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Special | Taiwan | Krieg in der Ukraine

Folgen halten sich noch in Grenzen

Die taiwanische Wirtschaft zeigt sich bisher wenig betroffen von den Auswirkungen des Ukrainekonflikts. Am meisten Sorgen bereitet die anziehende Inflation.

Von Alexander Hirschle | Taipei

Die taiwanische Zentralbank geht davon aus, dass sich das Wachstum 2022 aufgrund des Ukrainekrieges um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte verringern könnte. Erst Ende Februar hatte die Regierung ihre offiziellen Prognosen für die reale Steigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 4,2 auf 4,4 Prozent leicht nach oben geschraubt.

Die obersten Währungshüter sehen allerdings keine massive Beeinträchtigung der taiwanischen Konjunktur voraus. Russland wie auch die Ukraine spielen als Absatzmarkt für lokale Produkte oder für Investoren nur eine begrenzte Rolle. Nach Einschätzung der taiwanischen Zentralbank sind zudem die finanziellen Verflechtungen gering.

Außenhandel nur wenig beeinträchtigt

Die taiwanischen Exporte nach Russland beliefen sich 2021 auf 1,3 Milliarden US-Dollar (US$). Das entspricht 0,3 Prozent der gesamten Ausfuhren. Importseitig bezog Taiwan Waren im Wert von 5 Milliarden US$ aus Russland. Das sind 1,3 Prozent der Gesamteinfuhren der Insel. Übergreifend rangiert Russland auf Platz 19 der taiwanischen Handelspartner. Die kumulierten taiwanischen Investitionen in dem Land belaufen sich auf nur knapp 30 Millionen US$.

Die Ausfuhren in die Ukraine erreichten im vergangenen Jahr 160 Millionen US$. Die Importe lagen bei 165 Millionen US$. Beides entsprach einem Anteil von jeweils 0,04 Prozent an den Ein- und Ausfuhren. Die Ukraine liegt damit auf Platz 67 im Ranking der taiwanischen Handelspartner. Übergreifend ist der Anteil beider Länder von unter einem Prozent am taiwanischen Außenhandel niedrig. Das Wirtschaftsministerium MOEA (Ministry of Economic Affairs) zeigt sich in der lokalen Presse daher wenig besorgt über die direkten Auswirkungen.

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Inflation bereitet Sorgen

Als größeres Risiko könnte sich die schon im Vorfeld angestiegene Inflation erweisen. Diese überschritt bis Ende 2021 sechs Monate in Folge den Schwellenwert von 2 Prozent. Eigentlich war die Regierung für 2022 von einer leicht sinkenden Steigerung des Index CPI (Consumer Price Index) auf 1,9 Prozent ausgegangen. Doch ein länger andauernder bewaffneter Konflikt in Osteuropa könnte diese Prognosen nun zur Makulatur werden lassen. Das befürchtet die taiwanische Zentralbank.

So rechnet der staatliche Think Tank NDC (National Development Council) mit einem Inflationswert von bis zu 2,5 Prozent. Auslöser sind steigende Rohölnotierungen. Allerdings soll es sich dabei um ein Worst Case Szenario handeln. Es spiegelt den Fall, dass der Ölpreis bis Jahresende um 30 Prozent steigt. Im internationalen Vergleich würde das aber immer noch ein gemäßigtes Inflationsniveau darstellen. Gemäß der NDC-Berechnungen führt eine Steigerung des Ölpreises von 10 Prozentpunkten in Taiwan zu einer Erhöhung des CPI von 0,2 Prozent.

Auswirkungen auf Konsum befürchtet

Die Preiserhöhungen vor allem bei Energie-, Rohstoff- und Nahrungsmittelpreisen könnten sich auch negativ auf die Verbraucherstimmung niederschlagen. Dies könnte den privaten Konsum im laufenden Jahr beeinträchtigen. Dieser sollte eigentlich 2022 mit einem Zuwachs von 5,4 Prozent als wichtigster Konjunkturmotor fungieren. In den Vorjahren hatten noch Anlageinvestitionen und Exporte diese Funktion eingenommen. Die Börse Taiex (Taiwan Stock Exchange) hatte seit ihrem Höchststand Mitte Januar bis Mitte März bereits einen Rückgang um knapp 9 Prozent hinnehmen müssen.

Keine Versorgungsengpässe bei Energieimporten in Sicht

Taiwan importiert aus Russland in erster Linie Rohstoffe und gering verarbeitete Produkte wie Kohle, Erdöl, Aluminium, Eisen und halbfertige Stahlprodukte. Das Wirtschaftsministerium sieht derzeit noch keine immanente Gefahr von Versorgungsengpässen bei Rohöl oder Flüssigerdgas (LNG, Liquified Natural Gas). Letzteres wird vor allem aus Australien und Katar bezogen. Aus Russland kamen 2021 knapp 10 Prozent.

Die Lieferverträge mit Moskau laufen jedoch ohnehin im April 2022 aus. Offiziellen Angaben in der lokalen Presse zufolge hat die Regierung bereits alternative Bezugsquellen identifiziert. Bei den Kohleimporten belief sich der russische Anteil auf rund 15 Prozent und lag damit deutlich hinter den Lieferungen aus Australien (55 Prozent) und aus Indonesien (24 Prozent). Darüber hinaus würden die Reserven an Rohöl für 75 Tage ausreichen. Sorgen bereiten eher die Preisvolatilitäten bei den Energieträgern.

Verluste im Maschinenbau

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums exportiert Taiwan vor allem Maschinen- und Kfz-Teile nach Russland. Der Fachverband Tami (Taiwan Association of Machinery Industry) beziffert die kurzfristigen Verluste im Maschinenexport allein im Februar 2021 auf 6,9 Millionen US$. Rund 60 lokale Branchenfirmen seien betroffen gewesen, darunter vor allem Hersteller von Werkzeugmaschinen.

Bei Halbleitern zeichnet Russland für deutlich weniger als 1 Prozent der taiwanischen Chipexporte verantwortlich. 2021 wurden nach Informationen des Instituts TIER (Taiwan Institute of Economic Research) Chips im Wert von knapp 20 Millionen US$ ausgeliefert. Daher werden die direkten Auswirkungen auf die taiwanische Halbleiterindustrie begrenzt bleiben. Allerdings ist Russland ein wichtiger Lieferant für Rohstoffe, die bei der Herstellung von Chips und Elektronikprodukten benötigt werden.

Lieferketten bisher wenig betroffen

Das MOEA zeigt sich dennoch wenig besorgt über etwaige Folgen des Konflikts auf die taiwanischen Lieferketten. „Die Auswirkungen auf die Lieferketten sind unter Kontrolle“, so Vertreter des Ministeriums in der Tageszeitung Taiwan News. Auch haben lokale Halbleiterhersteller nach Angaben von TIER schon im Vorfeld des Konflikts ihre Bezugsquellen diversifiziert und strategische Reserven an Vorprodukten angelegt.

Das taiwanische Außenministerium MOFA (Ministry for Foreign Affairs) hatte im Februar 2022 angekündigt, sich den internationalen Sanktionen gegen Russland anzuschließen. Details wurden zunächst nicht veröffentlicht. Die Bevölkerung verfolgt und debattiert den Konflikt aufgrund der Sondersituation Taiwans vor allem in politischer Hinsicht rege.

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