Geschäften mit Syrien. Dabei helfen ihm seine Kontakte im Sport sowie verwandtschaftliche Bindungen nach Syrien und Saudi-Arabien. 

Herr El-Tamer, in Syrien fehlt es an allem und Geld ist knapp - wie können deutsche Firmen da tätig werden?

Indem sie dringend benötigte Produkte preiswert liefern. Wie die runderneuerten Küchengeräte des Elektro Outlet Sinzig. Dieses Unternehmen schickt davon seit einem Jahr alle drei Wochen einen Container voll nach Syrien. 

Die Firma lieferte also vor dem Sturz von Assad und seither auch wieder?

Ja, der Umsturz bedeutete nur eine Unterbrechung. Mit der neuen Regierung in Damaskus läuft das Geschäft deutlich besser. Davor wollten die Grenzbeamten Schmiergelder, Zollsätze waren unklar, die Ware kam beschädigt an. Jetzt gibt es da viel weniger Probleme. 

Wer sind die Kunden in Syrien?

Das ist ein Importeur in Idlib, der die Ware als Groß- und Einzelhändler in Syrien vertreibt. Die Haushalte in Syrien scheinen bei Waschmaschinen oder Kühlschränken die koreanischen Marken LG und Samsung zu bevorzugen - verlangen aber eine Lieferung der aufbereiteten Ware aus Deutschland. Sie gehen dann davon aus, dass die Geräte langlebig und in Ordnung sind, anders als bei Lieferungen über die Türkei.

Und wie läuft die Bezahlung?

Der Lieferant in Sinzig stellt die Rechnung an den Importeur in Syrien. Sein Geld bekommt er hier in Deutschland in bar von einem Mitarbeiter des syrischen Kunden. Umgekehrt ist ein aus Syrien stammender Außendienstler der Sinziger Firma gerade beim Kunden in Syrien. Dort schult er den Partner in der Software, die im Refurbishment-Geschäft gängig ist. 

Wie lässt sich die Seriosität eines Kunden in Syrien einschätzen?

Der Gründer und Chef des Elektro Outlet hat selbst syrische Wurzeln. Er verfügt über ein Netzwerk in der alten Heimat und kann die Lage dort einigermaßen beurteilen. 

Aber für eine deutsche Firma ohne Verbindungen nach Syrien ist das Land doch eine Black Box. 

Das stimmt. Deshalb hat einer unserer deutschen Kunden, das Unternehmen GBA - dessen Gründer ebenfalls syrische Wurzeln hat - das Projekt "Meezan.tech" ins Leben gerufen. Ziel ist es, Bonitätsprüfungen für Personen und Unternehmen in Syrien durchzuführen. Eine Art Schufa also, deren Informationen deutschen Lieferanten helfen, potenzielle Geschäftspartner in Syrien besser einzuschätzen.

Begleiten Sie weitere Projekte in Syrien?

Wenn es die - aktuell ja angespannte - Sicherheitslage zulässt, plane ich für August eine Syrienreise im Auftrag des Wiesbadener Wasserspezialisten Fritz Wiedemann & Sohn. Dabei möchte ich die Lage bei einer Reihe von Wassertürmen eruieren. Wir wollen die später begehen und Daten aufnehmen, um danach die oft kaputten oder völlig verkeimten Behälter zu sanieren. Das ist ein expliziter Wunsch des syrischen Investitionsministeriums. Daneben recherchiere ich Bauprojekte der syrischen Bildungsinfrastruktur, und zwar für die Nahostniederlassung des führenden Schulmöbelherstellers VS Vereinigte Spezialmöbelfabriken aus Tauberbischofsheim.

Haben diese Firmen ebenfalls syrische Eigner?

Nein. Bei VS gehört aber knapp die Hälfte der Middle-East-Niederlassung in den VAE einem palästinensischstämmigen Portugiesen, Aref Saqer. Er hat VS Middle East gegründet und nimmt aktuell neue Märkte in der Region in den Fokus, auch Syrien und Irak. VS produziert bereits in den VAE und in Saudi-Arabien und könnte Syrien künftig von dort aus beliefern. 

Gibt es in Syrien denn genug Geld für die Beschaffung deutscher Produkte?

Die Kaufkraft ist tatsächlich gering. Aber es gibt Kapital von außen, genauer aus den Ölstaaten: Saudi-Arabien und Katar finanzieren aktuell Gehälter von Staatsbediensteten in Syrien. Geld kommt auch von Privatpersonen und Firmen vom Golf. 

Von wem zum Beispiel?

Der Mitgründer und -teilhaber der weltgrößten islamischen Bank hat den größten Teil seines Milliardenvermögens gespendet. Ein Teil davon fließt in Projekte in Syrien.

Warum sind diese Leute so spendabel?

Einerseits aus philanthropischen Beweggründen. Ebenso wichtig sind aber familiäre Beziehungen, die in der Stammeskultur eine zentrale Rolle spielen und über heutige Staatsgrenzen hinausreichen. Die Verwandtschaft kann Einfluss auf soziale Netzwerke, Loyalitäten und Verantwortlichkeiten nehmen. 

Können Sie solche familiären Bindungen ebenfalls nutzen?

Bei mir läuft das eher über den Sport. Ich war Basketballprofi in meinem Geburtsland Deutschland, spielte aber auch drei Jahre lang professionell in Damaskus und davor als Jugendlicher bei Al Hilal in Saudi-Arabien. Das ist der Verein, in dessen Fußballabteilung unter anderem Neymar spielte. Nach Saudi-Arabien war unsere Familie wegen des Jobs meines Vaters gezogen. Wir hatten in Riad einen Sponsor, den ich erst im Februar wieder zu Hause besuchte. Er ist der größte Hersteller von Papiertüchern im Nahen Osten und Eigentümer mehrerer Fußballvereine in Europa.

Verwandtschaft spielt bei Ihnen keine Rolle?

Ein Stück weit schon. Mein Vater wurde in Syrien geboren, gehört jedoch dem Tai-Stamm an, dessen Wurzeln in Hail im heutigen Saudi-Arabien liegen.

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